Plenum des Gemeinsamen Bundesausschusses in Siegburg (Foto: G-BA)

Donnerstag, 13. März 2008

G-BA hat die ambulante Krebsbehandlung für Krankenhäuser beschlossen

Von: Gemeinsamer Bundesausschuss / Presse- mitteilung

Mit seiner Beschlussfassung zur ambulanten Behandlung seltener und schwerwiegender Erkrankungen an dafür qualifizierten Krankenhäusern hat der Gemeinsame Bun- desausschuss (G-BA) die Grundlagen für die entsprechende Zulassung von Krankenhäusern durch die dafür zuständigen Landesplanungsbehörden jetzt abschließend geregelt.

Die jetzige Richtlinie enthält mit dem Ziel der Qualitäts- sicherung die Vorgabe bestimmter Mindestmengen – je nach Erkrankung, die behandelt werden soll – und damit einer bestimmte Erfahrung bei der jeweils erforderlichen Behand- lung, die das Krankenhaus nachweisen muss. Entsprechende Beschlüsse zur Änderung der Richtlinie "Ambulante Behand- lung im Krankenhaus nach § 116b SGB V" fasste der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am Donnerstag in Köln. Grund für die erneute Anpassung der Richtlinie waren nach dem ersten Beschluss notwendig gewordene Abstim- mungen mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG).

Die Beschlüsse wurden dem BMG zur Prüfung vorgelegt und treten nach erfolgter Nichtbeanstandung und Bekannt- machung im Bundesanzeiger in Kraft. Die Beschlusstexte sind auf folgender Seite im Internet veröffentlicht:

www.g-ba.de/informationen/beschluesse/zum-unterausschuss/16/.

Tragende Gründe zum Beschluss des G-BA zur "Diagnostik und Versorgung von Patientinnen und Patienten mit onkologischen Erkrankungen"

Gemäß § 116b Abs. 4 SGB V ergänzt der Gemeinsame Bun- desausschuss (G-BA) den Katalog nach § 116b Abs. 3 SGB V um weitere seltene Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen sowie um hochspezialisierte Leistungen und regelt die sächlichen und personellen Anfor- derungen an die ambulante Leistungserbringung des Krankenhauses und ggf. ein Überweisungserfordernis.

In seiner Richtlinie zur ambulanten Behandlung im Krankenhaus nach § 116 b SGB V vom 18.10.2005 hat der G-BA die Ergänzung der Kataloginhalte, die Konkretisierung, die Überprüfung und die Weiterentwicklung des Kataloges nach der Verfahrensordnung des G-BA geregelt.

Die Diagnostik und Versorgung von Patienten mit onkologischen Erkrankungen ist bereits im Katalog seltener Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderem Krankheitsverläufen in § 116 b Absatz 3 SGB V und in der Richtlinie des G-BA enthalten.

Ziel des Beschlusses ist daher die Ergänzung der Anlage 3 der Richtlinie ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116 b SGB V um die Konkretisierung des Behandlungsauftrags und der sächlichen sowie personellen Anforderungen. Hierfür wurden vom zuständigen Unterausschuss bzw. der durch ihn eingesetzten Arbeitsgruppe Experten gehört.

Die in Anlage 3 niedergelegte Konkretisierung der diagnostischen und therapeutischen Prozeduren sowie der sächlichen und personellen Anforderungen beziehen die Ergebnisse der Expertenanhörungen mit ein. Sie fokussieren auf die qualitativ hochwertige Behandlung in interdisziplinären Behandlungsteams.

Der Bundesärztekammer (BÄK) wurde zweimal gemäß § 91 Abs. 8a SGB V Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Unterausschuss hat die Stellungnahmen in seinen Sitzungen am 11.12.2007 und 15.01.2008 eingehend beraten und einzelne Aspekte (z. B. Aufnahme eines Passus zu den Facharztbezeichnungen im Kontext der Musterweiterbildungsordnung, Verwendung des zutreffenden Terminus "anerkannt" bei den ärztlichen Fortbildungen) in der Konkretisierung aufgegriffen.

Zu anderen Aspekten (z. B. Zusammensetzung des interdisziplinären Teams, Mindestmengen) wurde unter den Beteiligten im G-BA mehrheitlich eine andere Einschätzung vertreten, sodass diese nicht aufgegriffen wurden.

Charakteristika onkologischer Erkrankungen

Die onkologischen Erkrankungen weisen, sofern sie nicht nur lokalisiert und von gering ausgeprägter Bösartigkeit sind, Verlaufsformen auf, die durch infiltratives Wachstum des Primärtumors in die Umgebung sowie von Tochtergeschwülsten in benachbarten oder auch entfernten Organen zu schweren Funktionseinschränkung dieser Strukturen führen und bei fortgeschrittenem Verlauf mit deren Zerstörung einhergehen.

Nach den Herzkreislauferkrankungen sind die bösartigen Tumore die zweithäufigste Todesursache in Deutschland. Die häufigsten bösartigen Tumore sind die der Lunge, der weiblichen Brust, des Dickdarmes, der Harnblase und der Prostata.

Mit wenigen Ausnahmen werden nur bösartige Tumore in der Konkretisierung aufgeführt (Kapitel II Kategorie C nach ICD 10). Diese Ausnahmen sind Erkrankungen, die z. B. aufgrund ihrer anatomischen Lokalisation oder wegen einer erblichen Neigung zur Bösartigkeit den Charakter einer primär bösartigen Krankheit haben (z. B. gutartige Tumore der weichen Hirnhaut, familiäre Dickdarmpolypen).

Der ICD lässt eine weitere Differenzierung nach Tumorstadien oder Schweregraden, die einen besonderen Krankheitsverlauf aufweisen, nicht zu.
Notwendigkeit eines multidisziplinären Ansatzes :

Das für onkologische Erkrankungen charakteristische infiltrative Wachstum des Primärtumors sowie das mögliche Auftreten von Tochtergeschwülsten in allen Körperregionen bzw. Organsystemen erfordert bereits bei der Diagnostik die Beteiligung verschiedener Fachdisziplinen. Nach Feststellung der Bösartigkeit eines Tumors anhand einer meist durch Operation, Punktion oder Biopsie gewonnenen Zell- oder Gewebeprobe erfolgt in der Regel eine Ausbreitungsdiagnostik mit Hilfe bildgebender Verfahren auf der Basis von Ultraschall, Röntgenstrahlung, Magnetfeldern, Isotopen sowie in speziellen Fällen auch radioaktiven Biomolekülen.

Bösartige Tumore müssen auf Grund ihrer Ausbreitung über die Blut- oder Lymphbahn grundsätzlich als Systemerkrankungen betrachtet werden, mit der Konsequenz, dass die Therapie meist den gesamten Organismus einbezieht.
Die Therapie von Tumoren beruht in der Regel auf drei Verfahren:

  • Chirurgische Entfernung des Primärtumors und ggf. auch von Metastasen
  • Medikamentöse Behandlung mit Chemotherapeutika, Immuntherapeutika, Zytostatika u.a.
  • Verschiedene externe und interne Verfahren der Strahlentherapie

Diese Verfahren kommen in Abhängigkeit von Schweregrad und Tumortyp alternativ, sequentiell oder parallel, ambulant oder stationär zur Anwendung.
Eine geeignete Einrichtung nach § 116b SGB V muss in der Lage sein, bösartige Tumore mutimodal behandeln zu können. Nach mehrheitlicher Meinung der angehörten Experten müssen daher neben der organspezifischen Fachgruppe mindestens die Fachgruppen der Hämatologie-Onkologie sowie der Strahlentherapie zur Verfügung stehen.

Je nach Begleitsymptomatik bzw. –erkrankungen sind weitere Maßnahmen wie beispielsweise Schmerztherapie, psychologische Beratung u. a. erforderlich.

Aufbau der Konkretisierung

Der Katalog nach § 116b Abs. 3 SGB V umfasst sowohl spezielle Einzelerkrankungen als auch Gruppen von Erkrankungen. Der relativ geringe Detaillierungsgrad medizinischer Sachverhalte in der Konkretisierung hat es erlaubt, in einem allgemeinen Teil alle diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, sächlichen und personellen Anforderungen, Qualitätssicherungsmaßnahmen sowie die Überweisungserfordernisse aufzuzeigen. Den Besonderheiten einzelner Tumorgruppen wird in einem speziellen Teil Rechnung getragen, in dem zusätzliche Aspekte beschrieben werden, die ergänzend zu den im allgemeinen Teil beschriebenen für die jeweilige Tumorgruppe von Bedeutung sind. Für ein Krankenhaus ist bei der ambulanten Versorgung einer spezifischen Tumorgruppe (z. B. Lungentumore) somit immer der allgemeine Teil der Konkretisierung zusammen mit dem jeweiligen speziellen Teil (hier z. B. für Lungentumore) maßgeblich.

Zusammenfassung von Tumorgruppen

Der ICD fasst die onkologischen Erkrankungen zu Tumorgruppen zusammen, die weitgehend mit den medizinischen Fachgruppen korrespondieren, in deren Bereich die jeweiligen Organe des Primärtumors fallen. Die Konkretisierung folgt prinzipiell diesem Ansatz. Die von Fachärzten für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie versorgten Organe sind zu einem Teil deckungsgleich, so dass die entsprechenden Tumore zu einer Gruppe zusammengefasst werden. Die onkologischen Erkrankungen im Kinder- und Jugendalter werden unter dem Aspekt der spezifischen Bedingungen dieser Altersgruppe zusammengefasst. Auf dieser Grundlage geht die Konkretisierung auf elf Tumorgruppen ein. Einige Tumore bzw. die Tochtergeschwülste können in Abhängigkeit vom Verlauf mehreren Gruppen zugeordnet werden.

Sächliche und personelle Anforderungen

Die beschriebene Komplexität der Diagnostik und Therapie der onkologischen Erkrankungen erfordert zur Gewährleistung eines reibungslosen Ablaufs die Verfügbarkeit der verschiedenen Fachrichtungen und der von diesen verantworteten Prozesse möglichst in einer Einrichtung. Dies ist insbesondere auch eine Forderung der Betroffenen. Da davon auszugehen ist, dass die vorhandenen Strukturen häufig nur in Kooperation mit anderen Einrichtungen oder einzelnen Leistungserbringern diesen Bedürfnissen entsprechen, wird in der Konkretisierung die Koordination und Kooperation (z. B. mit strahlentherapeutischen Einrichtungen) betont, die in der interdisziplinären Tumorkonferenz mit verpflichtender Einbeziehung der notwendigen Fachrichtungen zur Besprechung individueller Krankheitsverläufe ihren besonderen Ausdruck findet.

Nach § 28 der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses gelten der Nutzen und die medizinische Notwendigkeit für neu in die Richtlinie nach § 116b SGB V aufzunehmende Leistungen als belegt, wenn eine Bewertung nach §§ 135, 138 oder 137c SGB V zu diesem Ergebnis gekommen ist oder wenn die Leistung anderweitig Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung ist. Sofern im Unterausschuss Zweifel bestanden, ob eine Leistung durch den EBM abgebildet wird, hat der Ausschuss eine Stellungnahme der Geschäftstelle des Erweiterten Bewertungsausschusses nach § 87 SGB V eingeholt.

In der Konkretisierung sind primär Leistungen genannt, die im EBM abgebildet sind.

Leistungen, bei denen die Stellungnahme der Geschäftsstelle des Erweiterten Bewertungsausschuss zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch ausstand, sind mit dem Zusatz „soweit im EBM abgebildet“ versehen. Zudem sind weitere Leistungen, z. B. aus dem Bereich der Heilmittel in Form vorwiegend nichtärztlicher (veranlasster) Leistungen aufgeführt, die nicht im EBM enthalten sind. Sie sind im Hinblick auf eine sachgerechte Versorgung der Patienten ebenfalls von Bedeutung. Diese Leistungen können ambulant im Krankenhaus erbracht werden.

Die Frage der Vergütung für einzelne Leistungen der ambulanten Krankenhaus-behandlung bleibt durch die Richtlinie unberührt. Tätigkeiten und Dienste werden in der Konkretisierung nach dem allgemeinen Sprach-gebrauch benannt( z. B. Sozialdienst). Oftmals sind verschiedene Berufsgruppen in der Lage, diese durchzuführen.

Gerade die Komplexität der Behandlung und deren Nebenwirkungen und Folgen erfordern eine besondere Erfahrung der Einrichtungen zur ambulanten Behandlung nach § 116b, die entsprechend der Richtlinie in der Versorgung einer Mindestanzahl von Patienten mit onkologischen Erkrankungen innerhalb eines Jahres zum Ausdruck kommt. Die zu Grunde gelegten Mindestmengen gelten jeweils für die ganze Gruppe.

Grundlage für die Mindestmengen der Anlage 3 der Richtlinie ist nach § 6 die Prävalenz (die Häufigkeit des Vorkommmens). Anders als bei chronischen Erkrankungen wie z.B. Diabetes mellitus, führt eine Krebsdiagnose nicht zwangsläufig zu einer lebenslangen Behandlung, da eine Heilung möglich und oft auch wahrscheinlich ist. Das heißt, aus der Häufigkeit des Auftretens einer onkologischen Erkrankung kann nur mittelbar auf ihre Prävalenz geschlossen werden. Die Prävalenz von bösartigen Tumoren wurde unter Berücksichtigung der Häufigkeit des Auftretens, der Sterblichkeit der Patienten mit Tumoren sowie der Annahme einer Heilung nach fünf Jahren Überlebenszeit rechnerisch ermittelt.

Zur Bestimmung der Mindestmengen wurden in dieser Konkretisierung die Angaben der IARC (International Agency for Research on Cancer; Globocan 2002) herangezogen. Entsprechend den Vorgaben des § 6 der Verfahrensordnung wurden für Kinder keine Mindestmengen festgesetzt.

Überweisungserfordernis

Wie auch bei den bisherigen Konkretisierungen ist die Überweisung durch den Vertragsarzt erforderlich. Ausnahmen hiervon sind die oben erwähnten nicht bösartigen Tumore, die eine Überweisung durch den Facharzt erfordern. Da sich der besondere Verlauf der onkologischen Erkrankung oft auf eine bestimmte Krankheitsphase mit häufigem Wechsel zwischen ambulanter und stationärer Versorgung beschränkt, ist eine erneute Überweisung nach Ablauf von drei Jahren erforderlich.

Siegburg, den 17. Januar 2008
Gemeinsamer Bundesausschuss
Der Vorsitzende

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