
Prof. Dr. Jürgen Wasem gehört zu den Gesundheitsökonomen des Reformprogramms (Foto: Uni Duisburg-Essen)
Gesundheitsökonomen stellen Reformprogramm für mehr Transparenz und Wettbewerb im Gesundheitswesen vor
Auf das deutsche Gesundheitswesen kommen große Herausforderungen zu.  Mehr Effizienz, Transparenz und Wettbewerb sind nötig, um drohende  Finanzierungs-engpässe zu vermeiden. Gesundheitsökonomen des RWI, der  Universität Duisburg-Essen und der ADMED GmbH haben gemeinsam ein  umfassendes gesundheits-politisches Reformprogramm erarbeitet, das  sowohl die von der Finanzierung bestimmte Nachfrage als auch das durch  die einzelnen Leistungserbringer geprägte Angebot einbezieht und sich am  Ziel der ökonomischen Effizienz unter Berücksichtigung der sozialen  Gerechtigkeit orientiert.
Das Gesundheitswesen ist eine der  bedeutendsten Branchen der deutschen Wirtschaft. Die demografische  Entwicklung, der medizinisch-technische Fortschritt und ein gestiegener  Wohlstand haben dazu geführt, dass die Ausgaben für Gesundheit in den  vergangenen Jahrzehnten überproportional gestiegen sind. Es spricht  vieles dafür, dass sich dies fortsetzt und die Gesundheitswirtschaft zu  einem wichtigen Wachstumsmotor der deutschen Volkswirtschaft werden  könnte. Dafür müsste es der Politik jedoch gelingen, einerseits die  absehbaren Engpässe der Finanzierung durch Reformen der Kranken- und  Pflegeversicherung zu verhindern und andererseits die Effizienz der  Leistungserbringung durch mehr Transparenz und den Ausbau von  Wettbewerbselementen zu steigern. Andernfalls würden wachsende Defizite  auf der Finanzierungsseite und ineffizienter Ressourceneinsatz bei den  Leistungserbringern ein produktives Wachstum des Gesundheitswesens und  die damit verbundenen Wohlfahrtsgewinne eher früher als später beenden.
Die  Gesundheitsökonomen Dr. Boris Augurzky (RWI), Prof. Dr. Stefan Felder  (Universität Duisburg-Essen), Dr. Sebastian Krolop (ADMED GmbH,  Healthcare-Unternehmensberatung), Prof. Dr. Christoph M. Schmidt (RWI)  und Prof. Dr. Jürgen Wasem (Universität Duisburg-Essen) schlagen ein  umfassendes gesundheitspolitisches Reformprogramm vor, das sich am der  ökonomischen Effizienz orientiert und gleichzeitig die soziale  Gerechtigkeit berücksichtigt. Es nimmt dabei beide Seiten des Marktes in  den Blick – sowohl die von der Finanzierung bestimmte Nachfrage als  auch das durch die einzelnen Leistungserbringer geprägte Angebot.
Krankenversicherungssystem vereinheitlichen und stärker regionalisieren
Auf  Seiten der Finanzierung, zu denen gesetzliche und private  Krankenversicherungen sowie die Soziale Pflegeversicherung gehören,  plädieren die Experten langfristig für ein vereinheitlichtes System. An  die Stelle von derzeit nebeneinander existierenden gesetzlichen und  privaten Krankenkassen sollte eine solidarisch finanzierte  Grundsicherung mit einem klar definierten Leistungskatalog treten.  Darüber hinaus gehende Leistungen sollten über private  Zusatzversicherungen abgedeckt werden. In der Grundsicherung sind  Zusatzprämien zur Finanzierung des Wachstums der Gesundheitsausgaben –  wie durch die aktuelle Gesundheitsreform vorgeschlagen – ein richtiger  Schritt. Der dafür notwendige Sozialausgleich sollte allerdings  mittelfristig über das Steuersystem erfolgen. Dies wäre gerechter, weil  so neben dem Lohneinkommen auch andere Einkommensarten berücksichtigt  würden. Schließlich wäre schon kurzfristig eine Regionalisierung der  Zusatzprämien möglich, so dass Bedürfnisse der regionalen Bevölkerung  besser abgebildet werden könnten.
Das Reformprogramm enthält  darüber hinaus weitere zahlreiche konkrete Vorschläge für kurz-, mittel-  und langfristige Maßnahmen, die entsprechend noch in dieser und in der  nächsten Legislaturperiode begonnen beziehungsweise umgesetzt werden  sollten. Dazu gehört beispielsweise kurzfristig die Einführung von  Bonus-/Malus-Regelungen oder Konsumsteuern, die die Eigenverantwortung  der Versicherten stärken. Mittelfristig wird für Versicherte der  zusätzliche Abschluss einer privaten, staatlich geförderten  Pflegeversicherung vorgeschlagen, mit der diese sich gegen den zu  erwartenden steigenden Eigenanteil an den Pflegekosten absichern können.
Wettbewerb zwischen ambulanter und stationärer Versorgung zulassen
Auf  Seiten der Leistungserbringer, zu denen die Bereiche stationäre und  ambulante Akutversorgung und Pflege sowie Rehabilitation, Vorsorge,  Arzneimittel und Apotheken gehören, möchten die Experten insbesondere  durch mehr Transparenz den Wettbewerb stärken, Kosten-Nutzen-Bewertungen  verankern sowie Sektorengrenzen überwinden.
Auch hierfür werden  zahlreiche kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen angeregt. So  plädieren die Gesundheitsökonomen unter anderem dafür, kurzfristig die  Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung abzubauen, um  mehr Wettbewerb und damit ein differenzierteres Angebot für die  Versicherten zu ermöglichen. Auch sollten größere betriebliche Einheiten  im ambulanten Bereich gefördert werden und die Krankenversicherungen  viel stärker mit einzelnen Leistungserbringern über Preise und  Leistungen verhandeln können. Langfristig sollte daran gearbeitet  werden, in der Akutversorgung im ländlichen Raum vor allem die  medizinische Not- und Erstversorgung zu gewährleisten. Das ist aus Sicht  der Experten nicht nur unter wirtschaftlichen Aspekten sinnvoll. Auch  was die Behandlungsergebnisse angeht, schneiden spezialisierte Zentren,  möglicherweise in größerer räumlicher Distanz, häufig besser ab als ein  gering ausgelastetes, wenig spezialisiertes kleines Krankenhaus. Im  Pflegebereich sollten mittelfristig die Heimgesetze der Bundesländer  reduziert und vereinheitlicht werden. Das Mehr- und Fremdbesitzverbot  bei Apotheken sollte aufgehoben und der Erstattungspreis neuer  Arzneimittel an eine Kosten-Nutzen-Bewertung gekoppelt werden.
Ihre Ansprechpartner
Dr. Boris Augurzky (RWI Essen), Tel.: (0201) 81 49-203
Prof. Dr. Stefan Felder (Universität Duisburg-Essen), Tel.: (0201) 183-3682
Dr. Sebastian Krolop (ADMED GmbH), Tel.: (02238) 475 300
Prof. Dr. Jürgen Wasem (Universität Duisburg-Essen), Tel.: (0201) 183 - 4283
Sabine Weiler (Pressestelle RWI Essen), Tel.: (0201) 81 49-213
- Weiterführende Links
 - www.rwi-essen.de
 - www.uni-due.de
 - www.admed.com
 - www.mm.wiwi.uni-due.de