Die Systematik des Gesund- heitsfonds (Grafik: Bundesversicherungsamt)

Freitag, 12. März 2010

Die Bundesregierung erklärt den Reformbedarf beim Gesundheitsfonds

Von: REGIERUNGonline / Pressemitteilung

Die Bundesregierung plant den Einstieg in eine gerechtere, transparentere Finanzierung der Gesundheitskosten. Die aktuelle Situation ist gekennzeichnet durch ein prognosti- ziertes Defizit, bedingt durch krisenbedingte Beitragsausfälle sowie durch systembedingte Ausgabensteigerungen: Fehl- entwicklungen im Gesundheitssystem sowie Innovations- mehrkosten als auch demografische Gründe fallen hier zu- sammen. Die eingesetzte Regierungskommission wird sich hiermit im Einzelnen befassen.
 
2009: Start des Gesundheitsfonds
 
Der Gesundheitsfonds ist ein vom Bundesversicherungsamt verwaltetes Sondervermögen. In ihm werden seit 2009 die zur Finanzierung der GKV vorgesehenen Mittel gesammelt. Die Krankenkassen ziehen weiterhin die Beiträge ein. Der Gesundheitsfonds speist sich aus drei Einnahmequellen:

  • Den Versichertenbeiträgen (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil)
  • Beiträgen von Direktzahlern wie Studenten oder freiwillig gesetzlich Versicherten beziehungsweise den Beiträgen der Deutschen Rentenversicherung Bund
  • Steuerzuschüsse des Bundes.

Gesundheitsfonds krisenbedingt unterfinanziert
 
Für 2010 hat der Schätzerkreis die Einnahmen des Gesundheitsfonds auf 167,2 Milliarden Euro berechnet. Dem stehen voraussichtlich Ausgaben in Höhe von 174,2 Milliarden Euro gegenüber. Um Einnahmeausfälle des Gesundheitsfonds durch die Wirtschaftskrise auszugleichen, schießt die Bundesregierung zusätzliche 3,9 Milliarden Euro aus Bundesmitteln zu. Die zu erwartende Unterdeckung müssen die Krankenkassen durch Kostensenkungen oder mittels Rücklagen ausgleichen. Ist dies nicht möglich, können die Kassen von ihren Versicherten Zusatzbeiträge erheben. Alle gesetzlichen Krankenkassen erhalten aus dem Gesundheitsfonds Zuweisungen zur Finanzierung ihrer Ausgaben.
 
Fehlender Wettbewerb im Gesundheitswesen
 
Bis 1995 wurden Versicherte den einzelnen Krankenkassen gesetzlich zugewiesen. Lediglich Angehörige bestimmter Berufsgruppen hatten begrenzte Wahlrechte. Einen Wettbewerb zwischen den Krankenkassen, wie wir ihn heute kennen, gab es nicht. Am Solidarprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) – einkommensabhängige Beiträge, unabhängig vom individuellen Krankheitsrisiko, beitragsfreie Mitversicherung  von Familienangehörigen ohne eigenes Einkommen – änderte sich jedoch nichts. Die Einnahmen der einzelnen Krankenkassen hingen stark von der Zusammensetzung ihrer Mitglieder ab: Krankenkassen mit überwiegend jungen und gesunden Mitgliedern hatten finanzielle Vorteile.
 
Problem: Ausgleich krankheitsbedingter Risiken
 
Schon damals existierte ein "Risikostrukturausgleich" zwischen den Krankenkassen. Unterschiede in den Risikostrukturen der Krankenkassen wurden dabei ausgeglichen. Während sich die beitragspflichtigen Einnahmen und die Anzahl der Familienversicherten leicht feststellen ließen, gestaltete sich die Einstufung in "krank" oder "gesund" komplexer. Bis Ende 2008 wurde vor allem auf das Alter abgestellt, da Ältere im Durchschnitt kränker sind. Aber das stimmt nicht immer: Es gibt schwerkranke junge Menschen und gesunde Ältere. Insbesondere chronisch kranke Versicherte fielen so durch das Raster. Daher wurde ab 2009 der "morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich" – kurz Morbi-RSA -  eingeführt.  Ziel: Eine Konzentration kranker, insbesondere chronisch kranker Versicherter bei einer bestimmten Krankenkasse darf für diese nicht zwangsläufig zu gravierenden Wettbewerbsnachteilen führen.
 
Prinzip: Grundpauschale mit Zu- und Abschlägen
 
Der neue Risikostrukturausgleich besteht aus drei Säulen: den Zu- und Abschlägen für Alter und Geschlecht, den Zuschlägen bei Erwerbsminderung und den Krankheitszuschlägen. Zunächst erhält jede Krankenkasse für jeden Versicherten eine Grundpauschale in Höhe der durchschnittlichen Pro-Kopf-Ausgaben in der GKV. Diese Grundpauschale wird anschließend durch ein System von Zu- und Abschlägen angepasst: Neben den bisherigen Merkmalen Alter, Geschlecht und Bezug einer Erwerbsminderungsrente wird nun auch die anhand von 80 ausgewählten Krankheiten gemessene Krankheitslast der Krankenkassen berücksichtigt. Der Gesundheitszustand der Versicherten wird dabei auf der Grundlage von Diagnosen und Arzneimittelverordnungen/-wirkstoffen erfasst. Durch die Zu- und Abschläge nach Alter und Geschlecht wird die Zahlung auf den Betrag angepasst, den ein ansonsten gesunder – das heißt ein an keiner der 80 Krankheiten leidender − Versicherter gleichen Alters und Geschlechts durchschnittlich benötigt. Außer bei Neugeborenen und sehr alten Menschen wird dieser Betrag unterhalb der Grundpauschale liegen. Für die 80 ausgewählten Krankheiten erhalten die Kassen so genannte Morbiditätszuschläge: Und zwar in Höhe der durchschnittlichen Mehrausgaben der jeweiligen Erkrankungen.
 
Krankheitsabhängigen Risikostrukturausgleich fortentwickeln
 
Die Beschränkung auf 80 Krankheiten war eine gesetzliche Vorgabe und sollte einen schrittweisen Einstieg in den Morbi-RSA ermöglichen. Für die Krankenkassen nicht planbare Sprünge in der Finanzausstattung vom alten Risikostrukturausgleich ohne direkten Krankheitsbezug zum neuen Verfahren sollen so vermieden werden. Die ausgewählten Krankheiten sind entweder kostenintensive chronische Krankheiten oder Krankheiten mit schwerwiegendem Verlauf, die überdurchschnittliche Kosten verursachen. Sie wurden vom Bundesversicherungsamt auf der Grundlage eines wissenschaftlichen Gutachtens und einer Anhörung der Spitzenverbände der Krankenkassen festgelegt.
 
Trotz zielgenauerer Zuweisung der Finanzmittel zeigt das aktuelle System jedoch Schwächen. Diese werden in der Regierungskommission genauer betrachtet und nach Möglichkeit abgestellt. Ziel muss sein, Fehlentwicklungen entgegenzuwirken, Manipulationsmöglichkeiten beim Morbi-Risikostrukturausgleich auszuschließen und das Ausgleichssystem unbürokratischer auszugestalten.

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