G-BA: "Verordnungsfähigkeit von Blutzuckerteststreifen auf das Notwendige begrenzt"
Harn- und Blutzuckerteststreifen sind künftig nur noch dann zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig, wenn sie für Patientinnen und Patienten wirkliche Vorteile haben. Dies hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 17. März in Berlin entschieden. Patientinnen und Patienten, die Insulin spritzen, sind von der Regelung nicht betroffen, unabhängig davon, ob sie an einem Diabetes mellitus Typ 1 oder Typ 2 leiden.
Die Einschränkung der bisher nicht begrenzten Verordnungsfähigkeit von Harn- und Blutzuckerteststreifen gilt ausschließlich für nicht insulinpflichtige Diabetiker mit Diabetes mellitus Typ 2. Für diese Patientengruppe hat der G-BA eine Nutzenbewertung der Blutzuckerselbstmessung vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) durchführen lassen. Dabei zeigte sich, dass nicht insulinpflichtige Patientinnen und Patienten, die orale Antidiabetika einnehmen, von einer Selbstmessung nicht profitieren, weil sich daraus keinerlei direkte Konsequenzen auf die Therapie ergeben. Eine eventuell erforderliche Anpassung der Tablettendosis wird in größeren Abständen regelmäßig und ausschließlich durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt beurteilt und durchgeführt. Die Selbstmessung hat nach dem Bewertungsergebnis des IQWiG für diese Patienten keinen Nutzen hinsichtlich des Verlaufs der Erkrankung.
Der Beschluss sieht allerdings eine weitreichende Ausnahmeregelung vor, die in Abstimmung mit den im G-BA mitberatenden Patientenvertretern getroffen wurde. Demnach können Vertragsärztinnen und -ärzte Harn- und Blutzuckerteststreifen weiterhin verordnen, wenn eine instabile Stoffwechsellage vorliegt. Blutzuckerschwankungen können auftreten, wenn zusätzlich zum Diabetes noch andere Erkrankungen hinzukommen oder Patienten neu auf bestimmte orale Antidiabetika eingestellt werden und deshalb vorübergehend häufigere Kontrollen des Blutzuckerspiegels sinnvoll sind.
Der G-BA hat unter anderem die gesetzliche Aufgabe, Leistungen der GKV auf ihren tatsächlichen Nutzen hin zu überprüfen und diese auf das Maß des Notwendigen zu begrenzen. Derzeit betragen die jährlichen Ausgaben der GKV für Harn- und Blutzuckerteststreifen 900 Millionen Euro, ohne dass bisher hinreichend geklärt wurde, ob Patientinnen und Patienten von einer Selbstmessung profitieren.
Der Beschluss wird dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zur Prüfung vorgelegt und tritt nach der Nichtbeanstandung zum Beginn des übernächsten Quartals nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
Lesen Sie auch weitere Informationen des G-BA zu diesem Beschluss:
Verordnungseinschränkung bei Harn- und Blutzuckerteststreifen
Harn- und Blutzuckerteststreifen sind Medizinprodukte, mit denen man die Höhe des Zuckerwertes im Blut oder Urin selbst messen kann. Ein mobiles Messgerät, das zusätzlich erforderlich ist, zeigt den Wert an. Bei Patientinnen und Patienten, die an einem Diabetes mellitus erkrankt sind, kann der Zuckerwert in Blut und Urin erhöht sein, weil der Zucker im Stoffwechsel des Körpers nicht richtig verarbeitet wird. Die Messung im Blut ist sehr präzise, während die Messung im Urin lediglich eine grobe Orientierung über einen erheblich zu hohen Blutzuckerspiegel liefern kann.
Harn- und Blutzuckerteststreifen sind künftig nur noch dann zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig, wenn sie für Patientinnen und Patienten wirkliche Vorteile haben. Eine entsprechende Entscheidung traf der G-BA auf seiner Sitzung am 17.März 2011; sie tritt jedoch erst nach Nichtbeanstandung durch das Bundesministerium für Gesundheit und zu Beginn des übernächsten Quartals nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
Insulinpflichtige Diabetiker nicht betroffen
Patientinnen und Patienten, die Insulin spritzen (hierzu gehören alle Typ 1-Diabetiker und ein kleiner Teil der Typ 2-Diabetiker), sind von der Regelung nicht betroffen. Insulinpflichtige Diabetiker sind darauf angewiesen, dass sie ihrem Körper zum Teil mehrfach täglich vor den Mahlzeiten über Spritzen oder mit Hilfe einer Pumpe Insulin zuführen. Zuvor müssen die Patientinnen und Patienten ihren Blutzuckerwert selbst messen, damit sie die Menge an Insulin möglichst präzise an den aktuellen Bedarf anpassen können. Deshalb benötigt diese Patientengruppe Blutzuckerteststreifen; die Kosten dafür werden weiterhin uneingeschränkt von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen.
Nicht insulinpflichtige Diabetiker profitieren nicht von der Selbstmessung
Die Einschränkung der Verordnungsfähigkeit von Harn- und Blutzuckerteststreifen gilt ausschließlich für nicht insulinpflichtige Diabetiker. Diese Patienten mit leichteren Formen des Diabetes mellitus – hierzu gehört ein großer Teil der Typ 2-Diabetiker – können ihre Krankheit bereits mit einer entsprechenden Ernährungsumstellung, Gewichtsabnahme und Erhöhung der körperlichen Aktivität sowie der Einnahme oraler Medikamente (sogenannter Antidiabetika) gut in den Griff bekommen.
Diese Patientengruppe kann von einer Blutzuckerselbstmessung nicht profitieren, weil sich daraus keinerlei direkte Konsequenzen für die Therapie ergeben. Änderungen der Medikamentendosis werden regelmäßig und ausschließlich von der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt durchgeführt, nachdem neben dem Blutzucker der entscheidende HbA1c-Wert gemessen wurde. Dieser Wert gibt Auskunft darüber, wie sich die Blutzuckereinstellung über einen längeren Zeitraum (etwa acht Wochen – der Wert gilt auch als sogenanntes „Blutzuckergedächtnis“) entwickelt hat. Diese Patientinnen und Patienten benötigen deshalb keine Harn- und Blutzuckerteststreifen.
Ausnahmeregelungen
Harn- und Blutzuckerteststreifen dürfen auch nicht insulinpflichtigen Diabetikern weiterhin verordnet werden, wenn eine instabile Stoffwechsellage vorliegt. Instabile Stoffwechsellagen können beispielsweise auftreten, wenn zusätzlich zum Diabetes noch andere Erkrankungen hinzukommen oder Patienten neu auf orale Antidiabetika eingestellt werden und deshalb vorübergehend häufigere Kontrollen des Blutzuckerspiegels sinnvoll sind. Diese Ausnahmeregelung hat der G-BA auch in Abstimmung mit den im G-BA mitberatenden Patientenvertretern getroffen.
Kein Nutzenbeleg für die Selbstmessung
Die Entscheidung des G-BA basiert auf einer entsprechenden Nutzenbewertung, die das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im Auftrag des G-BA für nicht insulinpflichtige Diabetiker vornahm. (Der Abschlussbericht der Bewertung ist unter www.iqwig.de in der Rubrik „Projekte & Ergebnisse“ nach Schlagwort zu finden). Der G-BA hat die gesetzliche Aufgabe, Leistungen der GKV auf ihren tatsächlichen Nutzen hin zu überprüfen und diese auf das Maß des Notwendigen zu begrenzen. Anderenfalls würde die Versichertengemeinschaft mit unnötigen Ausgaben belastet und dem GKV-System Geld entzogen, das zur Finanzierung notwendiger Leistungen dringend benötigt wird. Derzeit betragen die jährlichen Ausgaben der GKV für Harn- und Blutzuckerteststreifen 900 Millionen Euro, ohne dass bisher hinreichend geklärt war, ob Patientinnen und Patienten von einer Selbstmessung tatsächlich profitieren.
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