Ausschusssitzung im Deutschen Bundestag (Foto: DBT)

Mittwoch, 29. September 2010

Gesundheitsausschuss: "Kontroverse Haltungen bei Anhörung zum GKV-FinG"

Von: Deutscher Bundestag / Pressemitteilung

Der Gesundheitsausschuss hat sich am 29. September vormittags erstmals mit den Plänen der Koalition sowie der Opposition zur Senkung der Arzneimittelpreise befasst. Im Mittelpunkt standen 22 Änderungsanträge, die die Koalitionsfraktionen zu ihrem Gesetzentwurf (17/2413) verfasst haben. Insbesondere der Plan der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion, die Grundsätze der geplanten Nutzenbewertung neuer Medikamente durch eine Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums zu regeln, sorgte bei der Opposition für Kritik. Dazu erläuterte die Unions-Fraktion, mit der Übertragung dieser Aufgabe auf das Ministerium solle erreicht werden, dass die Nutzenbewertung "möglichst schnell in Gang" komme und ein "verlässlicher Rahmen" geschaffen werde. Die Sach- und Fachkompetenz liege aber beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) und beim Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

Ursprünglich war vorgesehen, dem G-BA die Regeln für die Nutzenbewertung zu überlassen, also dem obersten Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland. Die Nutzenbewertung soll künftig Grundlage der Verhandlungen zwischen Herstellern und gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) über den Preis neuer Medikamente sein. Wie der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen und die Änderungsanträge stehen am heutigen Nachmittag die Anträge der SPD-Fraktion (17/1201), der Fraktion Die Linke (17/2322, 17/2324) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/1985, 17/1418) im Zentrum einer dreistündigen öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses. Die schwarz-gelbe Koalition strebt mit einer Neuordnung des Arzneimittelmarktes jährliche Einsparungen bei den gesetzlichen Krankenkassen in Milliardenhöhe an. Allein bei neuen Medikamenten, zu denen es keine therapeutischen Alternativen gibt, soll die Entlastung 1,7 Milliarden Euro betragen. Wie aus dem Gesetzentwurf hervorgeht, soll die pharmazeutische Industrie künftig den Nutzen neuer Arzneimittel nachweisen und den Preis, den sie dafür von den Kassen erstattet bekommt, mit diesen aushandeln. Umstritten ist unter anderem, dass die Nutzenbewertung durch eine Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums geregelt wird.

Die SPD-Fraktion will die Medikamentenpreise auf den europäischen Durchschnitt senken. Zur Ermittlung der Durchschnittspreise solle ein europäischer Vergleich bei Arzneimitteln eingeführt werden. Ferner müsse für jedes neue Arzneimittel eine Kosten-Nutzen-Bewertung zum Zeitpunkt der Arzneimittelzulassung vorgelegt werden, um seine Erstattungsfähigkeit zu Lasten der GKV zu erhalten, fordern die Sozialdemokraten. Die Linksfraktion will zur Senkung der Arzneimittelpreise den therapeutischen Nutzen von neuen Medikamenten in den Mittelpunkt rücken. Die Abgeordneten setzen sich dafür ein, dass entsprechende Studien bereits vor der Zulassung beginnen müssten. Werde aufgrund der Ergebnisse dieser Studien festgestellt, dass es sich bei dem neuen Medikament um einen so genannten therapeutischen Solisten handelt, zu dem es keine Alternative gibt, solle die zuständige Bundesbehörde einen Preis nach den Kriterien Entwicklungskosten und gesellschaftliches Interesse ermitteln.

Die Grünen-Fraktion schlägt zur Verringerung der Arzneimittelkosten vor, jedes neue Medikament einer Kosten-Nutzen-Bewertung zu unterziehen. Auf Grundlage dieser Bewertung beziehungsweise einer vorgezogenen Schnellbewertung solle G-BA über die Aufnahme eines Arzneimittels in eine Positivliste verordnungsfähiger Arzneimittel entscheiden. Für die Preisfestsetzung seien auch die Preise in vergleichbaren EU-Ländern heranzuziehen. In ihren Gesetzentwurf hat die Koalition auch die weitere Förderung der unabhängigen Patientenberatung (UPD) durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) aufgenommen. Die Fördersumme soll vom kommenden Jahr an 5,2 Millionen Euro betragen.

Die gesetzlichen Krankenkassen haben den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (17/2413) grundsätzlich begrüßt. In der Anhörung des Gesundheitsausschusses am  Nachmittag sprach der Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), Johann-Magnus von Stackelberg, von "einem Schritt in die richtige Richtung". Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Jürgen Graalmann, fügte hinzu, er unterstütze "nachdrücklich", dass sich die Preisbildung neuer Medikamente künftig stärker am belegten therapeutischen Nutzen orientieren soll. Zugleich warnten beide die Koalition, mit geplanten Änderungsanträgen das Einsparziel des Gesetzentwurfes zu gefährden. Die Änderungsanträge machten den Nutzen des Gesetzes "eher fragwürdig", sagte Stackelberg auf eine Frage der Fraktion Die Linke.

Er bezog sich unter anderem auf den Plan von Unions- und FDP-Fraktion, die Kriterien und Methoden der Nutzenbewertung nicht dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zu übertragen, sondern per Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums zu regeln. Graalmann kritisierte, dass die private Krankenversicherungen künftig an den Sonderkonditionen und Verhandlungsergebnissen der gesetzlichen Krankenkassen teilhaben sollen. Grundsätzlich skeptisch äußerten sich die GKV-Vertreter auch zu dem Vorhaben der Koalition, das Kartellrecht auf die gesetzlichen Krankenkassen anzuwenden. Unterstützt wurden sie in dieser Haltung auf Nachfrage der SPD-Fraktion vom Regensburger Rechtsprofessor Thorsten Kingreen, der die Neuregelung für "unvereinbar" mit EU-Recht einstufte. Dem widersprach auf Fragen der FDP-Fraktion der Direktor des Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht, Professor Helge Sodan. Die Anwendung des Kartellrechts sei "unbedingt erforderlich", betonte Sodan.

Breiten Raum in der Anhörung nahm ein Änderungsantrag ein, wonach der G-BA, also das oberste Entscheidungsgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen, die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels nicht mehr wegen eines fehlenden Nutzennachweises ausschließen darf. “Das dürfen Sie uns nicht aus der Hand schlagen“, unterstrich der G-BA-Vorsitzende Rainer Hess.

Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) und der GKV-Spitzenverband warfen sich gegenseitig vor, künftig ihre "Stellung als Monopolist" bei den Preisverhandlungen ausnutzen zu wollen. Die vfa-Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer sagte, dem GKV-Spitzenverband werde es nur um die Höhe der Erstattungsbeträge, nicht um die Sicherheit der Patienten gehen. Hingegen sagte der Vizevorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Wolfgang Kaesbach, “faire Erstattungsverhandlungen“ seien mit dem vfa "kaum vorstellbar".

Die schwarz-gelbe Koalition strebt mit einer Neuordnung des Arzneimittelmarktes jährliche Einsparungen bei den gesetzlichen Krankenkassen in Milliardenhöhe an. Allein bei neuen Medikamenten, zu denen es keine therapeutischen Alternativen gibt, soll die Entlastung 1,7 Milliarden Euro betragen. Wie aus dem Gesetzentwurf hervorgeht, soll die pharmazeutische Industrie künftig den Nutzen neuer Arzneimittel nachweisen und den Preis, den sie dafür von den Kassen erstattet bekommt, mit diesen aushandeln. Der Anhörung lagen auch die Anträge der SPD-Fraktion (17/1201), der Fraktion Die Linke (17/2322, 17/2324) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/1985, 17/1418) zugrunde.

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