Foto: DAK / Schläger

Montag, 08. September 2008

Herstellerverband legt Rechtsgutachten gegen Ziel- preisvereinbarungen vor

Von: Bundesverband der Arzneimittelhersteller / Presse- mitteilung

In den vergangenen Monaten ist eine Diskussion über Ziel- preisvereinbarungen, die die Abgabe preisgünstiger Arznei- mittel in der Apotheke auf Grundlage eines Vertrags zwi- schen Apothekerverbänden und Krankenkassen regeln sol- len, seitens der Apothekerschaft initiiert worden. Während die Apothekerschaft die Umsetzung derartiger Preisverein- barungen als taugliches Instrument zur Kostendämpfung propagiert, setzten die Krankenkassen weiterhin auf den Abschluss von Arzneimittelrabattverträgen zur Kostensteu- erung. Für Arzneimittel-Hersteller bedeuten Zielpreisverein- barungen zwangsläufig weitere Preissenkungen.

Sind solche Zielpreisvereinbarungen, aber auch beispiels- weise Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung wie etwa in Baden-Württemberg, überhaupt unter rechtlichen Aspek- ten als unproblematisch zu bewerten? Die Frage ist insbe- sondere deswegen zu stellen, weil hier rechtliches Neuland beschritten wird. Der Bundesverband der Arzneimittelher- steller hat durch ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutach- ten zu Zielpreisvereinbarungen die rechtliche Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen untersuchen lassen.

Lesen Sie dazu das Statement des BAH-Vorsitzenden Hans-Georg Hoffmann von der Pressekonferenz am 18. August in Berlin:

"Zunächst möchte ich Ihnen den Bundesverband der Arznei- mittel-Hersteller kurz vorstellen: Der BAH vertritt die Interessen von derzeit rund 450 Mitgliedunternehmen und ist somit der mitgliederstärkste Arzneimittelverband in Deutschland. Im BAH sind sowohl große Generika- als auch Originalhersteller sowie mittelständische und kleinere Arzneimittel-Hersteller organisiert. Diese Mitgliederstruktur entspricht somit auch den strukturellen Gegebenheiten des deutschen Arzneimittelmarktes. Zudem bündelt der BAH die Interessen der außerordentlichen Mitglieder wie Dienstleister, Rechtsanwälte, Verlage und Agenturen im Gesundheitsbereich.

Kommen wir nun zum Anlass der heutigen Pressekonferenz: dem Gutachten der Kanzlei Bird & Bird zu den beihilferechtlichen Aspekten von Zielpreisvereinbarungen, das Dr. Byok und Dr. Witting soeben freundlicherweise vorgestellt haben. Viele von Ihnen haben wahrscheinlich die Diskussionen der letzten Monate um die Einführung und Umsetzung von Zielpreisvereinbarungen mitverfolgt. Trotzdem möchte ich Ihnen noch einmal die Gründe darstellen, die den BAH veranlasst haben, dieses Gutachten in Auftrag zu geben. Die Apothekerschaft hat sich in den letzten Monaten vor dem Hintergrund des Scheiterns der 2. AOK-Ausschreibung für die Umsetzung eines von ihr entwickelten Zielpreismodells stark gemacht. Vertragsbeteiligte sind bei Zielpreisvereinbarungen immer die Krankenkassen und Apotheker; die Arzneimittel-Hersteller stehen jedoch außen vor. Die erste Zwischenbilanz lautet, dass die Krankenkassen bislang dem „Werben“ der Apotheker noch nicht nachgegeben haben. Rabattverträge scheinen derzeit auf Kassenseite das attraktivere Instrument zur Kostendämpfung zu sein. Dennoch zeigt die Diskussion der letzen Monate deutlich die Brisanz des Themas auf.

Der BAH hat sich bereits frühzeitig in die Debatte um die Zielpreisvereinbarungen eingeschaltet. Bereits zu Beginn der Diskussion hatte der BAH argumentiert, dass Zielpreisvereinbarungen den sogenannten "Kellertreppeneffekt" der Festbetragsregelung um ein Vielfaches verstärken und die Arzneimittelpreise ins Bodenlose absinken lassen. Zudem liegt der Zielpreisvereinbarung die Tatsache zugrunde, dass alleine der Apotheker entscheidet, welches Arzneimittel - auch bei gleichen oder niedrigeren Preisen - abgegeben wird. Einflussmöglichkeiten des Herstellers auf diese Auswahlentscheidung bestehen nicht. Allein diese rein auf den Markt bezogenen Überlegungen lassen Zielpreisvereinbarungen aus Sicht des BAH als höchst bedenklich erscheinen. Die Gründe für das Einbeziehen von Teilaspekten des Hausarztvertrags Baden-Württemberg, sprich das mit der Honorarpauschale verknüpfte Verordnungssystem, haben Dr. Byok und Dr. Witting zuvor dargelegt. Über die reine Analyse der Marktauswirkung dieser neuen einzelvertraglichen Möglichkeiten der Krankenkassen hinaus, sah sich der BAH gegenüber seinen Mitgliedsunternehmen verpflichtet, insbesondere die Rahmenbedingungen derartiger Verträge auf ihre Rechtsicherheit hin überprüfen zu lassen.

Grundsätzlich sei festgestellt, dass sich der BAH mit dem Gutachtens nicht gegen bestimmte Akteure, in diesem Fall Apothekerschaft, Hausärzte oder Krankenkassen, richtet. Es geht uns vielmehr darum zu klären, ob der beschrittene Weg rechtlich einwandfrei ist. Nur so kann ein rechtssicherer Raum geschaffen bzw. ausgefüllt werden, in dem sich die unterschiedlichen Akteure, aber auch die Mitglieder des BAH, bewegen können. Dies zu gewährleisten ist Aufgabe des Verbands.

Dieses Gutachten betrachtet rechtliches Neuland: Eine Bewertung von Zielpreisvereinbarungen oder anderen einzelvertraglichen Vereinbarungen der Krankenkassen unter beihilferechtlichen Aspekten wurde bislang noch nicht vorgenommen. Dies resultiert jedoch in erster Linie aus der Tatsache, dass selektivvertraglicher Wettbewerb, und somit auch Zielpreisvereinbarungen, ebenfalls neue Handlungsoptionen gesetzlicher Krankenkassen sind und diese im Ergebnis auch entsprechenden rechtlichen Ansprüchen genügen müssen.

Da nunmehr die Ergebnisse des Gutachtens vorliegen, ist es zunächst wichtig zu erkennen, dass ein Gutachten per se nicht bestehende Gesetze ändert. Es kann lediglich rechtliche Schwachpunkte bestehender und geplanter rechtlicher Konstrukte bzw. ihrer Umsetzung aufzeigen und neue Argumente für oder wider eine Sache ins Spiel bringen. Dieser Tatsache ist sich der BAH bewusst. Deshalb sehen wir dieses Gutachten als eine Grundlage für eine erneute oder erweiterte Diskussion mit den beteiligten Akteuren. Die Adressaten dieses Gutachtens sind zunächst natürlich die Akteure, nämlich die Apotheker- und Ärzteverbände sowie die Krankenkassen. Darüber hinaus soll das Gutachten auch das in diesen Fragen federführende Bundesministerium für Gesundheit sowie das beteiligte Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie auf die beihilferechtliche Problematik bei Einzelverträgen der Krankenkassen hinweisen. In erster Linie steht dabei im Vordergrund, dass die Adressaten des Gutachtens hinsichtlich einer möglichen Unsicherheit des rechtlichen Rahmens derartiger Verträge sensibilisiert werden.

In Anbetracht der Tatsache, dass derzeit keine einzige Zielpreisvereinbarung realisiert werden konnte, kommt es aktuell für den BAH bzw. für im BAH organisierte Firmen nicht in Frage, die rechtlichen Maßnahmen, die das Gutachten benennt, voll auszuschöpfen. Zunächst sollte die Diskussion über die rechtliche Bewertung mit den Beteiligten fortgeführt werden. Sollte sich jedoch abzeichnen, dass Zielpreisvereinbarungen trotz des unsicheren Rechtsrahmens in die Realität umgesetzt werden, behalten sich der BAH bzw. die BAH-Firmen in einem zweiten Schritt vor, die rechtlichen Mittel zu nutzen und gegen die Zielpreisvereinbarungen bzw. gegen die im Gutachten untersuchten Aspekte des Hausärztevertrags vorzugehen. Konkret würde dies bedeuten, dass BAH-Mitgliedsunternehmen vor nationalen Gerichten klagen könnten, während der BAH als Verband eine Beschwerde vor der Europäischen Kommission mit dem Ziel der Einleitung eines beihilferechtlichen Prüfverfahrens einbringen könnte. An dieser Stelle sei jedoch noch einmal darauf hingewiesen, dass das Gutachten nicht als eine Drohung verstanden werden will, sondern vielmehr als ein Angebot zum Dialog aufzufassen ist. Der BAH ist überzeugt, mit dem Gutachten die Diskussion um neue Aspekte bereichert zu haben, und hofft auf einen angeregten Austausch der neuen Argumente mit den an Zielpreisvereinbarungen bzw. Hausarztverträgen Beteiligten."


Berlin, 18.August 2008, es gilt das gesprochene Wort

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