
"Das Fehlverhalten beginnt bereits mit der Unwirtschaftlichkeit. Die Unwirtschaftlichkeit eines Leistungserbringers verletzt seine Treuepflichten. Sie ist ein Kostenbestimmungsfaktor. Sie bezeichnet die vermeidbaren Verhaltensweisen: Unachtsamkeit, Gleichgültigkeit, Vorsätzlichkeit und Ungeschicklichkeit. Sie benachteiligt den Patienten und seine Krankenkasse. Sie bevorzugt andere Leistungserbringer." (Anm. d. Red.) - Foto: Operationslampe (DAK/Scholz)
Bundesregierung nimmt Stellung zur "Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen"
Das ärztliche Berufsrecht verbietet es laut Bundesregierung Ärzten, von Patienten oder anderen Personen "Geschenke oder andere Vorteile für sich oder Dritte zu fordern, sich oder Dritten versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird". Es sei ihnen danach auch nicht gestattet, für die Zuweisung von Patienten "ein Entgelt oder andere Vorteile sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren", heißt es in der Antwort der Bundesregierung (17/4943) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/4752) zur "Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen".
Derartige Praktiken beeinträchtigten die Rechte der Versicherten und einen fairen Wettbewerb der Leistungserbringer und gingen letztlich zu Lasten der Solidargemeinschaft, schreibt die Regierung und fügt hinzu, sie prüfe, "ob eine Erweiterung bestehender Regelungen geboten ist, um entsprechenden Fehlentwicklungen in der Heilmittelversorgung entgegenzuwirken".
Vor dem Hintergrund der seinerzeitigen öffentlichen Diskussion, dass Einzelne oder Gruppen die Strukturen der gesetzlichen Krankenversicherung manipulativ missbrauchen, um sich Finanzmittel vor allem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung zu verschaffen und der Erkenntnis, dass ein Gegensteuern der Selbstverwaltung der gesetzlichen Krankenversicherung oder deren Arbeitsgruppen auf freiwilliger Basis nicht ausreichte, wurde mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) vom 19. November 2003 festgelegt, dass die Krankenkassen und gegebenenfalls ihre Verbände sowie die Körperschaften der Ärzte und Zahnärzte Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen einzurichten haben, die Fällen und Sachverhalten nachzugehen haben, die auf Unregelmäßigkeiten oder auf rechtswidrige oder zweckwidrige Nutzung von Finanzmitteln im Zusammenhang mit den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung hindeuten.
Mit der Einrichtung dieser Stellen wurde das Ziel verfolgt, den effizienten Einsatz von Finanzmitteln in der gesetzlichen Krankenversicherung zu stärken. Um die Selbstreinigung innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung zu fördern, sind die Stellen zur Unterrichtung der Staatsanwaltschaft verpflichtet worden, wenn die Prüfung ergibt, dass ein Anfangsverdacht auf strafbare Handlungen bestehen könnte. Bagatellfälle sind von der Unterrichtungspflicht ausgenommen worden, um nicht in dem komplexen Verhandlungssystem der gesetzliche Krankenversicherung ein Klima des allgemeinen Misstrauens zu erzeugen. Mit der Einrichtung dieser Stellenhat der Gesetzgeber einZeichengesetzt, dass die Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen zum einen eine besonders hervorgehobene Aufgabe aller Verantwortlichen im Gesundheitswesen ist. Sie ist darüber hinaus eine Daueraufgabe, die dem Schutz all derjenigen dient, die sich korrekt im Gesundheitssystem verhalten und sorgt hierdurch auch für die notwendige Glaubwürdigkeit und Transparenz.
Es folgt die Antwort der Bundesregierung (17/4943) auf die Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/4752) zur "Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen":
- Welche Schlussfolgerungen leitet die Bundesregierung aus den bisherigen Erfahrungsberichten ab, und welche weiteren Maßnahmen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen plant sie gegebenenfalls?
Die dem Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages vom Bundesministerium für Gesundheit vorgelegten Erfahrungsberichte haben gezeigt, dass die mit dem GMG eingerichteten Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen ihre Aufgaben erfüllen. Um künftig in höherem Maß belastbare Angaben über das Ausmaß von Fehlverhalten im Gesundheitswesen zu ermöglichen, hat der GKV-Spitzenverband mit Vertretern der Mitgliedskassen und der Verbände der Kranken- und Pflegekassen auf Bundesebene im Rahmen der "Arbeitsgemeinschaft zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen" eine "Standardisierte Fallerfassung der Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen" abgestimmt und seinen Mitgliedskassen empfohlen, diese bei der Erstellung der Berichte nach § 197a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zu Grunde zu legen. Darüber hinaus haben sich die Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder für eine Vereinheitlichung des von diesen Berichten erfassten Zeitraums ausgesprochen. Ziel dieser Bemühungen ist es, eine Standardisierung und Vereinheitlichung des den Berichten zugrundeliegenden Datenmaterials zu erreichen, um damit eine bessere Vergleichbarkeit, Transparenz und Auswertbarkeit der Berichtsinhalte zu gewährleisten. Alle Kranken- und Pflegekassen sollen für den Berichtszeitraum 2010/2011 ergänzend zu ihren Berichten vergleichbare Kennzahlen erheben. Die Ergebnisse einer derart einheitlichen Erhebung werden frühestens Mitte 2012 vorliegen. Die Bemühungen des GKV-Spitzenverbands, die Erfassung der Fehlverhaltensfälle zu standardisieren, werden vom Bundesministerium für Gesundheit unterstützt.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber Regelungen erlassen hat, die eine unzulässige Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern und Vertragsärzten verbietet. So dürfen im Zusammenhang mit der Verordnung von Hilfsmitteln keine Zuwendungen an Vertragsärzte (Entgelte oder sonstige wirtschaftliche Vorteile) gewährt werden(128 Absatz 2 SGB V). Gleiches gilt nach §128 Absatz 6 SGB V im Zusammenhang mit der Verordnung von Arznei- und Verbandmitteln sowie im Zusammenhang mit der ambulanten Behandlung im Krankenhaus. Im Fall schwerwiegender und wiederholter Verstöße können Leistungserbringer, die derartige unzulässige Zuwendungen gewähren, für bis zu zwei Jahre von der medizinischen Versorgung ausgeschlossen werden.
Im Hilfsmittelbereich ist nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen von einem Rückgang fragwürdiger Praktiken aufgrund der Regelungen in § 128 SGB V auszugehen. Teilweise wird allerdings auch versucht, diese Regelungen gezielt zu umgehen. Insoweit muss die weitere Entwicklung beobachtet werden. § 128 SGB V hat auch in der Heilmittelversorgung zu einer stärkeren Sensibilisierung für die Thematik geführt, obwohl er hierauf nicht anwendbar ist. Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 22 verwiesen. - Kann die Bundesregierung seit dem letzten Bericht des BMG (Ausschussdrucksache 16(14)0402)) Angaben darüber machen, inwieweit Fehlverhalten durch die bislang existierenden gesetzlichen Maßnahmen verhindert werden konnte? Falls ja, welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus? Falls nein, plant die Bundesregierung eine entsprechende Evaluation oder die Modifizierung der Berichte?
Um beurteilen zu können, inwieweit durch die bislang existierenden gesetzlichen Maßnahmen Fehlverhalten verhindert worden ist, müsste bekannt sein, in welchem Ausmaß Fehlverhalten ohne diese Maßnahmen stattgefunden hätte. Hierüber liegen jedoch keine Angaben vor. Auch eine Modifikation oder Evaluation der Berichte der Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen könnte keine Erkenntnisse darüber liefern, wie viele Personen oder Organisationen im Gesundheitswesen durch die gesetzlichen Maßnahmen von einem Fehlverhalten abgehalten worden sind. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. - Kann die Bundesregierung Angaben darüber machen, ob Formen von Fehlverhalten (zum Beispiel Fehlverhalten bei Apotheken, Ärztinnen und Ärzten, Praxis- und Sprechstundenbedarf, Pflegebereich, Krankenhaus, Krankentransporte, Heil- und Hilfsmittel, Arbeitgeber, Versicherte) zu- beziehungsweise abgenommen haben? Falls ja, wie interpretiert die Bundesregierung die jeweiligen Entwicklungen, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?
Der Bundesregierung liegen hierzu keine gesicherten Erkenntnisse oder belastbaren Daten vor. - Liegen der Bundesregierung Zahlen vor, aus denen sich Erkenntnisse über die Häufigkeit und Art der Fälle von Fehlverhalten im Gesundheitswesen ableiten lassen (bitte aufgeschlüsselt nach Kassenärztlichen Vereinigungen, Kranken- und Pflegekassen)? Falls ja, welche Maßnahmen will die Bundesregierung daraus ableiten? Falls nein, plant die Bundesregierung entsprechende gesetzliche Maßnahmen?
Der Bundesregierung liegen keine gesicherten Erkenntnisse oder belastbaren Daten über die Häufigkeit und Art der Fälle von Fehlverhalten im Gesundheitswesen vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.
- Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, in wie vielen Fällen Bürgerinnen und Bürger Hinweise auf Fehlverhalten an die Kranken- und Pflegekassen sowie an die Kassenärztlichen Vereinigungen gegeben haben?
Der Bundesregierung liegen hierzu keine gesicherten Erkenntnisse oder belastbaren Daten vor. - Wie hoch schätzt die Bundesregierung den finanziellen Schaden, der den Krankenkassen durch Fehlverhalten entsteht, und welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung gegebenenfalls daraus?
Unter den Begriff des Fehlverhaltens lassen sich vielfältige Verhaltensweisen subsumieren. Entsprechend gibt es zum Ausmaß des durch Betrug und anderen Fehlverhaltensformen entstehenden Schadens im Gesundheitswesen sehr unterschiedliche Schätzungen. Da Kriterien für eine realistische Beurteilung dieser Schätzungen fehlen, ist auch der Bundesregierung eine nachvollziehbare Schätzung der durch Fehlverhalten verursachten jährlichen materiellen Schäden im Gesundheitswesen nicht möglich. - Kann die Bundesregierung Angaben darüber machen, in wie vielen Fällen, in denen ein Anfangsverdacht auf strafbare Handlungen mit nicht nur geringfügiger Bedeutung für die gesetzliche Krankenversicherung bestand, die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wurde und welche Konsequenzen sich daraus ergeben haben?
Der Bundesregierung liegen hierzu keine gesicherten Erkenntnisse oder belastbaren Daten vor. - Wie kann nach Auffassung der Bundesregierung die Berichterstattung der Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen verbessert werden, beispielsweise im Hinblick auf deren Vergleichbarkeit, Transparenz und Kriterien?
Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. - Sieht die Bundesregierung – beispielsweise bei der Übermittlung von personenbezogenen Daten – gesetzlichen Regelungsbedarf? Falls ja, in welchem Zeitraum plant die Bundesregierung entsprechende Regelungen?
Da die Zulässigkeit von Datenübermittlungen zwischen verschiedenen Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen von Aufsichtsbehörden und Landesdatenschutzbeauftragten zum Teil unterschiedlich beurteilt und gehandhabt wird, ist ein flächendeckender Austausch der notwendigen personenbezogenen Daten voraussichtlich nur über eine gesetzliche Klarstellung zu erreichen. Eine Entscheidung darüber, ob bzw. wann eine entsprechende gesetzliche Befugnisnorm in das parlamentarische Verfahren eingebracht wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht getroffen. - Welche weiteren möglichen Quellen, mit denen die Erreichung der Ziele, den effizienten Einsatz von Finanzmitteln in der gesetzlichen Krankenversicherung zu stärken und die Transparenz zu erhöhen, ermöglicht oder erleichtert wird, sieht die Bundesregierung über die besagten Berichte hinaus?
Zum einen lassen die Bemühungen des GKV-Spitzenverbands hinsichtlich einer standardisierten Erfassung der Fälle von Fehlverhalten im Gesundheitswesen eine höhere Transparenz zum Ausmaß des Fehlverhaltens im Gesundheitswesen erwarten. Im Übrigen können sich Anhaltspunkte für die Notwendigkeit, Maßnahmen zur Fehlverhaltensbekämpfung zu ergreifen, aus allen allgemein zugänglichen Informationsquellen ergeben. - Stellenzwischen zeitlich (seit dem zweitenErfahrun gsbericht des BMG) außer dem AOK-Bundesverband und dem Verband der Ersatzkassen e.V. auch andere Krankenkassen neben der Darlegung ihres Tätigkeitsspektrums weiterführende Kennzahlen zur Verfügung, die Aussagen über den Erfolg der Fehlverhaltensbekämpfung zulassen?
- Kann den Berichten zwischenzeitlich entnommen werden, in welchem Ausmaß die Einrichtung der Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten präventiv gewirkt hat und Fehlverhalten verhindert werden konnte?
Die Fragen 11 und 12 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: Seit dem 1. Januar 2009 unterliegen die früheren Spitzenverbände der Krankenkassen nicht mehr der Aufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit. Da die Berichte nach § 197a Absatz 5 Satz 2 SGB V der jeweiligen Aufsicht vorzulegen sind, sind die Nachfolgeeinrichtungen der früheren Spitzenverbände der Krankenkassen nicht mehr verpflichtet, dem Bundesministerium für Gesundheit Berichte nach § 197a SGB V vorzulegen.
- Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag, die Berichte aller berichtspflichtigen Institutionen bei einer zentralen Stelle zusammenzuführen, und welche Institution könnte diese Aufgabe übernehmen?
Eine Zusammenführung und Auswertung der Berichte aller berichtspflichtigen Institutionen durch eine zentrale Stelle wäre mit einem erheblichen personellen und sachlichen Verwaltungsaufwand verbunden. Die hierfür eingesetzten Kapazitäten stünden an anderer Stelle bei der Fehlverhaltensbekämpfung nicht mehr zur Verfügung. Eine Zusammenführung und Auswertung der Berichte würde zwar mutmaßlich zu einer Verbesserung der Information über die Tätigkeit der Stellen führen, ein unmittelbarer Beitrag zur Bekämpfung von Fehlverhalten würde hierdurch jedoch nicht geleistet. Da zudem die Berichtsgestaltung den einzelnen Organisation obliegt, wäre die Aussagekraft einer solchen Auswertung gering. Die Bundesregierung verfolgt daher nicht in erster Linie das Ziel, die vorgegebene Berichtspflicht zu konkretisieren, sondern das Ziel, die Instrumente zur Bekämpfung des Fehlverhaltens zu optimieren. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. - Welche Informationen konnte das BMG den Berichten entnehmen, die im März 2008 von den Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder zu zentralen Parametern (z. B. gemeldete Fehlverhaltensfälle, festgestellte und realisierte Schadenersatzsummen, eingeleitete staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren, besonders hervorzuhebende Fehlverhaltensbereiche, eventuell mitgeteilter gesetzlicher Änderungsbedarf) erbeten wurden, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus?
Hierzu wird auf die von den Fragestellern in der Frage 2 genannten Ausschussdrucksache 16(14)0402 des Ausschusses für Gesundheit verwiesen, die die wesentlichen Informationen wiedergibt. Das Bundesministerium für Gesundheit hat im Frühjahr 2010 zu den gleichen Parametern erneut die Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder um Mitteilung näherer Informationen zu den ihnen vorliegenden dritten Berichte gebeten. Im Vergleich zu den dem Bundesministerium für Gesundheit im Jahr 2008 übermittelten Informationen zeigt sich aus den Rückläufen des Jahres 2010 ein in der Größenordnung der eingegangenen Hinweise zu vermuteten Fehlverhaltensfällen bei den Krankenkassen und Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen, die der Aufsicht der Länder unterstehen wie auch in den ermittelten Schadenersatzsummen ein annähernd gleichgebliebenes Niveau. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. - Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang im Hinblick auf eine mögliche Konkretisierung der Geringfügigkeitsgrenze in § 197 Absatz 4 SGB V und zu den derzeitigen gesetzlichen Regelungen zur Übermittlung von Sozialdaten (Datenübermittlungsbefugnis für die Fehlverhaltensbekämpfungsstellen)?
Zur Konkretisierung der Geringfügigkeitsgrenze in § 197a Absatz 4 SGB V wird auf die gemeinsame Antwort zu den Fragen 16 und 17 verwiesen. Zur Datenübermittlungsbefugnis für die Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. - Ist das BMG, wie in seinem zweiten Erfahrungsbericht angekündigt, zwischenzeitlich Vorschlägen nachgegangen, die Geringfügigkeitsgrenze, bei deren Überschreitung die Staatsanwaltschaften unterrichtet werden sollen, gesetzlich festzulegen? Falls ja, mit welchem Ergebnis? Falls nein, warum nicht?
- Welche Auffassung vertritt das Bundesministerium für Gesundheit hinsichtlich des im zweitenErfahrun gsbericht dargestelltenV orschlages, den Auftrag nach § 197a SGB V auf Fälle vorsätzlichen Fehlverhaltens mit nicht geringfügiger Bedeutung zu beschränken, da das geltende Recht in der Praxis mehr oder weniger regelhaft zu einer Doppelzuständigkeit einerseits der "normalen" Abrechnungsprüfung und andererseits der §-197a-Stelle führe?
Die Fragen 16 und 17 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: Die Vorschläge, die Schadensgrenze, von der ab die Staatsanwaltschaften einzuschalten sind, als Eurobetrag zu konkretisieren, werfen eine Vielzahl von Fragen auf. So existieren keine sachlogischen Kriterien für die Festlegung der Höhe einer solchen monetären Bagatellgrenze. Auch wäre bei Einführung einer gesetzlich vorgegebenen monetären Bagatellgrenze nicht auszuschließen, dass Fälle, die für eine einzelne Krankenkasse Bagatellfälle sind, nicht an die Staatsanwaltschaften gemeldet werden, obwohl sie eine erhebliche Bedeutung für das gesamte GKV-System haben können. Zudem haben sich Vertreter der Strafverfolgungsbehörden bereits bei der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages im November 2008 gegen eine Konkretisierung dieser Grenze ausgesprochen, um die notwendige Flexibilität der Arbeit der Strafverfolgungsbehörden zu erhalten. Die vorgenannten Argumente gelten auch für den Vorschlag, den Auftrag nach § 197a SGB V auf Fälle vorsätzlichen Fehlverhaltens mit nicht geringfügiger Bedeutung zu beschränken. - Hat das Bundesministerium für Gesundheit die im zweiten Erfahrungsbericht aufgezeigten Vorschläge zwischenzeitlich wie angekündigt mit den Beteiligten erörtert? Falls ja, um welche Beteiligten handelt es sich, und zu welchen Ergebnissen haben die Gespräche geführt?
Auf die Antworten zu den Fragen 9, 16 und 17 wird verwiesen. - Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über Fehlverhalten im Bereich der privaten Krankenversicherung vor? Wenn ja, um welche Erkenntnisse handelt es sich, und wie bewertet die Bundesregierung diese?
Der Bundesregierung liegen über Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Behandlung privat Versicherter keine gesicherten Erkenntnisse oder belastbaren Daten vor. - a) Wie bewertet die Bundesregierung sogenannte Anwendungsbeobachtungen, bei denen Ärztinnen und Ärzte vom Hersteller mit teilweise sehr hohen Prämien dafür honoriert werden, dass sie ein bestimmtes Medikament verschreiben, und sieht die Bundesregierung gesetzlichen Regelungsbedarf? Falls ja, welchen? Falls nein, warum nicht?
b) Wie bewertet die Bundesregierung, dass nach Angaben von Transparency Deutschland e. V. (Positionspapier Anwendungsbeobachtungen) im Einzelfall an Ärztinnen und Ärzte bis zu 2 500 Euro pro Patient/Patientin gezahlt werden, nach dem Arzneimittelgesetz (§ 67 Absatz 6 Satz 3 des Arzneimittelgesetzes) entsprechende Entschädigungen nach Art und Höhe jedoch so zu bemessen sind, dass kein Anreiz für eine bevorzugte Verschreibung und Empfehlung bestimmter Arzneimittel entsteht, und welche Schlussfolgerungen zieht sie aus ihrer Bewertung?
c) Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob sich die gezahlten Entschädigungen für Ärztinnen und Ärzte – wie in den "Empfehlungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte und des Paul-Ehrlich-Instituts zur Planung, Durchführung und Ausführung von Anwendungsbeobachtungen" festgehalten – an der ärztlichen Gebührenordnung orientieren? Falls ja, um welche Erkenntnisse handelt es sich, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus? Falls nein, will die Bundesregierung entsprechende Erkenntnisse generieren?
Die Fragen 20a bis 20c werden gemeinsam beantwortet: Um die Qualität solcher Untersuchungen zu verbessern, aber auch um Missbrauch zu Marketingzwecken entgegen zu wirken, sind im Arzneimittelgesetz (AMG) verbindliche Vorgaben getroffen und Informationspflichten begründet worden. So hat der pharmazeutische Unternehmer gemäß § 67 Absatz 6 AMG Anwendungsbeobachtungen den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, dem GKV-Spitzenverband sowie der zuständigen Bundesoberbehörde unter Angabe von Ort, Zeit, Ziel und Beobachtungsplan anzugeben sowie gegenüber der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband die beteiligten Ärzte namentlich zu benennen. Entschädigungen, die an Ärzte für ihre Beteiligung an Anwendungsbeobachtungen geleistet werden, sind nach ihrer Art und Höhe so zu bemessen, dass kein Anreiz für eine bevorzugte Verschreibung oder Empfehlung bestimmter Arzneimittel entsteht. Sofern beteiligte Ärzte Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen, sind bei den Anzeigen gegenüber der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband auch die Art und die Höhe der an sie geleisteten Entschädigungen anzugeben sowie jeweils eine Ausfertigung der mit ihnen geschlossenen Verträge zu übermitteln. Darüber hinaus haben die Bundesoberbehörden (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Paul-Ehrlich-Institut) Empfehlungen, zuletzt im Jahre 2010, veröffentlicht, aus denen Einzelheiten zur ordnungsgemäßen Planung, Durchführung und Auswertung von Anwendungsbeobachtungen hervorgehen. Die Unterrichtungspflicht nach dem AMG gibt den betroffenen Stellen die Gelegenheit, einem vermuteten Missbrauch nachzugehen. Da die Unterrichtungspflicht über Aufwandsentschädigungen gegenüber der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband festgelegt ist, liegen der Bundesregierung keine Kenntnisse über die Höhe von gezahlten Aufwandsentschädigungen vor. - Können Ärztinnen und Ärzte nach Auffassung der Bundesregierung gemäß § 299 des Strafgesetzbuchs wegenBestechlichkeit strafrechtlich belangt werden? Falls ja, welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus? Falls nein, warum nicht?
Ob § 299 StGB auch Ärzte erfasst, die als Vertragsärzte für die gesetzlichen Krankenkassen tätig werden – nur für diese kommt eine Strafbarkeit nach § 299 StGB überhaupt in Betracht –, ist umstritten und unter anderem Gegenstand eines anhängigen Verfahrens, in dem in erster Instanz eine Entscheidung vom Landgericht Hamburg ergangen ist, die noch nicht rechtskräftig ist. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist in Kürze zu erwarten. - Sieht die Bundesregierung in der Arbeit von Unternehmensgruppen wie der Unternehmensgruppe Michael Reeder Rehabilitation, die für Facharztpraxen beispielsweise die Führung, Steuerung und Abrechnung von Heilmitteln übernimmt, eine Einschränkung der freien Therapeutenwahl und des Wettbewerbes der Leistungserbringer, insbesondere in den Regionen, in denen sich der überwiegende Teil der Ärztinnen und Ärzte (zum Beispiel Orthopäden) einer solchen Unternehmensgruppe angeschlossen hat und derWettbewerb – beispielsweise unter Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten – damit nicht mehr gewährleistet ist? Falls ja, welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus?
Das ärztliche Berufsrecht verbietet es Ärztinnen und Ärzten, von Patientinnen und Patienten oder Anderen Geschenke oder andere Vorteile für sich oder Dritte zu fordern, sich oder Dritten versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird. Es ist ihnen danach auch nicht gestattet, für die Zuweisung von Patientinnen und Patienten ein Entgelt oder andere Vorteile sich versprechenoder gewährenzu lassenoder selbst zu versprechenoder zu gewähren. Derartige Praktiken beeinträchtigen die Rechte der Versicherten und einen fairenWettbewerb der Leistungserbringer und gehen letztlich zu Lasten der Solidargemeinschaft. Die Bundesregierung prüft, ob eine Erweiterung bestehender Regelungen geboten ist, um entsprechenden Fehlentwicklungen in der Heilmittelversorgung entgegenzuwirken.
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- Weiterführende Links
- www.bundestag.de