Gutachten zur Gesundheitsversorgung für Finanz- ministerium bekräftigt die Regierungspolitik
Die Bundesregierung ist in der Gesundheitspolitik auf dem richtigen Weg. Die Stärkung wettbewerblicher Elemente führt zur besseren Versorgung der Patientinnen und Patienten und mittelfristig zu mehr Effizienz. Dies bestätigt ein Gutachten führender Gesundheitsökonomen.
Das Bundesministerium der Finanzen hat in enger Abstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit nach öffentlicher Ausschreibung die Professoren Bert Rürup und Eberhard Wille sowie das IGES Institut und das DIW Berlin beauftragt, den Stand der Gesundheitsreform zu bewerten und Vorschläge für weiterführende Reformen zu unterbreiten, mit Schwerpunkt auf Effizienz und Qualität der Leistungserbringung des öffentlichen Gesundheitssystems. Das jetzt vorliegende Gutachten berücksichtigt auch die Rückwirkungen auf die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.
Die Gutachter bestätigen den eingeschlagenen Kurs der Bundesregierung zur Stärkung der wettbewerblichen Elemente im Gesundheitswesen; sie würdigen insbesondere
- die Einführung und Fortentwicklung des Systems der Fallpauschalen (DRG-System) im stationären Sektor;
- die deutlich verbesserten Möglichkeiten zur selektiven Vertragsgestaltung im ambulanten Sektor, in der Arzneimittelversorgung und in der sektorübergreifenden Versorgung;
- die besseren Anreize für die Kassen zur Versorgung von Versicherten mit erhöhtem Bedarf durch den Gesundheitsfonds und den morbidiätsorientierten Risikostrukturausgleich.
Die Gutachter erwarten in den nächsten Jahren Effizienz- und Qualitätsverbesserungen durch die besseren Möglichkeiten für Selektivverträge und für Kassenwettbewerb. Sie ermutigen die Politik, den eingeschlagenen Weg konsequent fortzusetzen und zugleich die Voraussetzungen für einen fairen Vertragswettbewerb sicher zu stellen. Im ambulanten Sektor müsse der Wettbewerb zeigen, welche der bestehenden Versorgungsformen zukunftsfähig sei. Vergütungssysteme sollten verstärkt Anreize für Qualitäts- und Effizienzverbesserungen geben.
Den größten Reformbedarf sehen die Gutachter im stationären Sektor, auf den etwa 40 % der öffentlichen Gesundheitsausgaben entfallen. Ein Nebeneinander von Überkapazitäten, Investitionsstau und mangelnder Spezialisierung behindere vielfach die bestmögliche Versorgung der Patientinnen und Patienten. Die Gutachter plädieren für die Einführung einer monistischen Krankenhausfinanzierung, bei der die Krankenhausinves- titionen über Investitionszuschläge auf die Fallpauschalen finanziert werden sollen, bei entsprechender Ausgleichsfinanzierung durch die Länder. Zudem schlagen die Gutachter vor, die Vergütungen der Krankenhäuser in bestimmten Bandbreiten frei zwischen den Kassen und den Betreibern verhandeln zu lassen, damit Krankenhäuser bessere Anreize zur Optimierung der Versorgung erhalten. Die Bundesländer sollten sich auf die Rahmenplanung im Krankenhaussektor und die Sicherstellung einer flächendeckenden Grundversorgung beschränken.
Die Gutachter betonen, dass Ausgabensteigerungen im Gesundheitssystem aus fachlicher Sicht dann sinnvoll sind, wenn sie mit Qualitätsverbesserungen einhergehen oder einem steigenden Bedarf an Gesundheitsleistungen Rechnung tragen. Wenngleich die Transparenz im deutschen Gesundheitswesen bereits deutlich verbessert worden ist, sehen die Gutachter noch erhebliche Wissenslücken und Forschungsbedarf hinsichtlich der Effizienz und der Effektivität der Leistungserbringung. Erforderlich sei ein Ausbau von empirisch belastbaren Evaluationen durch unabhängige Experten und Institutionen.
Die Gutachter kommen zu dem Schluss, dass die einseitig lohnbasierte Finanzierung der GKV eine Tendenz zur strukturellen Unterfinanzierung berge, mit entsprechenden Risiken für den Bundeshaushalt. Die Gutachter bewerten eine Finanzierung versicherungsfremder Leistungen durch Bundeszuschüsse dagegen als ordnungspolitisch grundsätzlich richtig.
Das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium für Gesundheit begrüßen das Gutachten als wichtige Anregung für die Gestaltung der Gesundheitspolitik in der kommenden Legislaturperiode und zur Sicherstellung langfristig tragfähiger öffentlicher Finanzen.
Lesen Sie dazu auch die Pressemitteilung des IGES-Institut zum Thema "Effizientere und leistungsfähigere Gesundheitsversorgung als Beitrag für eine tragfähige Finanzpolitik in Deutschland" im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen
Gesundheitsreformen im Sinne der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sollten denjenigen Anteil an den Ausgabensteigerungen beseitigen, der seine Ursachen in effizienzmindernden Organisations- und Anreizstrukturen hat. Ein effektiver Weg, diesen ineffizienten Anteil der Ausgaben- entwicklung zu adressieren, ist ein funktionsfähiger Wettbewerb zwischen den Leistungsanbietern einerseits und den Krankenkassen andererseits.
Im internationalen Vergleich nimmt das deutsche Gesund- heitssystem bei den Ausgaben je Einwohner zwar keine Spitzenposition ein. Die Dringlichkeit, vorhandene Effizienz- potentiale zu erschließen, wächst aber mit steigenden Ansprüchen der Bevölkerung an die Gesundheits- versorgung und zunehmenden Verteilungskonflikten, die angesichts begrenzter Ressourcen drohen.
Vor diesem Hintergrund und auf der Grundlage eingehender Analysen kommt der vorliegende Bericht zu folgenden Empfehlungen:
- Mehr Preiswettbewerb im Krankenhaus: Gut organisierte Krankenhäuser sollten die Möglichkeit haben, ihre überdurchschnittliche Wirtschaftlichkeit in Form von Preissenkungen transparent zu machen, um damit Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Krankenhäuser sollten auf die einheitlichen Fallpauschalen sowohl Abschläge einräumen als auch Aufschläge fordern können. Aus Gründen der Markttransparenz sollten dagegen keine Abweichungen von den einheitlichen Leistungsdefinitionen zulässig sein, die das gegenwärtige Vergütungssystem vorgibt.
- Leistungsorientierte Investitionsfinanzierung der Krankenhäuser: Die Kliniken sollten zukünftig sowohl ihre Betriebsausgaben als auch ihre Investitions- aufwendungen allein aus der Vergütung finanzieren, die ihnen von den Krankenversicherungen für erbrachte Behandlungsleistungen gezahlt werden. Sämtliche Finanzmittel sollten gleichermaßen leistungsorientiert auf die Krankenhäuser verteilt werden, und zwar durch Investitionszuschläge auf die diagnosebezogenen Fallpauschalen.
- Stärkung des Vertragswettbewerbs in der Gesundheitsversorgung: Unterschiedliche Gruppen von Leistungsanbietern sollten die gleichen Möglichkeiten zum Vertragsabschluss mit Krankenkassen haben. Für Krankenkassen darf es keinen Zwang zum Angebot spezieller Vertragsformen geben. Konzentrationsprozesse bei Leistungs- anbietern und Krankenkassen, die mit einer Ausweitung der selektivvertraglichen Versorgung einhergehen, sollten nicht behindert werden. Die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung sollte derzeit nicht vollumfänglich auf die Krankenkassen übergehen, weil kleinere und mittlere Krankenkassen mit einer solchen Verpflichtung an ihre organisatorischen Grenzen stießen. Die Sicherstellung bleibt letztlich eine staatliche Aufgabe.
- Erweiterter Vertragswettbewerb in der Arzneimittelversorgung: Der Vertragswettbewerb auf dem Arzneimittelmarkt sollte auf eine breitere Basis gestellt werden, die über eine Absenkung von Generikapreisen unter Festbetragsniveau hinausgeht. Die Ausgabenrisiken durch hoch- innovative Spezialpräparate können – wegen deren therapiebezogener Alleinstellungsmerkmale – damit jedoch kaum begrenzt werden.
- Schaffung sektorübergreifender Versorgungsstrukturen: Als eine wesentliche Voraussetzung sollten zur Erhöhung der Leistungs- transparenz sektorübergreifende Qualitätsindikatoren und Qualitätsstandards implementiert werden. Die Genehmigung neuer Behandlungsmethoden und perspektivisch auch die Leistungsdefinitionen sind sektorübergreifend zu vereinheitlichen. In Selektiv- verträgen zur integrierten Versorgung sind sektor- übergreifende Formen der Leistungsvergütung einzusetzen. Auf Grundlage der Erfahrungen hiermit ist eine Annäherung und letztlich Vereinheitlichung der sektorspezifischen Vergütungssysteme anzustreben.
- Konsequente Anwendung des Wettbewerbsrechts: Das Kartellverbot gemäß dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen sollte sowohl auf der Versicherungsseite als auch bei allen direkten Leis-tungsanbietern im Bereich der Selektivverträge Anwendung finden. Ebenso sollte die Missbrauchs- aufsicht konsequent gelten. Die Anwendung des Vergaberechts – obgleich durch die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes vorgegeben – ist perspektivisch zu hinterfragen.
- Begrenzung der Risiken für den öffentlichen Haushalt: Der eingeschlagene Weg einer stärkeren Steuerfinanzierung darf nicht dazu führen, dass sich der Bundeszuschuss zum fiskalischen Lückenfüller des GKV-Systems entwickelt. Daher – und um das die GKV prägende Prinzip der Beitragsfinanzierung nicht auszuhöhlen – sollte Steuerzuschüsse mit klar definierten Zweckbindungen versehen werden. Die Teilung von Finanzierungslasten zwischen Bund und Ländern sollte neu gestaltet werden. Die bislang für Krankenhausinvestitionen verwandten Steuermittel der Länder sind in ein explizit monistisches Finanzierungssystem zu überführen. Alternativ können die Bundesländer an der Finanzierung des Steuerzuschusses an die GKV beteiligt werden.
- Weiterführende Links
- www.iges.de
- www.bundesfinanzministerium.de