Josef Hecken, Präsident des BVA Bundesversicherungsamtes (Foto: BVA)

Samstag, 01. November 2008

Wie sicher sind die Geldanlagen in der Sozialver- sicherung gestellt?

Von: Bundesversicher- ungsamt / Pressemitteilung

Anlässlich der Geldanlagen in der Sozialversicherung erklärt der Präsident des Bundesversicherungsamtes, Josef Hecken: "Vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzmarktkrise sind in den letzten Tagen und Wochen auch Fragen zur Sicherheit der Gelder der Sozialversicherung gestellt worden. Ich halte diese Fragen im Interesse der Beitrags- und Steuerzahler wie auch der Leistungsempfänger – also insbesondere der Kranken und Rentner – für wichtig und berechtigt.

Deshalb an dieser Stelle die wichtigsten Botschaften vorweg

  1. Die Geldanlagen der Sozialversicherungsträger sind sicher.
  2. Die Sozialversicherungsträger handeln bei ihren Geld- anlagen verantwortungsvoll und zeigen ein seriöses Geschäftsgebaren.
  3. Kein Beitragszahler muss Angst haben, dass seine Beitragsgelder "verzockt" werden. Kein Kranker und kein Rentner muss Befürchtungen haben, dass infolge von "Zockereien" medizinische Leistungen nicht mehr erbracht werden oder die Rente nicht mehr ausgezahlt wird.

Grundlage für diese Aussagen ist nicht blindes Vertrauen in die Sozialversicherung oder Kumpanei mit den Sozialver- sicherungsträgern. Grundlage sind vielmehr die Erfahrungen aus jahrzehntelanger Aufsichtstätigkeit des Bundesversicher- ungsamtes, die auch die Kontrolle der Geldanlagen bein- haltet.

Im Rahmen dieser Kontrolle haben wir unabhängig von der aktuellen Finanzmarktkrise auch schon in der Vergangenheit immer einen Grundsatz zugrundegelegt: Sicherheit hat abso- luten Vorrang vor Profit. Es gelten enge rechtliche Rahmen- bedingungen, innerhalb derer die Sozialversicherungsträger ihre Geldanlagen tätigen können. Wichtig ist dabei vor allem:

Spekulative Investments sind den Sozialversicherungsträ- gern untersagt und wurden bei unseren Prüfungen bei Sozi- alversicherungsträgern auch nicht festgestellt. Sogenannte Geld-"Zockereien" sind in der Sozialversicherung verboten! Und sie werden und wurden auch nicht praktiziert.

Geldmittel in der Sozialversicherung

Nach den Statistiken und Zahlen des Bundesversicherungs- amtes verfügten die Träger der gesetzlichen Krankenver- sicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung zum 31. Dezember 2007 über ein liquides Geldanlagevo- lumen von insgesamt rund 42,7 Milliarden ¤. Dies entspricht 9,7 Prozent der jährlichen Gesamtausgaben der genannten Sozialversicherungszweige. Dieses Volumen umfasst sowohl die Geldanlagen der bundesunmittelbaren als auch die der landesunmittelbaren Sozialversicherungsträger. Die Anlagemittel erfassen folgende Vermögenskategorien:

  • Betriebsmittel, die kurzfristig orientiert sind und mit denen grundsätzlich die laufenden Ausgaben finanziert werden.
  • Rücklagemittel, die eher mittelfristig orientiert sind und zum Ausgleich unterjähriger Einnahme- und Ausgabeschwankungen vorgehalten werden, aber auch zur Beitragssatzstabilisierung dienen.

Ich will es noch einmal griffig und einfach formulieren: die Träger haben die Anlagemittel nicht, um damit zu spekulieren, sondern sie brauchen die Anlagen zwingend, um das "laufende Geschäft" abwickeln zu können. Ohne diese Mittel gäbe es ein ständiges Auf und Ab bei den Beitragssätzen und Probleme bei fristgebundenen Auszahlungen. Und so hoch der Betrag von 42,7 Milliarden ¤ auch klingt: die knapp 10 Prozent der jährlichen Gesamtausgaben decken gerade einmal etwas mehr als eine Monatsausgabe ab.

Verteilung der Geldanlagemittel auf die einzelnen Sozialversicherungszweige:

Die Nachhaltigkeitsrücklage der gesetzlichen Rentenversicherung, die vereinfacht ausgedrückt die liquiden Mittel der Rentenversicherung umfasst, wies Ende 2007 ein Volumen von 11,5 Milliarden ¤ auf. Diese Mittel sind fast ausschließlich in Termingeldern angelegt (96 Prozent), und zwar grundsätzlich bis zum nächsten Rentenzahltermin.

Die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung verfügten Ende 2007 über angelegte Geldmittel in Höhe von insgesamt 19,4 Milliarden ¤. Hiervon sind 14,2 Milliarden ¤ oder fast drei Viertel in Termingeldern angelegt. 2,9 Milliarden oder 15 Prozent sind in Pfandbriefen und Anleihen staatlicher Stellen angelegt und weitere 2,3 Milliarden ¤ oder 12 Prozent liegen auf Girokonten.

Die Soziale Pflegeversicherung verfügte Ende 2007 über Liquiditätsreserven in Höhe von 3,1 Milliarden ¤. Hiervon sind 2,4 Milliarden ¤ oder mehr als zwei Viertel in Termingeldern angelegt. Weitere 0,5 Milliarden ¤ oder 16 Prozent liegen auf Girokonten.

Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung wiesen Ende 2007 ein Geldanlagevolumen von insgesamt 8,7 Milliarden ¤ auf. Angelegt waren diese Mittel mit 5,1 Milliarden ¤ oder fast 60 Prozent in Termingeldern und mit 3,5 Milliarden ¤ oder 40 Prozent in Pfandbriefen und Anleihen staatlicher Stellen.

Anlagevorschriften für die Sozialversicherung

Angesichts der genannten Geldvolumina, die in der Sozialversicherung angelegt werden, ist es verständlich und richtig, dass die Geldanlagen der Sozialversicherungsträger umfassenden rechtlichen Regulierungsvorschriften unterliegen. In § 80 SGB IV sind die von den Sozialversicherungsträgern zu beachtenden Anlagegrundsätze gesetzlich fixiert:

Sicherheit, Liquidierbarkeit und angemessener Ertrag sind die Maximen.

Dieses sog. Magische Dreieck der Vermögensanlage erfährt nun in der Sozialversicherung eine ganz spezifische Ausprägung:

  • Oberstes Prinzip ist der Grundsatz der Sicherheit der Geldanlage oder wie es im Gesetz selbst ausgedrückt ist: "ein Verlust ausgeschlossen erscheint". Der Grundsatz der Sicherheit bezieht sich sowohl auf die subjektive Sicherheit der Geldanlage (= Anlageinstitution) als auch auf die objektive Sicherheit der Geldanlage (= Anlageprodukt).
  • Zweitwichtigstes Prinzip ist der Grundsatz der "ausreichenden Liquidität". Ein Sozialversicherungsträger soll jederzeit über so viele liquide Geldmittel verfügen und demgemäß seine Gelder so liquidierbar anlegen, dass er seine laufenden Ausgaben bestreiten kann.
  • Das dritte Prinzip betrifft die Ertragserzielung. Diese Prinzip hat allerdings in der Sozialversicherung eine wichtige Einschränkung erfahren. Auch wenn für das Handeln der Sozialversicherungsträger grundsätzlich das Wirtschaftlichkeitsprinzip Handlungsmaxime ist, gilt dies nicht für den Bereich der Geldanlagen. Die Sozialversicherungsträger haben nicht den maximalen Ertrag bei einer Geldanlage anzustreben, sie haben einen angemessenen Ertrag zu realisieren. Dies besagt, dass sich die Zinsvereinbarung einer Geldanlage im Rahmen des Marktüblichen für die spezielle Anlageform bewegen muss.

In der Sozialversicherung gilt also bei den Geldanlagen: Sicherheit und Liquidierbarkeit haben Vorrang vor der Rendite. Dies hat auch das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2006 ausdrücklich bestätigt. Gerade der dieser Entscheidung zugrundeliegende Prozess zeigt, dass das Bundesversicherungsamt bei streitigen Auslegungen der Sicherheit von Geldanlagen auch vor gerichtlichen Schritten nicht zurückschreckt und seine "strenge" Haltung zugunsten der Sicherheit durchsetzt.

Den Sozialversicherungsträgern sind zudem nur die in § 83 Absatz 1 SGB IV genannten Anlageformen erlaubt. Dazu gehören insbesondere:

  • Einlagen bei Kreditinstituten - wie z.B. Termingelder - einschließlich Schuldscheindarlehen, soweit diese der Einlagensicherung unterliegen;
  • Schuldverschreibungen, die der Einlagensicherung unterliegen;
  • Anleihen bei öffentlich-rechtlichen Emittenten, insbesondere Staatsanleihen;
  • Pfandbriefe und andere Wertpapiere, für die kraft Gesetzes eine besondere Deckungsmasse besteht.
  • Anlagen in Investmentfonds sind nur zulässig, soweit sie ausschließlich aus den vorgenannten Anlageformen bestehen.

Unzulässig für Sozialversicherungsträger sind z.B. Anlagen in Zinsderivaten oder Rohstoffund Indexzertifikaten. Der Anlagehorizont ist auf die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums sowie die Schweiz begrenzt und darf grundsätzlich nur in Euro erfolgen.

Überwachung der Geldanlagen

Im Rahmen der vorgenannten Restriktionen entscheiden die Sozialversicherungsträger eigenverantwortlich über ihre Geldanlagen.

Um Missbräuche und Fehlentwicklungen zu vermeiden, prüfen das Bundesversicherungsamt wie auch die Aufsichtsbehörden der Länder regelmäßig die Geldanlagen der Sozialversicherungsträger. Bislang wurden Verstöße gegen die Anlagerichtlinien und die Einlagensicherung nicht festgestellt. Die Sozialversicherungsträger handeln seriös und verantwortungsvoll.

Die Aufsichtsprüfungen führen auch dazu, dass die Sozialversicherungsträger den engen Austausch mit dem Bundesversicherungsamt hinsichtlich neuer Anlageprodukte suchen. Sozialversicherungsträger, die sich unsicher sind, ob ein bestimmtes Anlageprodukt in der Sozialversicherung zulässig ist, können und lassen dies beim Bundesversicherungsamt prüfen. Vielfach stellen bereits Kreditinstitute selbst ihre neuen Anlageprodukte beim Bundesversicherungsamt vor, um die Zulässigkeit nach den sozialversicherungsrechtlichen Vermögensvorschriften prüfen zu lassen. Nach unseren Auswertungen werden neun von zehn Produkten abgelehnt, z. B. Investmentfonds mit Anleihen in US-Dollar oder nicht gesicherte Wandelanleihen und Genussscheine.

Bei den Geldanlagen der Sozialversicherungsträger spielt die Einlagensicherung eine herausragende Rolle. Das Bundesversicherungsamt informiert die Sozialversicherungsträger und ihre Spitzenverbände seit 1978 regelmäßig über Veränderungen bei den vier inländischen Einlagensicherungssystemen der Sparkassen, der Genossenschaftsbanken, der Privatbanken und der Öffentlichen Banken. Es erfolgen Informationen über Mitgliederveränderungen in den Sicherungssystemen sowie über die Höhe der aktuellen Sicherungsgrenzen.

Ferner verfasst das Bundesversicherungsamt Rundschreiben zu vermögensrechtlichen Fragestellungen, wenn Unklarheit über die rechtliche Zulässigkeit bestimmter Anlageformen besteht, z.B. hinsichtlich Indexanleihen. Des Weiteren vereinbart das Bundesversicherungsamt Mustervertragsbedingungen mit dem Bundesverband der Investmentgesellschaften (BVI), um sicherzustellen, dass in den Wertpapier-Sondervermögen nur der Erwerb zulässiger Anlageformen vertraglich vereinbart werden kann.

Fazit

Insgesamt lässt sich feststellen: Die Geldanlagen der Sozialversicherungsträger unterliegen sehr restriktiven Rahmenbedingungen. Nach den Erkenntnissen der Aufsichtsbehörden verfahren die Sozialversicherungsträger verantwortungsvoll bei ihren Geldanlagen. Durch die Geldanlagen bei Lehman Brothers oder der Hypo Real Estate ergeben sich nach Erkenntnissen des Bundesversicherungsamtes keine negativen Folgen für die Zahlungsfähigkeit der betroffenen Träger. Auch sind hier keine Gelder verspekuliert worden! Die Anlagen sind gesichert, die Träger erhalten die Einlagen in vollem Umfang zurück. Änderungen von Anlagevorschriften in der Sozialversicherung infolge der aktuellen Finanzmarktkrise sind deshalb aus Sicht des Bundesversicherungsamtes als Aufsichtsbehörde derzeit nicht angezeigt."

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