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Donnerstag, 09. Mai 2013

Transparency legt Vorschlag zur strafrechtlichen Sanktionierung von niedergelassenen Ärzten vor

Von: Transparency International / Pressemitteilung

Transparency Deutschland hat einen eigenen Vorschlag zur strafrechtlichen Sanktionierung von niedergelassenen Vertragsärzten und Leistungserbringern vorgelegt. Die bekannt gewordenen Überlegungen des Bundesgesundheitsministeriums werden als unzureichend abgelehnt. Die aktuelle Debatte geht auf die mit Urteil vom 29. März 2012 vom Bundesgerichtshof fest gestellte, fehlende Strafbarkeit von Korruption bei niedergelassenen Ärzten zurück. Der Regelungsvorschlag wurde zudem in die öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages zum Thema "Korruption im Gesundheitswesen" am 17. April 2013 eingebracht. Transparency Deutschland war durch Reiner Hüper, Leiter der Arbeitsgruppe Strafverfolgung, und Dr. Angela Spelsberg, Vorstandsmitglied, vertreten.

Hintergrund

Die Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland e.V. fordert seit langem wirksame Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung im Gesundheitswesen. Hiermit stellt Transparency unter Berücksichtigung des derzeitigen Standes der Diskus sion zur Strafbarkeit von Ärzten wegen Korruptionsraten eine n Vorschlag für eine Schließung der Gesetzeslücke zur Strafbarkeit der Korruption bei niedergelassenen Vertragsärzten und anderen im Gesundheitswesen tätigen Fachgruppen vorgestellt, der zugleich Sanktionsmöglichkeiten gegen alle Leistungserbringer im Gesundheitswesen und deren Korruptionspartnern ("Geber") z.B. aus der Pharmaindustrie eröffnet.

Transparency ist der Auffassung, dass der besondere n Verantwortung, die Vertragsärzte gegenüber ihren Patienten, aber auch gegenüber der Allgemeinheit als Sachwalter einer öffentlichen Aufgabe haben, wird in diesem Vorschlag Rechnung getragen. Transparency beabsichtigt keine Diskriminierung, sondern eine Stärkung der Ärzte und anderer Fachgruppen in ihrer zentralen Rolle im Gesundheits wesen. So wie Amtsträger nicht bestechlich sein dürfen, damit das Allgemeinwohl vor dem Missbrauch anvertrauter Macht geschützt wird, bedürfen auch die Ärzte und andere Leistungserbringer einer klaren Regelung zum Schutz ihrer Unabhängigkeit.

So könnten die im SGB V verankerten Korruptionstatbestände auch strafrechtlich geahndet werden wie zum Beispiel Zuwendungen, die im Zusammenhang mit Verordnungs- oder Therapieverhalten stehen, sog. "Kick-back Zahlungen", "Boni" für Steigerungen der medizinischen Leistungszahlen oder manipulierte Allokationen von teuren Behandlungsmethoden wie z.B. Organtransplantationen sowie das Anbieten oder Annehmen teurer Werbegeschenke. Letztlich sollten darüber hinaus alle Formen gekaufter ärztlich-wissenschaftlicher Tätigkeit wie zum Beispiel Fälschungen medizinwissenschaftlicher Ergebnisse und deren Veröffentlichungen oder gekaufte Scheinbeobachtungen und Zurückhaltung von Studienergebnissen im wirtschaftlichen Interesse des Auftraggebers erfasst werden.

Umsetzungsvorschlag

Die vom BGH (Beschluss vom 29. März 2012, Az. GSSt 2/11) angemahnte Gesetzeslücke im Gesundheitswesen ist einer Änderung im Fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) zu schließen, die es ermöglicht Vertragsärzte und andere Leistungserbringer im Gesundheitswesen nach dem Verpflichtungsgesetz zu verpflichten und sie damit Amtsträgern gleichzustellen. Eine entsprechende Regelung trägt der zwischen Straf- und Verwaltungsrecht bestehenden Akzessorietät Rechnung. Denn die wirksame Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen setzt eine verwaltungs- und berufsrechtliche Ausgestaltung der strafrechtlichen Regelung voraus. Die bestehende Rechtslage lässt hingegen eine förmliche Verpflichtung von Vertragsärzten und den anderen Leistungserbringern im Gesundheitswesen nicht zu, zumal diese Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigungen sind. Erforderlich ist daher eine Änderung bzw. Ergänzung des der entsprechenden Vorschriften des SGB V für Ärzte und alle Leistungserbringer im Gesundheitswesen. Der Beschluss des BGH steht einer derartigen Regelung nicht entgegen. Folgende Änderungen der Vorschriften im SGB V, die die Beziehungen zu den Leistungserbringern regeln, wären erforderlich:

  • § 95 SGB V (Arztberufen und Psychotherapeuten)
  • B §§ 124 und 125 SGB V; (Ergotherapeuten, Krankengymnasten, Logopäden etc.)
  • B §§ 126 bis 128 SGB V; betrifft (Anbieter von Hilfsmittel wie Rollstühle, Hörgeräte etc).
  • §§ 129 bis 131 SGB V (Apotheken und pharmazeutischen Unternehmern)
  • §§ 132 bis 134 SGB V ( Haushaltshilfen, HäuslicheKrankenpflege, Soziotherapie, ambulante Palliativversorgung, Krankentransporte und Hebammen)

Für diese Lösung sprechen folgende Vorteile:

  • Anwendbarkeit der Korruptionstatbestände nach §§ 331 ff StGB auf Vertragsärzte
  • Schließung der Gesetzeslücke durch Gleichstellung der Vertragsärzte als Treuhänder öffentlicher Gelder mit Ärzten, die in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehen
  • Eröffnet Sanktions- und Ermittlungsmöglichkeiten gegen Korruptionspartner („Geber“), z.B. Pharmaindustrie (§ 334 StGB), Gewinnabschöpfung und Verfall
  • Im Ermittlungsverfahren gesicherte Beweise sind Grundlage für Schadensersatzforderungen der Kassen und Rückgewinnungshilfe

Wenn die weiterhin bestehende Strafbarkeitslücke für privatärztlich Tätige geschlossen werden soll, könnte dies durch eine Erweiterung des § 299 StGB auf Freiberufler, nicht beschränkt auf Ärzte, erfolgen.

Autoren
Transparency International
Reiner Hüper, Leiter der Arbeitsgruppe Strafverfolgung
Dr. Angela Spelsberg, Mitglied des Vorstands
Berlin, 11.04.2013

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