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Dienstag, 03. Februar 2009

Drei Gesetzentwürfe zur Patientenverfügung vom Bundestag beraten

Von: Deutscher Bundestag / Pressemitteilung

Millionen Bundesbürger haben eine Patientenverfügung un- terschrieben. Sie legen darin vorab fest, wie sie bei einer schweren Krankheit medizinisch behandelt werden wollen, wenn sie sich selbst nicht mehr äußern können. Bislang je- doch müssen sich Ärzte nicht in jedem Fall an eine solche Willenserklärung halten. Der Bundestag plant nun, das zu ändern und die Patientenverfügung mit mehr Rechtssich- erheit auszustatten. Am 21. Januar berieten die Abgeord- neten dazu zwei fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe.

Es ist die Angst vor einem entwürdigenden Sterben, die im- mer mehr Menschen veranlasst, eine Patientenverfügung zu verfassen. Oft formulieren sie dabei den Wunsch, dass unter bestimmten Umständen lebenserhaltende Maßnahmen wie Wiederbelebung oder künstliche Ernährung abgebrochen werden sollen – etwa wenn sie im Koma liegen oder an schwerer Demenz erkrankt sind.

Ärzte bislang in der rechtlichen Grauzone

Umstritten ist aber, unter welchen Umständen Ärzte und Be- treuer an diesen vorab formulierten Patientenwillen gebun- den sind. Problematisch könnte beispielsweise sein, ob die aktuell eingetretene Situation mit der übereinstimmt, die der Betroffene bei seiner (eventuell sogar vor Jahren oder gar Jahrzehnten) geschriebenen Erklärung vor Augen hatte.

Bis heute gilt die Richtschnur: Der Patientenwille ist zu be- achten, aber nicht in jedem Fall verbindlich. Der Bundesge- richtshof hat hier in der Vergangenheit zwar Maßstäbe ent- wickelt, wann die Patientenverfügung gilt, doch die Recht- sprechung selbst war nicht immer deutlich. So agieren Ärzte streng genommen bis heute in einer rechtlichen Grauzone.

Parlament berät drei alternative Gesetzentwürfe

Doch künftig soll es mehr Rechtssicherheit für Patienten, Ärzte und Betreuer geben: Dem Bundestag liegen derzeit drei verschiedene, fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe vor. Am Mittwoch, dem 21. Januar, debattierte das Parla- ment in erster Lesung einen Entwurf, der von einer Gruppe von Abgeordneten um Wolfgang Bosbach (CDU) und Karin Göring-Eckhardt (Bündnis 90/Die Grünen) eingbracht worden war.

Ebenfalls zur Debatte steht ein zweiter Antrag, den der CSU- Abgeordnete Wolfgang Zöller vorgelegt hatte. Einen dritten Gesetzentwurf des SPD-Abgeordneten Joachim Stünker hatte der Bundesrat bereits am 26. Juni 2008 in erster Lesung beraten.

"Stünker-Entwurf": Vorrang des schriftlich verfügten Patientenwillens

Wichtigste Voraussetzung für die Verbindlichkeit der Patien- tenverfügung ist nach dem von Stünker und anderen Parla- mentariern vorgelegten Gesetzentwurf (16/8442) ihre schriftliche Form. Liegt sie vor, ist der Patientenwille verbindlich – und zwar völlig unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung.

Bewusst verzichte der Antrag auf eine Reichweitenbestim- mung der Verbindlichkeit, sagte Michael Kauch (FDP). Selbst erfahrene Mediziner bezeugten, dass es "unmöglich sei, unzweifelbar zwischen tödlichen und nicht tödlich verlaufenden Krankheiten zu trennen".

"Beschäftigungsprogramm für Vormundschaftsgerichte"

Fehlt die Verfügung, muss wie bislang der mutmaßliche Wille des Patienten ermittelt werden. Willigt der Betreuer in lebenserhaltende Maßnahmen nicht ein und können Arzt und Betreuer in dieser Entscheidung nicht einig werden, entscheidet ein Vormundschaftsgericht. "Aber nur dann", betonte Kauch und warf dem von Bosbach und anderen eingebrachten Entwurf vor, ein "Beschäftigungsprogramm für Vormundschaftsgerichte" einzurichten.

Christoph Strässer (SPD), ebenfalls Befürworter des Stünker-Entwurfs, kritisierte zudem, der Bosbach-Entwurf spalte das "Selbstbestimmungsrecht in Patientenverfügungen erster und zweiter Klasse".

"Bosbach-Entwurf": Vorrang des Lebensschutzes

Damit spielte der SPD-Abgeordnete auf die in dem von Bosbach (CDU) eingereichten Entwurf (16/11360) enthaltene Differenzierung nach Art und Stadium der Erkrankung an. Von dieser Frage hängt demnach ab, ob die Patientenverfügung voll verbindlich ist. Eine lebenserhaltenden Maßnahme soll dann abgebrochen werden können, wenn bei dem Patienten eine "unheilbare, tödlich verlaufende Krankheit" diagnostiziert wurde – oder der Patient auf Dauer bewusstlos ist.

Bei nicht tödlichen Erkrankungen ist der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen aber nur dann möglich, wenn sich der Patient medizinisch beraten ließ, die Patientenverfügung notariell beglaubigt und nicht älter als fünf Jahre ist. Außerdem ist in jedem Fall zu einem Behandlungsabbruch die Genehmigung eines Vormundschaftsgerichts notwendig.

"Selbstbestimmt entscheiden"

Damit möchten die Initiatoren des Antrags sichergehen, dass wirklich dem aktuellen Patientenwillen entsprochen wird. Die Einstellung eines Menschen in der akuten Krankheitssituation könne eine andere sein als vorher, gab Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/ Die Grünen) zu bedenken: "Man kann die genauen Umstände nicht vorausfühlen."

Die Abgeordnete verteidigte den Entwurf gegen die Kritik, er würde "das Sterben bürokratisieren", wie es Michael Kauch (FDP) zuvor genannt hatte. Die Beratung durch einen Arzt bezeichnete sie als elementare Voraussetzung, damit der Einzelne überhaupt selbstbestimmt entscheiden könne. "Wir gehen ja auch wegen einer Grippe zum Arzt. Warum nicht, wenn es um so eine Beratung geht?"

"Zöller-Entwurf": Vorrang des mutmaßlichen Willens

Die Initiative rund um den CSU-Abgeordneten Wolfgang Zöller hingegen will Betreuer und Ärzte verpflichten, Patientenverfügungen voll anzuerkennen. Beschränkungen auf Erkrankung oder Behandlungssituation macht dieser Gesetzentwurf (16/11493) nicht. Patientenverfügungen sollen sogar in mündlicher Form anerkannt werden.

"Viele Menschen haben eben keine schriftliche Verfügung, weil sie plötzlich erkrankt sind", sagte Zöller in der Debatte. In der jeweils konkreten Situation soll nach seinem Enzwurf jedoch zudem der aktuelle mutmaßliche Wille durch Ärzte, Betreuer oder Angehörige ermittelt werden. Sterben sei nicht "normierbar", sagte der Abgeordnete.

"Dialogischer Prozess der Bewertung"

Er und die Unterstützer des Antrags wünschten sich einen "dialogischen Prozess der Bewertung", in den Ärzte, Betreuer und Angehörige mit einbezogen werden sollen. Ein Vormundschaftsgericht wird nur dann eingeschaltet, wenn Uneinigkeit zwischen Arzt und Betreuer über den mutmaßlichen Patientenwillen besteht. "Letztlich ist das Wohl und der Wille des Patienten das Ausschlaggebende", betonte Monika Knoche (Die Linke).

Die Gesetzentwürfe werden nun in den Ausschüssen weiterberaten.

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