
Preismoratorium für Arzneimittel: Die Kosten für die Arzneimittelversorgung stellen einen zentralen Faktor für die Ausgabenentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) dar. Dabei ist insgesamt ein langjähriger Trend steigender Arzneimittelausgaben der Krankenkassen zu verzeichnen. Der Gesetzgeber ist deshalb bestrebt, den Kostenanstieg für die GKV so zu begrenzen, dass die finanzielle Stabilität der GKV gewährleistet bleibt. Beim sog. Preismoratorium handelt es sich um ein wirksames Instrument, um zu erreichen, dass einseitig bestimmte Preissteigerungen der pharmazeutischen Unternehmer nicht zulasten der Krankenkassen und sonstigen Kostenträger abgerechnet werden. Die gesetzliche Grundlage dafür ist § 130a Absatz 3a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach steht den Krankenkassen und sonstigen Kostenträgern bereits seit dem 1. August 2010 ein Preisabschlag in der Höhe zu, in der ein Hersteller den Abgabepreis eines Arzneimittels über den Preisstand am 1. August 2009 erhöht. Die Regelung gilt grundsätzlich für alle in der GKV erstattungsfähigen Arzneimittel. Ausgenommen sind diejenigen Arzneimittel, für die bereits ein vom GKV-Spitzenverband bestimmter Festbetrag gilt, zu dem Arzneimittel erstattet werden. Preiserhöhungen oberhalb dieses Festbetrages werden ohnehin nicht zu Lasten der Krankenkassen wirksam, denn die GKV trägt die Kosten nur bis zu diesem Betrag. Das gesetzliche Preismoratorium galt zunächst bis zum 31. Dezember 2013. Mit dem 13. SGB V-Änderungsgesetz (13. SGB V-ÄndG) hat der Gesetzgeber die Regelung kurzfristig bis zum 31. März 2014 verlängert, da sie sich zur Dämpfung der steigenden Ausgabenentwicklung im Arzneimittelbereich bewährt hat und ansonsten bei Auslaufen des Preismoratoriums wieder ein deutlicher Anstieg der Arzneimittelausgaben und eine überdurchschnittliche Preisentwicklung zu erwarten gewesen wäre. Eine erneute Verlängerung bis zum 31. Dezember 2017 ist im Zusammenhang mit weiteren Maßnahmen im Arzneimittelbereich mit dem Entwurf eines 14. SGB V-Änderungsgesetzes (14. SGB V-ÄndG) geplant, der sich derzeit im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren befindet. (Foto: DAK / Schläger)
Bundestag beschließt 14. Gesetz zur Änderung des Fünften Sozialgesetzbuch
Mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD hat der Bundestag am Donnerstag, 20. Februar 2014, einen Gesetzentwurf zur Begrenzung der Arzneimittelkosten (18/201) beschlossen. Die Opposition trägt nur Teile der Novelle mit und lehnte die Vorlage in der Beschlussfassung des Gesundheitsausschusses (18/606) insgesamt ab. Bei den Beratungen über den Gesetzentwurf der beiden großen Fraktionen hatte es zuvor im Gesundheitsausschuss mehrere Änderungen gegeben. Zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke (18/621, 18/622) und ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/623) fanden keine Mehrheit.
Gesetzgeber will Preissteigerungen langfristig verhindern
Ziel des Gesetzentwurfs ist es, Preissteigerungen im Gesundheitssystem langfristig zu verhindern. Das Gesetz beinhaltet ein bis Ende 2017 verlängertes Preismoratorium für Arzneimittel, gesetzlich festgelegte Mengenrabatte in Höhe von sieben Prozent (sechs Prozent für wirkungsgleiche Präparate, sogenannte Generika) und im Gegenzug den Verzicht auf eine Zusatznutzenbewertung älterer Medikamente aus dem sogenannten Bestandsmarkt.
Je größer der Zusatznutzen eines Mittels, umso höher kann der zu erzielende Preis sein. Die Neuerung bei der Nutzenbewertung ist besonders umstritten. Union und SPD halten das Analyseverfahren für die Industrie und den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), der den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) festlegt, für zu aufwendig. Die Opposition sieht in dem Wegfall des sogenannten Bestandsmarktaufrufs hingegen einen gravierenden Qualitätsverlust im Gesundheitssystem.
Regierung: Anspruch auf bestmögliche Medikamente
In der Schlussdebatte wurden die unterschiedlichen Ansätze noch einmal deutlich. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) betonte, wer krank sei, habe Anspruch auf die bestmöglichen Medikamente. Daher gehe es darum, Qualität, Innovation, Bezahlbarkeit und Zuverlässigkeit in Einklang zu bringen.
Mit dem Gesetz werde eine bezahlbare Arzneimittelversorgung auf hohem Niveau sichergestellt. Bei den Regelungen im Bestandsmarkt sowie bei den Rabatten und beim Preismoratorium seien "angepasste Lösungen" nötig geworden. Mit dem Gesetz werde zudem die hausärztliche Versorgung gestärkt, neue Perspektiven für den hausärztlichen Nachwuchs würden geschaffen.
Linke: Fragwürdiger Deal
Gesundheitspolitiker der Opposition halten das Gesetz hingegen für lückenhaft und einseitig zugunsten der Pharmaindustrie. Kathrin Vogler (Die Linke) sprach von einem "fragwürdigen Deal zugunsten der Pharmaindustrie und zulasten der Patienten". Den Mengenrabatt von 16 auf sechs Prozent zu senken, um ihn dann auf sieben Prozent leicht anzuheben, sei nichts als ein "Taschenspielertrick". Auf die Nutzenbewertung im Bestandsmarkt zu verzichten, sei fahrlässig, denn es gehe um die Behandlungsqualität und das Wohl der Patienten. Viele neue Präparate hätten keinen Zusatznutzen.
Grüne und Linke forderten ein öffentliches Register, in dem die Ergebnisse aller Arzneimittelstudien der Hersteller veröffentlicht werden müssten, auch die aus abgebrochenen Studien. So könnte in einem unübersichtlichen Markt die nötige Transparenz entstehen. Zudem wäre dann auch die Nutzenbewertung nicht mehr so aufwendig.
Grüne: Gesundheitspolitisches Armutszeugnis
Die Grünen-Abgeordnete Kordula Schulz-Asche sprach mit Blick auf die Neuregelung zur Nutzenbewertung von einem "gesundheitspolitischen Armutszeugnis". Zudem habe die Opposition mit ihren Einwänden gerade noch schwerwiegende Fehler etwa bei der Preisgestaltung für Generika verhindert.
Das Gesetz sei im Schnellverfahren umgesetzt worden, wobei die Koalition die Fachanhörung offenbar nicht ausreichend ausgewertet habe. Schulz-Asche monierte: "Wenn man eine so satte Mehrheit hat, gehen einem mit Schnellschüssen die Pferde durch."
SPD: Weiche für eine verbesserte Versorgungsqualität
Hilde Mattheis von der SPD-Fraktion wies die Kritik der Opposition zurück. Mit dem Gesetz würden die Weichen gestellt für eine verbesserte Versorgungsqualität in einem bezahlbaren System.
Sie gestand zu, dass die Opposition im Fall der Generika zu Recht auf Nachbesserungen gedrungen habe.
Union: Abwägungsfrage zwischen Aufwand und Nutzen
Der CDU-Abgeordnete und Berichterstatter im Ausschuss, Michael Hennrich, räumte ein, dass der Verzicht auf den Bestandsmarktaufruf ein Abwägungsfrage zwischen Aufwand und Nutzen gewesen sei.
Er halte die Entscheidung jedoch für richtig. (pk/20.02.2014)
Lesen Sie auch dazu die Pressemitteilung des Bundesministers für Gesundheit:
Der Bundestag hat am 20. Februar in 2. und 3. Lesung das 14. Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch beschlossen. Mit dem Gesetz werden verschiedene Vorhaben des Koalitionsvertrages umgesetzt. Ziel ist es, eine patientenorientierte, finanzierbare Arzneimittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sicher zu stellen. Außerdem erhalten Krankenkassen und Hausärzte bei den Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung mehr Spielräume. Dadurch wird die hausärztliche Versorgung gestärkt.
Zur Beratung und zum Beschluss im Deutschen Bundestag sagte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe:
"Mit der Gesetzesänderung sparen wir der gesetzlichen Krankenversicherung und damit den Beitragszahlern rund 650 Millionen Euro im Jahr und sichern eine bezahlbare Arzneimittelversorgung auf hohem Niveau. In diesem Sinne wollen wir weiterarbeiten. Ich werde deshalb mit den forschenden Arzneimittelherstellern in einen Dialog treten. Denn trotz aller berechtigter Diskussionen über bezahlbare Arzneimittel müssen wir uns immer auch bewusst machen: Ohne die Innovationsfähigkeit unserer forschenden Arzneimittelhersteller müssten die Menschen auf viele Verbesserungen im Arzneimittelbereich verzichten."
Die Regelungen im Einzelnen
Verlängerung des Preismoratoriums, Anhebung des Herstellerabschlags und Streichung der Möglichkeit der Nutzenbewertung von Arzneimitteln aus dem Bestandsmarkt
Mit den Gesetz wird das bestehende Preismoratorium, das für Arzneimittel seit dem 1. August 2010 gilt, bis Ende 2017 verlängert. Ausgenommen werden hiervon Arzneimittel, für die es einen Festbetrag gibt. Der Herstellerabschlag in Form eines Mengenrabatts wird von 6 auf 7 Prozent für alle Arzneimittel – mit Ausnahme der patentfreien, wirkstoffgleichen Arzneimittel – angehoben. Beide Maßnahmen dienen dazu, dem langjährigen Trend steigender Arzneimittelausgaben der Krankenkassen zu begegnen und die finanzielle Stabilität der GKV sicherzustellen.
Mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) wurde im Jahr 2011 eine Nutzenbewertung für alle neuen Arzneimittel, aber auch für bereits auf dem Markt befindliche Arzneimittel, eingeführt. Erste Erfahrungen deuten darauf hin, dass der methodische und administrative Aufwand bei der Bewertung des Bestandsmarktes unverhältnismäßig hoch ist. Künftig sollen daher Arzneimittel, die bereits vor dem 1. Januar 2011 im Verkehr waren (sog. Bestandsmarkt) von dieser Regelung ausgenommen werden. Um dafür einen wirtschaftlichen Ausgleich zu schaffen, ist die Verlängerung des Preismoratoriums wichtig.
Erstattungsbetrag für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen
Im Hinblick auf den Erstattungsbetrag für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen wird klargestellt, dass der Erstattungsbetrag die Grundlage für die Berechnung von Zu- und Abschlägen in den Vertriebsstufen ist. Der auf der Grundlage des Erstattungsbetrags berechnete Abgabepreis wird damit auch zur Grundlage für die weitere Abrechnung einschließlich der Berechnung der Mehrwertsteuer und der Zuzahlung der Versicherten. Darüber hinaus wird klargestellt, dass die Phase der freien Preisbildung nur einmalig je Wirkstoff gewährt wird. Um die praktische Erfahrungen in die Verhandlungen über die Erstattungsbeträge einzubringen, soll künftig jeweils ein Vertreter einer Krankenkasse an den Verhandlungen teilnehmen.
Substitutionsausschlussliste
Schon länger gab es den Auftrag an den Spitzenverband Bund der gesetzlichen Krankenkassen und die Apothekerschaft, eine Liste von Medikamenten zu erstellen, die im Rahmen von Rabattverträgen nicht gegen ein anderes wirkstoffgleiches und therapeutisch gleichwertiges Medikament ausgetauscht werden dürfen. Dies kommt in den Fällen in Betracht, in denen zur sachgerechten medizinischen Versorgung Patienten regelhaft nur das vom Arzt verordnete Präparat erhalten sollen. Die Verhandlungen dazu verliefen jedoch schleppend. Die beiden Vertragspartner einigten sich bisher auf zwei Arzneimittel. Vor diesem Hintergrund regelt das neue Gesetz, dass diese Aufgabe an den Gemeinsamen Bundesausschuss übertragen wird, in dem auch Patientenvertreter und die Ärzteschaft ihre Kompetenz einbringen können.
Hausarztzentrierte Versorgung
Im Bereich der hausarztzentrierten Versorgung werden die bestehenden Vergütungsbeschränkungen aufgehoben. Krankenkassen und Hausärzte müssen künftig Wirtschaftlichkeitskriterien und Regelungen zur Qualitätssicherung vereinbaren. Die Einhaltung der Wirtschaftlichkeit ist der Aufsichtsbehörde vier Jahre nach Beginn des Vertrages nachzuweisen. Zugelassene strukturierte Behandlungsprogramme (Disease-Management-Programm/ abgekürzt DMP) werden, soweit sie die hausärztliche Versorgung betreffen, Bestandteil der Verträge.
- Weiterführende Links
- www.bmg.bund.de