Gesundheitsminister Rösler plant kapitalgedeckte Pflegezusatzversicherung
Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler erläuterte in einem Gespräch mit Berthold Hamelmann und Christof Haverkamp von der Neue Osnabrücker Zeitung seine Pläne zur Einführung einer kapitalgedeckten Pflegezusatzversicherung:
Herr Minister, die Bevölkerung wird älter, die Probleme bei der Pflege immer drängender. Wie reagiert die Koalition darauf?
Rösler: Die Pflege wird 2011 sicher eines der dominierenden Themen in meinem Zuständigkeitsbereich. Nächstes Jahr legen wir los. Und noch vor Weihnachten wird dazu eine wichtige Vorarbeit geleistet: Für den 7. Dezember habe ich eine Reihe von Fachleuten und Verbandsvertretern aus dem Bereich Pflege ins Ministerium eingeladen, um grundsätzliche Fragestellungen zu erörtern. Wir haben derzeit in Deutschland 2,4 Millionen Pflegebedürftige, und die Zahl wird in 10 bis 15 Jahren Jahren auf mindestens drei Millionen ansteigen. Das stellt uns als Gesellschaft vor große Herausforderungen. Ziel muss es sein, die Pflege weiter zu verbessern und sie auch finanziell auf ein langfristig tragfähiges Fundament zu stellen.
Wie soll das geschehen?
Rösler: Wir wollen den Begriff der Pflegebedürftigkeit ändern. Wir wollen weg von der Minutenpflege, die nicht unserem Menschenbild entspricht. Besser ist es, die Pflege danach auszurichten, welche Tätigkeiten der zu Pflegende noch selbst ausführen kann, also welchen Grad an Selbstständigkeit er hat. Daran soll sich dann künftig auch die Einstufung orientieren. Diese Stufen richten sich dann nicht mehr nach dem Pflegeaufwand, sondern an den Fähigkeiten des Einzelnen. Gerade auch das wichtiger werdende Thema Demenz wollen wir noch stärker bei der Pflegebedürftigkeit berücksichtigen.
Schon heute sind etwa 30.000 Stellen nicht besetzt. Wie lautet Ihre Antwort darauf?
Rösler: Wir wollen die Ausbildung verbessern: Jetzt gibt es unterschiedliche Ausbildungsgänge für Kranken- und Altenpflege. Ein Modellversuch hat bestätigt, dass es sinnvoll ist, diese Ausbildung in der Anfangszeit zusammenzufassen. Insgesamt wird die Pflegeausbildung sicher interessanter, wenn man sich erst später entscheiden muss, worauf man sich spezialisiert.
Viele Pflegende aus Osteuropa arbeiten in Deutschland, oft in einer rechtlichen Grauzone. Gibt es Pläne zur Anerkennung ihrer Bildungsabschlüsse?
Rösler: In den Heilberufen ist die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen bereits möglich. Weitere Verbesserungen werden wir im Zusammenhang mit dem von Bundesbildungsministerin Annette Schavan geplanten Gesetz zur Anerkennung von Abschlüssen aus dem Ausland prüfen. Bei den Heilberufen darf dabei aber nicht übersehen werden, welche Rolle das Menschliche spielt. Insbesondere gute Sprachkenntnisse sind hier wesentlich. In der Pflege spielt es eine große Rolle, sich sprachlich zu verstehen und miteinander umgehen zu können. Daher sollte es auch darum gehen, das im Inland vorhandene Potential an Fachkräften stärker zu heben. Das erfordert viel Energie.
Warum?
Rösler: Weil es beispielsweise so ist, dass wegen des wegfallenden Zivildienstes eine große Zahl von Männern, die bisher auf diese Weise erstmals Kontakt mit dem Thema Pflege bekommen und ihn als Beruf schätzen gelernt haben, künftig fehlen werden. Darum wollen wir auch an Schulen und in der Öffentlichkeit stärker für die Pflege werben.
Müssen nicht Pflegerinnen und Pfleger besser entlohnt werden?
Rösler: Erst einmal – das mag bei einem Liberalen überraschen – akzeptiere ich, dass man sich im Bereich der Pflege auf einen Mindestlohn geeinigt hat. Und ich füge auch hinzu: Mindestlöhne können immer nur eine Untergrenze markieren. Die Attraktivität einer Tätigkeit hängt auch mit der Höhe der Entlohnung zusammen. Und wenn Arbeitgeber in der Pflege langfristig im Wettbewerb um gute Arbeitnehmer punkten wollen, dann ist ein angemesser Verdienst ein zugkräftiges Argument.
Wollen Sie auch die Situation für die Angehörigen von Pflegebedürftigen ändern?
Rösler: Ja. Pflegende Angehörige leisten enorm viel. Und gehen dabei oft an die Grenze ihrer eigenen Belastbarkeit. Es wäre daher vernünftig, die Angebote bei den Angehörigen-Kuren zu erweitern, damit sie wenigstens eine oder zwei Wochen im Jahr die Möglichkeit haben, aus dem Pflegealltag herauszugehen und sich zu regenerieren. Teilweise gibt es diese Möglichkeit schon. Aber hier sollte mehr getan werden. Auch als Signal an die Angehörigen, dass ihr Einsatz gesehen und anerkannt wird.
Auch über die langfristige Sicherstellung der Finanzierung werden wir uns im nächsten Jahr Gedanken machen. Wir haben im Koalitionsvertrag festgeschrieben, die bisherige umlagefinanzierte Pflegeversicherung zu ergänzen um eine kapitalgedeckte Komponente. Dazu gibt es drei Vorgaben: Sie muss kapitalgedeckt, individualisiert und verpflichtend sein. Wie das im Detail aussieht, werden wir dann erarbeiten. Dazu müssen Modelle entwickelt und durchgerechnet werden.
Ist das Modell der Riester-Rente ein Vorbild?
Rösler: Ja und nein. Die Riester-Rente ist ja nicht verpflichtend, sondern freiwillig. Insofern ist das anders. Wir sehen uns alle vorhandenen Modelle an. Aber eines ist für mich selbstverständlich: Wer einen Kapitalstock anspart, muss sich auf die sogenannte Mündelsicherheit verlassen können. Das heißt, einmal angespartes Geld darf auch im Fall von Arbeitslosigkeit und Pfändung nicht verloren gehen.
Was heißt das genau?
Rösler: Das Geld, das Sie einzahlen, muss Ihnen selbst für eine Pflegeleistung zur Verfügung stehen - deswegen das Stichwort individualisiert. Und es muss so sicher angelegt werden, dass niemand Zugriff darauf hat, also auch nicht die Politik. Doch trotz aller Ergänzungen bleibt die Pflegeversicherung – wie bisher auch - eine Teilkasko-Versicherung.
Die jüngere Generation wird also mit noch mehr Vorsorgeleistungen belastet.
Rösler: Es ist zweifellos eine Gratwanderung zwischen der möglichen Belastung gerade der jungen Generation, die in die Umlage einzahlen muss, während auf der anderen Seite von ihr verlangt wird, für sich selbst noch vorzusorgen. Aber ich finde: Jeder soll sich schon in jungen Jahren mit dem Thema Pflege beschäftigen. Nicht jeder von uns hat Kinder, aber jeder hat Eltern. Das bedeutet auch, Verantwortung zu übernehmen: Eltern für ihre Kinder – aber eines Tages eben auch Kinder für ihre Eltern. Darüber muss man sich heute schon im Klaren sein.
- Weiterführende Links
- www.bmg.bund.de
- www.noz.de