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Dienstag, 08. März 2011

Rund 8,1 Mio. gesetzlich Krankenversicherte zahlen einen Zusatzbeitrag

Von: Deutscher Bundestag / Pressemitteilung

Zum 1. Januar 2011 erheben 14 der 156 gesetzlichen Krankenkassen einen Zusatzbeitrag. Davon betroffen seien rund 8,1 Millionen Versicherte, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (17/4761) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (17/4578). Sechs Krankenkassen gewähren den Angaben zufolge ihren insgesamt 400.000 Mitgliedern eine Prämie, die zwischen 2,50 und 6 Euro pro Monat und Mitglied liegt. Mit einem durchschnittlichen Zusatzbeitrag von mehr als null Euro und damit einem möglichen Anspruch einzelner Mitglieder auf einen Sozialausgleich sei frühestens im Jahr 2012 zu rechnen, schreibt die Regierung.

Weiter heißt es in der Antwort, die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) seien in den vergangenen fünf 5 um durchschnittlich 4% gestiegen, während sich die beitragspflichtigen Einnahmen um durchschnittlich 1,5% erhöhten. Die Regierung erwartet für die kommenden Jahre jedoch "eine eher moderatere Ausgabendynamik".

Lesen Sie nachfolgend die Antworten (17/4761) auf die Fragen (17/4578)

Vorbemerkung der Bundesregierung: Zum 1. Januar 2011 ist das Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz–GKV-FinG) in Kraft getreten. Mit diesem Reformvorhaben wird die Finanzierung einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung in Deutschland auf eine solide und zukunftssichere Basis gestellt.

Durch die Weiterentwicklung einkommensunabhängiger Zusatzbeiträge bei gleichzeitiger Festschreibung des allgemeinen Beitragssatzes führen Ausgabensteigerungen im Gesundheitswesen nicht mehr automatisch zu höheren Arbeitskosten. Gleichzeitig wird die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) weniger anfällig gegenüber konjunkturellen Schwankungen. Unvermeidbare Ausgabensteigerungen, die über die Einnahmeentwicklung hinausgehen, werden künftig über kassenindividuelle Zusatzbeiträge finanziert. Sie sind auch die Voraussetzung für einen funktionsfähigen Wettbewerb, indem ein klares und unverzerrtes Preissignal geschaffen wird. Wettbewerb ist für ein effizientes Gesundheitswesen unerlässlich.

Durch die Einführung eines krankenkassenübergreifenden und steuerfinanzierten Sozialausgleichs wird sichergestellt, dass die Mitglieder der GKV durch den Zusatzbeitrag nicht unverhältnismäßig belastet werden. Übersteigt der durchschnittliche Zusatzbeitrag der Krankenkassen zwei Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen eines Mitglieds, so greift der Sozialausgleich. Der Sozialausgleich orientiert sich dabei am im Voraus ermittelten durchschnittlichen Zusatzbeitrag und nicht etwa am jeweils tatsächlich erhobenen Zusatzbeitrag der gewählten Krankenkasse. Damit wird auch für diejenigen, die die Unterstützung der Gemeinschaft brauchen, ein Anreiz geschaffen, sich für eine preisgünstige Krankenkasse zu entscheiden.

Im Unterschied zur Rechtslage in den Jahren 2009 und 2010 brauchen Bezieher von Arbeitslosengeld II den Zusatzbeitrag seit Inkrafttreten des GKV-FinG am 1. Januar 2011 nicht mehr selbst tragen. Die jeweilige Krankenkasse kann allerdings in ihrer Satzung vorsehen, dass die mögliche Differenz zwischen dem kassenindividuellen und dem durchschnittlichen Zusatzbeitrag von den Arbeitslosengeld II-beziehenden Mitgliedern erhoben wird (§ 242 Absatz 4 Satz 2 SGB V). Diese Differenz ist in diesem Fall vom Mitglied selbst zu tragen (§ 252 Absatz 6 Satz 3 SGB V).

  1. Welche Krankenkassen erheben derzeit einen Zusatzbeitrag, wie hoch ist dieser Zusatzbeitrag jeweils, und wie viele Mitglieder sind von einem Zusatzbeitrag in welcher Höhe betroffen?

    Auf Basis der monatlichen GKV-Mitgliederstatistik erheben ab dem Stichtag 1. Januar 2011 14 von insgesamt 156 Krankenkassen mit rund 8,1 Mio. Mitgliedern einen Zusatzbeitrag, der in der Regel 8 Euro pro Monat und Mitglied beträgt und in Einzellfällen bei 10 bzw. 15 Euro liegt. Sechs Krankenkassen mit insgesamt rund 0,4 Mio. Mitgliedern gewähren ihren Mitgliedern eine Prämie, die pro Monat und Mitglied zwischen 2,50 Euro und 6 Euro beträgt. Konkrete Daten einzelner Krankenkassen werden von der Bundesregierung aus Wettbewerbsgründen nicht genannt.

  2. Wie groß wird die Deckungslücke zwischen Ausgaben der Kassen und Einnahmen/Zuweisungen des Gesundheitsfonds, die die Kassen nur über Zusatzbeiträge schließen können, in den nächsten 5 Jahren sein, wenn sich Einnahme- und Ausgabeentwicklung so fortsetzen, wie sie in den letzten 5 Jahren stattfanden? Welche Entwicklung erwartet die Bundesregierung nach internen Berechnungen?
  3. Welche durchschnittlichen Zusatzbeiträge ergeben sich aus der Antwort zu Frage 2?

    Die Fragen 2 und 3 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Ausgaben der GKV sind in den vergangenen 5 Jahren um durchschnittlich 4% pro Jahr angestiegen. Die beitragspflichtigen Einnahmen sind um durchschnittlich 1,5% angestiegen. Dabei sind allerdings zwischen den einzelnen Jahren jeweils erhebliche Schwankungen der Ausgaben- und Einnahmenentwicklung aufgetreten. Eine rechnerische Fortschreibung auf Basis solcher vergangenheitsbezogener Veränderungsraten und daraus abgeleitete Prognosen über Finanzergebnisse und durchschnittliche Zusatzbeiträge wären nicht nur rein hypothetisch, sondern hätten darüber hinaus keinen Erkenntniswert, da die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben in den letzten 5 Jahren durch Sondereffekte geprägt war. Hier sind ausgabenseitig insbesondere die im Jahr 2009 erfolgten Verbesserungen der Vergütungssituation niedergelassener Ärzte und der Finanzsituation der Krankenhäuser zu nennen, die zu hohen Zuwachsraten in den beiden größten Ausgabenbereichen geführt habe.

    Auf der Einnahmeseite haben demgegenüber vor allem die Auswirkungen der Wirtschafts und Finanzkrise zu Verzerrungen geführt. Zudem werden zum einen die ausgabenbegrenzenden Regelungen der letzten Reformgesetze und zum anderen die zu erwartenden Einsparbemühungen, mit denen in Folge der gesetzlichen Maßnahmen zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV zu rechnen ist, dazu führen, dass in den Folgejahren eine eher moderatere Ausgabendynamik zu erwarten ist.

    Im Bereich der GKV werden seitens der Bundesregierung keine mittelfristigen Finanzprognosen veröffentlicht. Vielmehr obliegt es dem GKV-Schätzerkreis, dem Experten des Bundesversicherungsamts, des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und des GKV-Spitzenverbandes angehören, Prognosen zur Einnahmen- und Ausgabenentwicklung der GKV im Herbst eines Jahres für das Folgejahr zur erstellen.

  4. Welche öffentlich publizierten Prognosen bzw. Hochrechnungen zu den Fragen 2 und 3 gibt es, und was ist deren Aussage?

    Der Bundesregierung sind keine Prognosen bekannt, die auf Basis einer hinreichend transparent dokumentierten Methodik den Versuch unternommen haben, die künftige Entwicklung eines Defizits in der GKV bzw. die künftige Entwicklung der Zusatzbeiträge zu schätzen. Modellrechnungen, die alleine auf einer ex ante unterstellten Differenz der prozentualen Entwicklung von Einnahmen und Ausgaben beruhen und solche Differenzen fortschreiben, erfüllen aus Sicht der Bundesregierung dabei nicht die Anforderungen, die an belastbare Prognosen zu stellen sind. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 2 und 3 verwiesen.

  5. Wird im Jahr 2011 irgendein Sozialausgleich erfolgen?

    Für den Sozialausgleich nach § 242b SGB V ist der durchschnittliche Zusatzbeitrag nach § 242a SGB V maßgeblich. Gemäß § 242a Absatz 2 SGB V hat das BMG im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen für das Jahr 2011 einen durchschnittlichen Zusatzbeitrag von null Euro festgelegt und am 3. Januar 2011 im Bundesanzeiger bekannt gegeben. Damit ist im Jahr 2011 kein Sozialausgleich erforderlich.

  6. Für welches Jahr rechnet die Bundesregierung erstmals mit einem Sozialausgleich?

    Mit einem durchschnittlichen Zusatzbeitrag von über null Euro und damit einem möglichen Anspruch einzelner Mitglieder auf einen Sozialausgleich ist frühestens im Jahr 2012 zu rechnen.

  7. Welche Höhe wird der Sozialausgleich in den nächsten fünf Jahren (bitte nach den einzelnen Jahren auflisten) haben?

    Eine Quantifizierung des Sozialausgleichs in den Folgejahren erfordert mittelfristige Einnahme- und Ausgabenprognosen der GKV – siehe hierzu die Ausführungen in der Antwort zu den Fragen 2 und 3.

  8. Wie hoch ist der durchschnittliche Zusatzbeitrag, den die Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen tatsächlich zu zahlen haben?

    Falls die Frage nicht mit einem Betrag in Euro beantwortet werden kann, ist dieser Zusatzbeitrag größer als 0,00 Euro? Der rechnerische Durchschnitt aus tatsächlich gezahlten Zusatzbeiträgen und ausgeschütteten Prämien aller GKV-Mitglieder für das Jahr 2011 hängt neben der Anzahlder Krankenkassen, die Zusatzbeiträge erheben bzw. Prämien ausschütten und der Höhe der jeweiligen Zusatzbeiträge und Prämien von der unterjährigen Mitgliederbewegung ab. Das unterjährigeWechselverhalten, welches durch die Höhe der Zusatzbeiträge und Prämienausschüttungen entscheidend beeinflusst wird, führt zu einem Absinken des Durchschnitts der tatsächlich gezahlten Zusatzbeiträge. Die jahresdurchschnittliche Ermittlung eines rechnerischen Betrages kann somit erst am Jahresende auf Basis der dann in den Rechnungsergebnissen ausgewiesenen Einnahmen aus Zusatzbeiträgen bzw. Ausgaben durch Prämienausschüttungen erfolgen.

  9. Wie hoch ist der durchschnittliche Zusatzbeitrag nach § 242a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), und wie hat sich dieser aus dem aktuellen Schätztableau des Schätzerkreises errechnet? Ist dies angesichts der Millionen Mitglieder, die einen Zusatzbeitrag entrichten, plausibel?

    Das BMG hat gemäß § 242a Absatz 2 SGB V im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen für das Jahr 2011 einen durchschnittlichen Zusatzbeitrag von null Euro festgelegt und bekannt gegeben (siehe auch Antwort zu Frage 5). Diese Festlegung erfolgte nach Auswertung der Ergebnisse aus der Sitzung des Schätzerkreises vom 30. September 2010. Die bei dieser Prognose anhand der voraussichtlich zur Verfügung stehenden jährlichen Einnahmen unter Berücksichtigung der erwarteten Ausgaben ermittelten Zuweisungen des Gesundheitsfonds an die Krankenkassen für das Jahr 2011 betragen 178,9 Mrd. Euro. Dieser Betrag reicht auch nach der aktuellen Prognose des Schätzerkreises vom 24. Januar 2011 aus, um die voraussichtlichen durchschnittlichen Ausgaben der Krankenkassen in Höhe von 178,7 Mrd. Euro durch die Zuweisungen zu decken. Die Ausgabendeckung bzw. Finanzsituation einzelner Krankenkassen und damit auch die jeweilige Höhe kassenindividueller Zusatzbeiträge kann von dieser Durchschnittsbetrachtung über die gesamte KV abweichen.

  10. Werden im Jahr 2011 Teile des Zusatzbeitrags von ALG-II-Beziehern gemäß § 242 Absatz 4 Satz 1 SGB V nicht erhoben werden?

    Gemäß § 242 Absatz 4 Satz 1 SGB V wird für Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II der kassenindividuelle Zusatzbeitrag, jedoch höchstens in der Höhe des durchschnittlichen Zusatzbeitrages nach § 242a SGB V erhoben.  Da der Wert des durchschnittlichen Zusatzbeitrags für 2011 null Euro beträgt (siehe Antworten zu den Fragen 5 und 9), wird für die betroffenen Mitglieder kein Zusatzbeitrag nach § 242 Absatz 4 Satz 1 SGB V erhoben.

  11. Angenommen der durchschnittliche Zusatzbeitrag nach § 242a SGB V wäre derzeit größer als 0,00 Euro, wären die zuständigen Stellen bereits verwaltungstechnisch ausgerüstet, um einen Sozialausgleich auszuzahlen und Teile der Beiträge von ALG-II-Beziehenden zu übernehmen, und wann werden diese Strukturen aufgebaut sein?

    Im Hinblick auf den für das Jahr 2011 festgelegten durchschnittlichen Zusatzbeitrag von null Euro ist im Jahr 2011 kein Sozialausgleich erforderlich (siehe auch die Antwort zu Frage 5). Dies entspricht der Einschätzung des Gesetzgebers mit dem GKV-FinG. Für den unerwarteten Fall, dass trotz der finanzstabilisierenden Maßnahmen der Bundesregierung ein Sozialausgleich im Jahre 2011 notwendig geworden wäre, sieht eine Übergangsregelung für das Jahr 2011 vor, dass ein ggf. erforderlicher Sozialausgleich bis zum 30. Juni 2012 ex post von den Krankenkassen durchzuführen wäre (vgl. § 242b Absatz 8 SGB V). Bis Anfang 2012 müssen die verwaltungsseitig erforderlichen Vorbereitungen zur Durchführung des Sozialausgleichs abgeschlossen sein. Dazu findet bereits ein Austausch der beteiligten Stellen statt.

  12. Wie viele und welche Krankenkassen haben zum heutigen Zeitpunkt Satzungsregelungen zur Nichtübernahme der Differenz von durchschnittlichem und tatsächlich erhobenem Zusatzbeitrag nach § 242 Absatz 4 Satz 2 SGB V getroffen, und was bedeutet das für die ALG-II-beziehenden Mitglieder?

    Auf die Antworten der Bundesregierung zu den schriftlichen Fragen mit den Arbeitsnummern 1/204, 1/374 sowie 1/375 des Herrn Abgeordneten Harald Weinberg wird verwiesen.
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