Institut für Gesundheits- und Sozialforschung legt "Arzneimittel-Atlas 2008" vor
Im Jahr 2007 haben die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) 28,0 Milliarden Euro für Fertigarzneimitteln und Impfstoffe ausgegeben. Das waren 1,6 Milliarden Euro oder 6,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Einen großen Teil davon machte mit 0,7 Milliarden Euro die erhöhte Mehrwertsteuer aus. Als wichtige Ausgabenbremse hat sich insbesondere die Sen- kung der Arzneimittelpreise erwiesen, die aufgrund des intensivierten Wettbewerbs zu Ausgabenminderungen von 205 Millionen Euro geführt haben.
Ein Treiber der Ausgabensteigerung liegt in der Zunahme der Menge der verordneten Arzneimittel: 2007 verschrieben die Ärzte rund 35 Milliarden Tagesdosen (DDD), 5,8 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Vor allem im Bereich der großen Volkskrankheiten wie etwa Herz-Kreislauferkrankungen wurde schlicht mehr verordnet. Dies sind Ergebnisse des Arzneimittel-Atlas 2008, der am 22. August in Berlin vorge- stellt wurde. Der IGES Arzneimittel-Atlas ist die jährliche Bestandsaufnahme und Analyse zum Arzneimittelverbrauch in der GKV. Erstellt wird er vom IGES Institut, mit finan- zieller Unterstützung des VFA. Der IGES Arzneimittel-Atlas gilt inzwischen als Standardwerk zum Thema Arzneimittel- verbrauch.
"Bei zahlreichen Krankheiten ist die Steigerung des Ver- brauchs zu begrüßen, da sich die Versorgung der Patienten dadurch verbessert. So hat sich die Sterblichkeit an Herz- Kreislaufkrankheiten in den vergangenen 40 Jahren mehr als halbiert. Die Versorgung mit Arzneimitteln hat dazu wesent- lich beigetragen", sagte Studienautor und IGES-Chef Prof. Dr. Bertram Häussler. So sei die Mortalität, also die Zahl der Todesfälle je 100.000 Einwohner, seit 1968 von 729 auf 300 zurückgegangen.
Arbeitslosigkeit und Übergewicht forcieren Medikamentenverbrauch
Der regionale Vergleich zeigt, dass die Verordnungen in den einzelnen Bundesländern stark differieren. So wurden 2007 zum Beispiel in Hamburg jedem Versicherten im Durch- schnitt 32 Tagesdosen Lipidsenker verschrieben, während es im benachbarten Mecklenburg-Vorpommern 52 waren. Die IGES- Wissenschaftler sehen die Ursache für die Ver- brauchsunterschiede beim Übergewicht und bei der Arbeits- losigkeit. Die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern sind deutlich häufiger arbeitslos (16,5 zu 9,0 Prozent) und deut- lich häufiger fettleibig (17 zu zehn Prozent) Arbeitslosigkeit begünstigt die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bei deren Behandlung unter anderem Lipidsenker zum Einsatz kommen.
Kassen geben unterschiedlich viel Geld für Versicherte aus
Auch die Unterschiede bei den Pro-Kopf-Ausgaben nach Kassenarten sind erheblich. Der IGES Arzneimittel-Atlas 2008 verzeichnet bei Medikamenten der Grundversorgung eine Ausgabendifferenz von bis zu 274,81 Euro je Kassenart. Die Knappschafts- und Bahn-Seekassen (KBS) gaben 453,38 Euro je Versicherten aus, während es bei den Innungs- kassen (IKK) 178,57 Euro waren. Diese Unterschiede sind allein auf den Verbrauch an Medikamenten zurückzuführen. So erhält ein IKK-Versicherter rund 330 Tagesdosen im Jahr, der KBS-Versicherte kommt dagegen auf 875 Tagesdosen.
Der Medikamentenverbrauch hängt in erster Linie vom Alter der Patienten ab. Bei den AOKen und KBS-Kassen sind überproportional ältere Menschen versichert. Sie haben ein höheres Risiko krank zu werden. Darüber hinaus ist auch davon auszugehen, dass die Morbidität, die Krankheitshäu- figkeit, dort höher ist. Die IGES Forscher fanden zudem Hinweise auf unterschiedliche Ausgaben der Kassen bei vier ausgewählten Indikationsgruppen. Sie betrachteten die Ausgaben für Insulin, Antidepressiva, ACE-Hemmer und Neuroleptika. Untersucht wurden die Verordnungen für patentgeschützte und nicht patentgeschützte Präparate.
Im Vergleich zu den Ersatzkassen gaben die AOKen weniger pro Tagesdosis aus. Beim Insulin zum Beispiel verordneten die Ärzte ihren AOK-Patienten bevorzugt Humaninsuline, die durchschnittlich mit 1,45 Euro je Tagesdosis zu Buche schlugen. Die modernen patentgeschützten Analoginsuline kamen auf 1,80 Euro je Tagesdosis. Bei den AOKen machte der Anteil der Verordnungen von Humaninsulin 71 Prozent aus, bei den Ersatzkassen waren es knapp 60 Prozent. Die Verordnungen mit modernen Analoginsulinpräparaten lag bei den Ersatzkassen immerhin bei 40 Prozent, jedoch bei nur 29 Prozent bei den AOKen. Ähnliche Ergebnisse sind in der Tendenz auch bei ACE-Hemmern, Neuroleptika und in geringerem Masse auch bei Antidepressiva zu erkennen. "Offensichtlich steuern die AOKen die Versorgung ihrer Patienten anders als die Ersatzkassen", sagte IGES-Chef Häussler.
Die ausführlichen Ergebnisse sind nachzulesen im: IGES Arzneimittel-Atlas 2008, ISBN 978-3-89935-249-8, im Buchhandel erhältlich zum Preis von Euro 34,95
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