Studie belegt: Jeder vierte Krebspatient benötigt psychische Behandlung
Jeder dritte Tumorpatient leidet an einer psychischen Begleiterkrankung und jeder vierte braucht eine psychische Behandlung. Insbesondere junge Krebspatienten, Frauen und Tumorkranke mit kleinen Kindern haben ein hohes Risiko, eine seelische Störung infolge ihrer Tumorerkran- kung zu entwickeln, fanden Wissenschaftler des Univer- sitätsklinikums Leipzig (UKL) heraus. Das Problem dabei ist, dass mehr als die Hälfte der behandlungsbedürftigen psychischen Begleiterkrankungen bei Krebspatienten im Versorgungsalltag nicht diagnostiziert werden. Mit einem speziellen Fragebogen hingegen – dem HADS-D – konnten die Forscher doppelt so viele Betroffene mit seelischen Störungen erkennen. Die Leipziger Sozialmediziner wollen die psychologische Betreuung von Krebspatienten als festen Bestandteil in die Tumortherapie integrieren (Psychoonko- logie), damit Ärzte und Pflegekräfte seelische Erkrankungen bei Krebskranken zukünftig früher erkennen und behandeln können.
Risiko unterschiedlich verteilt
Fast 700 Tumorpatienten untersuchte die Forschergruppe unter der Leitung von Prof. Reinhold Schwarz mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Am häufigsten litten die Krebspatienten unter Angststörungen, Depressionen, Belastungsstörungen oder Suchterkrankungen. Frauen entwickelten eher Angsterkrankungen oder Depressionen, Männer und Patienten in fortgeschrittenem Tumorstadium waren hingegen für Suchterkrankungen anfälliger. Die Wissenschaftler fanden eine Reihe von Risikofaktoren, welche die Entstehung dieser psychischen Erkrankungen begünstigen. So war das Risiko generell bei jungen und weiblichen Krebspatienten erhöht. Das gilt auch für Tumorkranke, die bereits ein psychosoziales Trauma – zum Beispiel den Verlust eines engen Verwandten – hinter sich haben oder körperlich stark beeinträchtigt sind. Besonders belastend ist eine Krebserkrankung auch für Eltern, die Kinder unter 18 Jahren zu versorgen haben. Ihr Risiko für eine Belastungs- oder Angststörung war fünffach erhöht. Therapiebedürftig waren insbesondere auch Patienten mit geringem Einkommen und Tumorkranke, die eine Chemotherapie bekamen oder sich gerade in einer diagnostischen Phase befanden.
Den Behandlungsbedarf frühzeitig erkennen
Die seelische Belastung von Tumorpatienten geht nicht von alleine zurück, sondern nimmt im Verlauf der Erkrankung tendenziell eher zu. Psychische Begleiterkrankungen beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen erheblich. Sie mindern die Therapiemotivation und wirken sich negativ auf den Behandlungsverlauf aus, sodass sich die Liegezeiten im Krankenhaus verlängern. Daher sollten psychische Störungen frühzeitig diagnostiziert und behandelt werden. Zu Beginn der Studie erkannten die behandelnden Ärzte nur
41 Prozent, die Pflegekräfte sogar nur 32 Prozent der Patienten, die professionelle Betreuung benötigten. Mit einem speziellen Fragebogen, dem Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS-D), wurden hingegen 86 Prozent
der Patienten identifiziert. Durch die Einrichtung eines Psychoonkologischen Dienstes und Mitarbeiterfortbildungen konnten Schwarz und sein Team die Zahl der psychoonkologisch betreuten Tumorpatienten im UKL bereits vervierfachen. 40 Prozent der betreuungsbedürftigen Patienten erhalten jetzt eine Behandlung. Allerdings ist der Bedarf damit längst noch nicht gedeckt.
Nächstes Ziel der Forscher ist, mindestens die Hälfte der Betroffenen zu behandeln. Dazu wollen die Wissenschaftler zukünftig alle Krebspatienten bereits zu Beginn der stationären Behandlung routinemäßig auf psychische Begleiterkrankungen untersuchen. Idealerweise in einem persönlichen Gespräch mit einem Mitarbeiter des Psychoonkologischen Dienstes, der dauerhaft an jeder Klinik angesiedelt werden sollte. Ist das nicht möglich, könnten Ärzte zum Beispiel die HADS-D einsetzen. Schwarz: "Um einen optimalen Verlauf der Tumorbehandlung sowohl unter medizinischen als auch ökonomischen Gesichtspunkten zu gewährleisten, müssen psychische Belastungen der Patienten systematisch erkannt und eine psychoonkologische Mitbehandlung in die Tumortherapie integriert werden."
Ansprechpartner
Prof. Dr. Reinhold Schwarz
Medizinische Fakultät der Universität Leipzig
Abteilung Sozialmedizin, Psychosoziale Beratungsstelle
für Tumorpatienten und Angehörige
Riemannstraße 32
04107 Leipzig
Tel.: 0341 97-15408
Fax: 0341 97-15419
E-Mail: reinhold.schwarz@medizin.uni-leipzig.de
- Weiterführende Links
- db.uni-leipzig.de/aktuell
- www.pso-ag.de/menue_forschung3.htm