Krankenhaus-Report 2014 "Patientensicherheit": Während eines stationären Aufenthalts besteht immer auch das Risiko, dass sich der Gesundheitszustand der Patienten im Rahmen der Behandlung verschlechtert. Spektakuläre Ursachen, beispielsweise eklatante Behandlungsfehler oder schadhafte Medizinprodukte, erregen immer wieder mediales Aufsehen. Neben zahlreichen vermeidbaren Todesfällen geht es auch um die vielen unterschwelligen und alltäglichen Gefahren für die Patientensicherheit, die mit einem Krankenhausaufenthalt verbunden sind. [Klauber/Geraedts/Friedrich/Wasem (Hrsg.): Krankenhaus-Report 2014; Schwerpunkt: Patientensicherheit. Schattauer-Verlag (Stuttgart); 504 Seiten; 83 Abb.; 64 Tab., kart.; mit Online-Zugang; 54,99 ¤ (D) / 56,60 ¤ (A)] (Foto: AOK)

Freitag, 24. Januar 2014

Krankenhaus-Report 2014: "Rund 19.000 Todesfälle durch Fehlleistungen jährlich"

Von: AOK Bundesverband / Pressemitteilung

Wie gut das Ergebnis einer Krankenhausbehandlung ist, hängt eng damit zusammen, wie häufig der Eingriff durchgeführt wird. Das zeigt der Krankenhaus-Report 2014 am Beispiel von planbaren Hüftgelenk-Operationen. Das Fünftel der Krankenhäuser mit den wenigsten Eingriffen weist im Vergleich zum Fünftel mit den meisten Behandlungen eine um 37 Prozent höhere Rate an Wiederholungsoperationen auf. "Vieles spricht dafür, dass mit steigender Erfahrung und Routine bessere Ergebnisse erzielt werden", sagte Jürgen Klauber, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) und Mitherausgeber des Krankenhaus-Reports. Das belegt auch eine aktuelle Auswertung von AOK-Daten zur Versorgung von Frühchen mit weniger als 1.250 Gramm Geburtsgewicht: Danach liegt die Wahrscheinlichkeit, dass diese Babys sterben, bei Kliniken mit weniger als 15 Fällen pro Jahr um 87 Prozent höher als bei Kliniken, die mehr als 45 Frühchen pro Jahr versorgen.

"Viele Krankenhäuser versuchen, sich zu 'kleinen Universitätskliniken' zu entwickeln, die alles anbieten", so Uwe Deh, Geschäftsführender Vorstand des AOK-Bundesverbandes. "Für eine hochwertige medizinische Versorgung ist jedoch Spezialisierung das Gebot der Stunde." Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Gründung eines Qualitätsinstituts sei ein Schritt in die richtige Richtung. Wer tatsächlich Versorgungsprobleme beseitigen wolle, müsse aber einen Schritt weiter gehen und die Krankenhauslandschaft modernisieren. Der Koalitionsvertrag mit seiner Qualitätsoffensive biete hierfür eine gute Orientierung.

"Wir brauchen in erster Linie eine intelligentere Krankenhausplanung, die sich am Bedarf der Patienten orientiert. Die Investitionsentscheidungen der Länder und damit die Kapazitäten der Kliniken müssen stärker an die Qualität des einzelnen Hauses und an den tatsächlichen Bedarf in einer Region gekoppelt werden", so Deh. Die Länder und Kommunen dürften jedoch mit der anspruchsvollen Aufgabe einer Strukturreform nicht alleine gelassen werden. Schließlich seien jetzt schon Investitionen für die vorhandenen Krankenhäuser vielerorts kaum möglich. Während die GKV-Ausgaben für Krankenhausbehandlungen von 2002 bis 2012 um 35 Prozent auf knapp 62 Milliarden Euro gestiegen sind, sind die Investitionen der Länder für die Krankenhäuser um 19 Prozent auf 2,62 Milliarden Euro gesunken. "Ein Strukturfonds, wie in den Koalitionsverhandlungen angedacht, mit dem die Krankenhauslandschaft vor Ort umsichtig und schrittweise umgebaut werden kann, ist auf jeden Fall hilfreich", so das Fazit von Uwe Deh.

Auch auf der Ebene des einzelnen Krankenhauses gibt es zahlreiche Ansätze, um die Patientensicherheit zu erhöhen, wie der Krankenhaus-Report 2014 zeigt. Beispiele hierfür sind elektronische Verschreibungssysteme oder gute Hygienemaßnahmen. Register tragen bei der Einführung neuer Medizinprodukte oder neuer Behandlungsverfahren zur Patientensicherheit bei.

"Wichtig, aber häufig vernachlässigt wird vor allem der Einfluss einer entsprechenden Fehlerkultur im Krankenhaus auf die Patientensicherheit. Die Mitarbeiter müssen noch stärker für das Thema sensibilisiert und die bereits eingeführten Fehlerberichtssysteme besser genutzt werden, um aus eigenen Fehlern und den Fehlern anderer Krankenhäuser zu lernen", so Prof. Dr. Max Geraedts von der Universität Witten/Herdecke und ebenfalls Mitherausgeber des Krankenhaus-Reports.

Die Fakten weisen darauf hin, dass es Verbesserungspotenziale gibt: Bei etwa fünf bis zehn Prozent aller Krankenhausbehandlungen findet ein unerwünschtes Ereignis wie eine allergische Reaktion auf ein Medikament statt. Knapp die Hälfte dieser unerwünschten Ereignisse gilt als vermeidbar. Tatsächliche Fehler kommen mit einer Häufigkeit von rund einem Prozent aller Krankenhausfälle und tödliche Fehler mit einer Häufigkeit von rund einem Promille vor. Das sind derzeit pro Jahr rund 19.000 Todesfälle.

Schwerpunktthemen des Krankehaus-Report 2014

  • Erscheinungsformen und Ausmaß der Risiken im Krankenhaus
  • Mögliche Gefährdungen durch Fehlanreize des Vergütungssystems
  • Die aktuelle rechtliche Lage im Kielwasser des Patientenrechtegesetzes und die Durchsetzbarkeit rechtlicher Ansprüchedie Patientengefährdung durch mangelhafte Hygiene, falsche Medikamentengabe oder schadhafte Medizinprodukte Erfordernisse einer Sicherheitskultur sowie Berichtssysteme und Trainings als Ansatzpunkt zur Qualitätsverbesserung
  • Der Beitrag der externen Qualitätssicherung und von Registern zur Patientensicherheit

Weitere Themen und Analysen

  • Effekte der Krankenhausprivatisierung
  • Der Zusammenhang von Behandlungshäufigkeit und -qualität am Beispiel der Hüftendoprothesen

(Pressemitteilung des AOK-Bundesverbandes und des Wissenschaftlichen Instituts der AOK vom 21.01.14)

Lesen Sie auch dazu die Stellungnahme der Bundesärztekammer unter dem Titel: Montgomery: "Wir lernen aus Fehlern"

"Fehler passieren, auch in der Medizin. Wir kehren diese Fehler aber nicht unter den Tisch, sondern wir lernen aus ihnen und wir setzen uns dafür ein, dass den betroffenen Patienten schnellstmöglich geholfen wird. Man muss die Zahl der festgestellten schwerwiegenden Behandlungsfehler aber im Verhältnis zur Gesamtzahl der rund 18 Millionen Behandlungsfälle in den Krankenhäusern und mehr als 540 Millionen allein im vertragsärztlichen Bereich sehen. Jeder Fehler ist ein Fehler zu viel, und dennoch müssen wir sehen, dass sich die Zahl dieser Behandlungsfehler im Verhältnis zur Gesamtzahl aller Behandlungsfälle im Promillebereich bewegt. Zu beachten ist auch, dass der Verdacht auf einen Behandlungsfehler noch kein Behandlungsfehler ist. Wirklich schlimm ist es, wenn der Behandlungsfehler mit Pfusch gleichgesetzt wird. Pfusch ist vorsätzlich, aber Ärzte schädigen Patienten nicht vorsätzlich. Wir wollen auch nicht vertuschen, ganz im Gegenteil. Wir setzen uns für Transparenz ein.

Ob es der AOK allerdings wirklich um die Sache geht, darf bezweifelt werden. Vielmehr handelt es sich wohl um das durchsichtige politische Manöver, das Thema mit Negativschlagzeilen zu besetzen. Statt der üblichen Vorwurfspolitik hätten wir gerne von den AOK-Verantwortlichen gehört, was ihr Bundesverband ernsthaft unternimmt, um die Probleme zu mildern. Die deutsche Ärzteschaft ist das Problem frühzeitig und offensiv angegangen. Auf vielen Ärztetagen haben wir uns intensiv mit der Patientensicherheit auseinandergesetzt. Wir waren Initiatoren und sind Protagonisten dieses Themas. Es wäre deshalb sehr bedauerlich, wenn die AOK das Thema Patientensicherheit erneut missbraucht, um dem Thema "Pay for Performance" eine kassenseitige Wendung zu geben.

Im Übrigen sei auf die gute und seit Jahren akzeptierte Arbeit der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern hingewiesen. Wie aus der Behandlungsfehlerstatistik der Bundesärztekammer hervorgeht, haben die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern im Jahr 2012 insgesamt 7.578 Anträge zu mutmaßlichen Behandlungsfehlern bearbeitet. Dabei lag in 2.280 Fällen ein Behandlungsfehler vor. In den Krankenhäusern sank die Zahl der nachgewiesenen Fehler bei Kniegelenkarthrose (65 Fälle) und Unterarmfrakturen (55 Fälle) leicht ab." (Quelle: Bundesärztekammer)

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