Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit (Foto: DBT)

Mittwoch, 21. Mai 2008

Rede von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt auf dem Deutschen Ärztetag in Ulm

Von: Bundesministerium für Gesundheit / Pressemitteilung

Sehr geehrter Professor Hoppe, sehr geehrte Frau Dr. Wahl, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Frau Kollegin Stolz, sehr geehrte Delegierte, meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für die Gelegenheit auf dem 111. Ärztetag zu Ihnen zu sprechen, und überbringe die besten Wünsche der Bundesregierung.

Sie haben sich eine programmatische Standortbestimmung der Ärzteschaft unter veränderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen vorgenommen. Ich begrüße eine klare Positionierung der Ärzteschaft zu aktuellen Fragen und zu Entwicklungen, die über den Tag hinausgehen. Aber es wird Sie nicht überraschen, dass ich nicht alle Teile der Analyse und manche Schlussfolgerungen teile.

Ich stimme aber absolut mit Ihnen überein, dass angesichts des medizinischen Fortschritts und einer Gesellschaft des längeren Lebens die Frage zu klären ist, welche Rahmenbe- dingungen und Strukturen notwendig sind, damit eine gute Gesundheitsversorgung bei begrenzten Ressourcen für die Zukunft gesichert werden kann.

Mich treibt die gleiche Frage um. Ich bin froh, dass wir uns darauf verständigen konnten, gemeinsam nach Antworten zu suchen. Wir haben deshalb mit Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung eine hochrangig besetzte Arbeitsgruppe gebildet. Ich halte das für einen richtigen Schritt, gemeinsam geht das besser, als gegeneinander.

Ich möchte nicht auf jede Einzelheit im Entwurf des Papiers eingehen, aber überraschend finde ich, wenn von mir eine Art staatlicher Rationierungskatalog gefordert wird, wo doch sonst gemeinhin vor der vermeintlichen "Staatsmedizin" gewarnt wird.

Nein, Kataloge, welcher Art auch immer, sind nicht die richtige Antwort. Alle Verantwortlichen in unserem Gesundheitssystem sind gefordert. Jeder an seiner Stelle. Politik, Kassen, Verbände und auch Sie, die Ärztinnen und Ärzte. Alle müssen diese Verantwortung wahrnehmen, damit mit den zur Verfügung stehenden Mitteln – die immer und überall auf der Welt begrenzt sind und sein werden – rational und rationell umgegangen wird. Mit Rationierung im Sinne von "Zuteilungsmedizin" – nach welchen Kriterien? - hat dies nichts zu tun.

Ich bleibe bei meiner Auffassung: Wo es um elementare Lebens- und Gesundheitschancen geht, darf es keine Verteilungskriterien wie Zahlungsfähigkeit oder Alters- grenzen geben. Dies gilt auch für den Zugang zu innovativen Therapien, zum Beispiel in der Onkologie. Dies sicherzu- stellen ist Aufgabe der politisch Verantwortlichen in den Parlamenten, in den Gremien der Gemeinsamen Selbstverwaltung oder auch von Vertragspartnern. Rahmenbedingungen müssen immer wieder so angepasst werden, dass Qualität und Effizienz des Gesundheitssystems stetig weiter entwickelt werden.

Es gibt dazu gute neue Entwicklungen, zum Beispiel den konsequenten Ausbau der Kosten-Nutzen-Bewertung oder den neuen Vertrag zur hausärztlichen Versorgung in Baden-Württemberg. Er verbindet eine bessere Versorgung der Patientinnen und Patienten mit einer höheren Vergütung der Ärzte – neu-deutsch eine Win-win-Situation. Ich weiß, dass nicht alle von Ihnen das so sehen, aber Sie sollten vorurteilsfrei die Chancen der neuen Wege prüfen.

Die Ärzteschaft hat nicht nur medizinische Verantwortung, sondern auch ökonomische. Die politisch Verantwortlichen müssen dafür die notwendigen Rahmenbedingungen festsetzen. Und das tun sie. Häufig mit sehr großen Veränderungen für die Versichertengemeinschaft. Denn es geht immer um die Frage, welche Leistungen können in die Verantwortung des Einzelnen übergeben werden, und was muss weiterhin solidarisch abgesichert bleiben. Ich erinnere an die Diskussionen zu Entscheidungen wie die Herausnahme vieler OTC-Arzneimittel oder der Sehhilfen aus dem Leistungskatalog, aber auch an die Veränderungen der Zuzahlungen.

Wir werden den Debatten um die Verteilung begrenzter Ressourcen nicht ausweichen können. Sie berühren neben den berufspolitischen Dimensionen Fragen der Medizin, der Volks- und Betriebswirtschaft sowie der Ethik und Moral.

Ist Gesundheit wirklich das höchste Gut, oder konkurriert es mit anderen Gütern wie Bildung oder Alterssicherung? Hängt Gesundheit – individuell und kollektiv – allein von den Leistungsausgaben für die (kurative) Versorgung ab? Gelten im Gesund-heitswesen gleiche Maßstäbe für Belastungs-, Leistungs- und Verteilungsgerechtigkeit wie in anderen Lebensbereichen auch?

Oder ist nicht doch Gesundheit, ihr Erhalt und ihre Wiederherstellung etwas besonderes, nämlich eine unabdingbare Voraussetzung für die Wahrnehmung von Freiheit und individueller wie gesellschaftlicher Partizipation? Ich bejahe das ausdrücklich.

Die Deutschen geben im internationalen Vergleich viel Geld für Gesundheit aus. Und auch in den letzten Jahren ist es immer mehr geworden. Allein über Beiträge der GKV sind in den letzten vier Jahren mehr als 13 Milliarden Euro zusätzlich in die Versorgung geflossen. Und damit das auch gleich klargestellt wird, die Verwaltungsausgaben der Kassen sind nicht gestiegen.
Kann und muss es mehr Geld werden? Oder muss das Geld anders verteilt werden? Für mich ist es beispielsweise nicht akzeptabel, dass in diesem Land mehr Geld für Arzneimittel als für die ambulante ärztliche Behandlung von Menschen ausgegeben wird.

Über diese und viele weitere Fragen müssen jetzt und in Zukunft die Bundesregierung, der Deutsche Bundestag, die gemeinsame Selbstverwaltung, Krankenkassen und nicht zuletzt die verfasste Ärzteschaft entscheiden.
Neue Gremien wie einen "nationalen Gesundheitsgipfel", oder einen "Gesundheitsrat" brauchen wir nicht. Ich halte nichts davon, Arbeit und Verantwortung zu verschieben. Allzu oft habe ich erlebt, dass in großen Gremien viel geredet, aber wenig bewirkt wird. Ich halte es an dieser Stelle lieber mit Willy Brandt, der einmal gesagt hat "kleine Schritte sind besser als große Worte."

Die zentralen Werte wie Humanität, Solidarität, Pluralität sind fest in unserem Gesundheitswesen verankert. Wenn zutreffen sollte, dass diese Werte in Gefahr geraten und Ziele verfehlt werden, müssen wir Korrekturen einleiten. Dazu gehört auch eine Debatte über die von Ihnen angesprochene Frage der Finanzierungsbasis unseres Gesundheitssystems.

Ich stimme mit Ihnen überein, dass die lohnbezogene Finanzierung bei den veränderten Erwerbsbiografien an ihre Grenzen stößt. Das macht auch der aktuelle Armuts- und Reichtumsbericht deutlich. Während der Anteil am Volkseinkommen aus Löhnen und Gehältern sinkt, steigt der Anteil aus Kapital- und Unternehmenseinkommen.

Deshalb brauchen wir die Einbeziehung aller Einkommensarten, damit die Finanzierung gerechter wird. Ein erster Schritt zu einer breiteren Fi-nanzierung wird mit der Entscheidung getan, schrittweise den Steuerzuschuss auf 14 Milliarden Euro zu erhöhen, auch wenn ich weiß, dass damit erst etwa die Hälfte der gesamtgesellschaftlichen Aufgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung korrekt finanziert wird.

Wir jedenfalls werden Ihre Reformvorschläge sehr sorgfältig prüfen. Ich bin zum Dialog bereit. Aber eines sage ich ganz deutlich: eine Abkehr von der solidarischen Finanzierung und eine Privatisierung von Krankheitsrisiken wird es mit mir nicht geben. Wir sollten gemeinsam dafür eintreten, dass alle Menschen weiterhin unabhängig von Herkunft und Einkommen Zugang zu allen notwendigen medizinischen Leistungen haben. Dafür werde ich immer streiten.

Der 111. Deutsche Ärztetag befasst sich nicht nur mit Grundsatzfragen, sondern stellt sich konkreten Problemen. Die Herausforderungen des demographischen Wandels zeigen sich besonders deutlich am Beispiel der bedarfsgerechten Versorgung von demenziell Erkrankten.

Mit der Reform der Pflegeversicherung haben wir die Leistungen für Demenzkranke ausgeweitet. Der Betreuungsbedarf kann jetzt besser organisiert werden. Viele erhalten erstmals Leistungen. Die ergänzende Betreuungsassistenz in Pflegeheimen ist für viele demenziell Erkrankte eine wichtige Verbesserung ihrer Lebensqualität.

Ich setze auch große Hoffnungen in die verbesserte Einbindung niedergelassener und angestellter Ärzte in die Versorgung von Heimbewohnern. Darüber hinaus wollen wir das Wissen und die Forschung über Demenzerkrankungen ausweiten. Dafür stellt der Bund jährlich 60 Mio. Euro zur Verfügung. Das Bundesministerium für Gesundheit fördert mit 13 Mio. Euro die Versorgungsforschung im Leuchtturmprojekt Demenz.

Auch wenn wir die meisten Demenzerkrankungen bis heute nicht ursächlich behandeln können, hält der Erkenntnisstand in der Medizin zahlreiche Möglichkeiten bereit, beispielsweise die Kommunikationsfähigkeit oder den Orientierungssinn von Demenzkranken zu verbessern. Je früher, desto wirksamer.

Ich bin deshalb sehr dafür, dass gerade Hausärztinnen und Hausärzte in der Diagnostik und im Umgang mit Demenz besonders geschult werden. Und ich bin neugierig auf die Ergebnisse eines Modellvorhabens im Rahmen des Leuchtturmprojekts Demenz, das sich mit diesen Fragen beschäftigt.

Für alle Vertragsärzte ist der 1. Januar 2009 von entscheidender Bedeutung. Dann soll die neue Honorarordnung für ambulante Leistungen in Kraft treten – weg von den floatenden Punktwerten hin zu festen Preisen einer Gebührenordnung in Euro und Cent. Ab 2009 wird damit endlich auch die unterschiedliche Vergütung zwischen Ost- und Westdeutschland beendet.

Die neue Gebührenordnung schafft die Voraussetzung, um den erhöhten Behandlungsbedarf angemessen zu vergüten. Insbesondere für die Behandlung älterer und de-menzkranker Menschen. Qualitätszuschläge und Zusatzpauschalen für chronisch Kranke sind möglich. Leistungen, die besonders gefördert werden sollen, können weiter als Einzelleistung abgebildet werden. Im geltenden Einheitlichen Bewertungsmaßstab ist beispielsweise der Besuch von Patienten im Pflegeheim als Einzelleistung abrechenbar.

In diesem Zusammenhang ist eine weitere Feststellung einfach erforderlich: Nur bei einem neuen gerechteren Verteilungsmechanismus über den Gesundheitsfonds und einen zielgenaueren Risikostrukturausgleich können die Honorare der niedergelassenen Ärzte entsprechend der Krankheitsentwicklung der Menschen verteilt und erhöht werden.

Eine (steigende) Morbidität kann bei der Bezahlung nur dann berücksichtigt werden, wenn auch die Beitragsmittel zielgenau bei den Kassen landen, die viele kranke und ältere Menschen versichern. Deshalb: der Gesundheitsfonds steht im Gesetz, und er kommt.

Die Reform wird mehr Geld für die ambulante Versorgung bringen und die Vergütung des einzelnen Arztes verlässlicher und gerechter machen. Ich sage dies bewusst, und ich weiß, dass ich mit dieser Aussage Verantwortung dafür übernehme, dass die bessere Honorierung bei den im Herbst anstehenden Finan-zierungsentscheidungen berücksichtigt wird. Ich weiß, dass dies auch in den Koalitionsfraktionen so diskutiert wird.

Ich appelliere daher an Sie, alles daran zu setzen, dass die Honorarreform mit ihren weiteren Umsetzungsschritten planmäßig abgeschlossen wird. Mit einem transparenten und kalkulierbaren Vergütungssystem bleibt der Arztberuf attraktiv. Nur dann werden wir auf Dauer auch genügend junge Menschen für diesen Beruf gewinnen können.

Ich hatte am 9. Mai die Gelegenheit, auf einer tollen Veranstaltung mit angehenden Medizinern, Pharmazeuten, Pflegern und Versicherungsangestellten über deren Zukunftsperspektiven zu diskutieren. Ich habe dabei die Erfahrung gemacht, dass gerade junge Medizinerinnen und Mediziner ihre berufliche Perspektive sehr realistisch einschätzen.
Für die allermeisten Studierenden spielen Fragen der Arbeitszeit und der Arbeitsorganisation – nicht nur bei dem zunehmenden Teil der Ärztinnen – eine besondere Rolle bei der Entscheidung, als Arzt oder Ärztin in die medizinische Versorgung zu gehen.

Vor allem in der Weiterbildung verlieren sich viele Ideale, die für die Studienwahl ausschlaggebend waren. Mich macht es sehr nachdenklich, wenn in der erwähnten Veranstaltung mit jungen Menschen eine Ärztin berichtet, dass sie als Frau und Mutter keine Weiterbildungsstätte zur Chirurgin fand, so dass sie in den Public Health Bereich "abwanderte". Und dies ist kein Einzelfall.

Wer sich - wie auch von Ihnen oft artikuliert - Sorgen über den ärztlichen Nachwuchs macht, der muss angesichts der Entwicklung der Studierenden-Zahlen die häufig brachliegende hervorragende berufliche Qualifikation von Frauen stärker in den Blick nehmen. Es wäre schön, wenn Arbeitgeber nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland zukünftig auf die Idee kommen, dem Nachwuchs viel stärker zu zeigen, dass er willkommen ist, dass er gebraucht wird, indem auch hier die Frage gestellt wird: Was können wir als Arbeitgeber für dich tun, damit du Familie und Beruf unter einen Hut bringen kannst?

Und wenn ich manche Entwicklung bei der Elternzeit sehe, wird dies auch für die Beschäftigung junger Männer immer wichtiger. Am häufigsten wird von allen das Bedürfnis nach einer fairen Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen auch der anderen Gesundheitsberufe artikuliert. Wie kann die Qualifikation jedes Einzelnen optimal in der Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe zum Wohle der Patienten eingesetzt werden?

Erst jüngst haben sechs deutsche Ärzte, die nach Finnland ausgewandert sind, im Wirtschaftsmagazin "brand eins" Klartext geredet. Ich zitiere: "Die Ruhe des Arbeitens und die geregelten Arbeitszeiten der Ärzte (in Finnland) sind möglich, weil Sekretärinnen, Schwestern und ein ausgetüfteltes elektronisches Patienten-Datensystem den Löwenanteil der täglichen Kleinarbeit abnehmen."

Wer oder was hindert uns in Deutschland eigentlich daran, diesen erfolgreichen Weg der sinnvollen und modernen Arbeitsteilung ebenfalls zu beschreiten? Die Medizinstudierenden haben doch Recht, wenn sie in ihrem aktuellen Positionspapier fordern, ich zitiere erneut: "Eine Umverteilung von Kompetenzen kann ärztliche Ressourcen freisetzen, die in vollem Umfang den Patienten zu Gute kommen sollen."

Ich bin ganz sicher: Die Attraktivität der Gesundheitsberufe entscheidet sich an der Frage, wie künftig die Zusammenarbeit untereinander gestaltet wird. Es wird neue Kooperationsformen geben, überkommene Hierarchien und Aufgabenteilungen müssen in Frage gestellt, und Kompetenzen delegiert werden. Für all' das müssen die notwendigen Qualifikationen geschaffen werden.

Die Gemeindeschwester AGnES und die Modellklauseln im Pflegeweiterentwicklungsgesetz sind erste wichtige Lösungsansätze. Weitere werden folgen.

Gerade die vorhin angesprochene Versorgung demenziell erkrankter und pflegebedürftiger Menschen ist ein klassischer Bereich, in den die Kompetenzen und Qualifikationen der Pflegekräfte mehr noch als bis-her in die Versorgung einbezogen werden müssen. Auf jeden Fall werden Vernetzung und Kooperation die Gesundheitsversorgung der Zukunft stark prägen. Es ist wichtig, dass sich der Ärztetag mit diesen Fragen beschäftigt.

Die zentrale Herausforderung in der Krankenhauspolitik betrifft die Gestaltung des ordnungspolitischen Rahmens für die Finanzierung der Krankenhäuser. Wie im ambulanten Bereich brauchen wir verlässliche finanzielle und organisatorische Rahmenbedingungen mit Handlungsfreiräumen für die Krankenhäuser. Die überkommene duale Finanzierung und das bettengenaue Bedarfsplanungssystem mit Kontrahierungszwang ersticken viele Eigeninitiativen.

Ich bin davon überzeugt, dass wir eine leistungsfähige pluralistische Krankenhauslandschaft, die eine wohnartnahe Versorgung garantiert, nur erhalten können, wenn wir schrittweise in eine monistische Krankenhausfinanzierung umsteigen und endlich Wettbewerb zulassen.
Ich halte es für sinnvoll, dass es für planbare und standardisierbare Leistungen die Möglichkeit zum Abschluss von Einzelverträgen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen geben sollte.

Ich werde in den nächsten Wochen einen Gesetzentwurf zur Gestaltung des ordnungspolitischen Rahmens der Krankenhausfinanzierung vorlegen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn dieser Entwurf die Unterstützung der Ärzteschaft finden würde.

Ich würde es im übrigen auch sehr begrüßen, wenn Ärzteschaft und Krankenhausgesellschaft gelegentlich die Länder deutlicher daran erinnern würden, ihren bestehenden Investitionsverpflichtungen auch tatsächlich nachzukommen. Es geht zu Lasten der medizinischen Versorgung von kranken Menschen, wenn mit den Fallpauschalen Investitionen statt Ärzte und Pflegekräfte finanziert werden müssen. Im übrigen finanziert auch Baden-Württemberg nur etwa die Hälfte dessen, was in den hiesigen Krankenhäusern notwendig wäre.

Der Bund ist bereit, seine Verantwortung zu übernehmen. Im Rahmen der Möglichkeiten wollen wir zu einer Linderung der aktuellen Finanzprobleme der Krankenhäuser beitragen:

  1. Es deutet sich an, dass schon der bisherige Mechanismus der Anbindung an die Grundlohn- entwicklung im nächsten Jahr zu einer gewissen Entspannung führen wird. Die lohnbezogenen Einnahmen der Kassen verbessern sich derzeit deutlich.
  2. Der Sparbeitrag der Krankenhäuser endet definitiv am 31. Dezember 2008.
  3. Der Vorwegabzug von 0,5% für die integrierte Versorgung endet ebenfalls am 31. Dezember 2008. Alle drei Bereiche zusammen summieren sich bereits auf mehr als eine Milliarde Euro.
  4. Es ist unbestritten, dass es kein Zurück zum alten Selbstkostendeckungsprinzip mit automatischer und voller Weitergabe von Lohnerhöhungen geben kann. Dies widerspricht dem Fallpauschalensystem. Ich stehe auch dazu, dass in Zukunft vertragliche Lösungen die heutige strikte Grundlohnanbindung ablösen. Ich weiß aber, dass das Zeit erfordert. Deshalb werde ich dem Gesetzgeber vorschlagen, dass bis zu einer vertraglichen Lösung ein Anteil der tarifvertraglich vereinbarten Lohn- und Gehaltsstei- gerung durch die Kassen finanziert wird. Auch, um deutlich zu machen, dass wir nach Jahren der Lohn- zurückhaltung die vereinbarten Tarifsteigerungen für gerecht halten. Ich weiß aus vielen Besuchen vor Ort, dass die Situation in vielen Häusern, vor allem beim Pflegepersonal sehr eng ist. Deswegen neige ich
  5. sehr dazu, ein Förderprogramm für die Neueinstellung von Pflegekräften in den Krankenhäusern aufzulegen. Ich könnte mir ein Programm vorstellen, das nach dem Muster des erfolgreichen Programms zur Förderung innovativer Arbeitszeitmodelle in Krankenhäusern gestaltet ist.

Wir werden jedenfalls sehr schnell unsere Vorschläge auf den Tisch legen, um der negativen Entwicklung im Bereich der Pflege entgegen zu wirken. Und wir werden auch Maßnahmen vorschlagen, die eine gerechte Finanzierung der Aus- und Weiterbildung sicherstellen. Ich bin überzeugt, dass sich mit diesen 5 Punkten die Situation in den Krankenhäusern deutlich verbessert.

Die zum Teil kontrovers geführte Diskussion innerhalb der deutschen Ärzteschaft über die "Gesundheitskarte" wird häufig durch falsche oder unvollständige Darstellungen genährt.

Der strenge Schutz der sensiblen Patientendaten ist gesetzlich verankert. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, der – ebenso wie die Landesdatenschutzbeauftragten – die Vorbereitungsarbeiten sehr eng begleitet, hat der elektronischen Gesundheitskarte in Sachen Datenschutz ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt. Die Kostenfrage ist geklärt. Kostenträger und KBV haben sich auf eine Finanzierung für die in Arztpraxen erforderlichen stationären und mobilen Kartenterminals geeinigt.

In den bisherigen Tests haben wir schon viele Erfahrungen und auch gute Vorschläge für die praktische Umsetzung von Ihren Kolleginnen und Kollegen erhalten.

Ich bedanke mich sehr für Ihr ärztliches Engagement und halte dies für einen wesentlichen Erfolgsfaktor. Ich ermuntere Sie ausdrücklich, Ihren Sachverstand auch weiterhin einzubringen. Nutzen sie für diese und kommende Generationen von Ärztinnen und Ärzten und Patientinnen und Patienten die Möglichkeit, die technologische Modernisierung unseres Gesundheitswesens aktiv mit zu gestalten. Gerade damit Bürokratie abgebaut und Sie als Ärzte wieder mehr Zeit für die Patienten zur Verfügung haben.

Der wohl berühmteste Bürger Ulms, Albert Einstein, hat sinngemäß gesagt: Ein Tag, an dem sich alle Anwesenden völlig einig sind, ist ein verlorener Tag. In gespannter Erwartung Ihrer Rede, Herr Professor Hoppe, bin ich mir schon jetzt ganz sicher: Dies wird sicher kein verlorener Ärztetag!

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