"Wir machen die Arzneimitteltherapie für Patienten sicherer, indem wir Probleme identifizieren, kommunizieren und lösen - und das geht nur interdisziplinär."

Gabriele Regina Overwiening

Arzneimitteltherapiesicherheit

Gleiches Recht für alle?

Im Gespräch mit Carenoble ist Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe und Mitglied des Geschäftsführenden Vorstandes der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ABDA

Ärzte und Apotheker müssen künftig besser kommunizieren und enger zusammenarbeiten, findet Gabriele Regina Overwiening. Die Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen Lippe berichtet im Interview über die Folgen eines Gerichtsurteils und die Auswirkungen auf den Berufsstand des Apothekers.

Im August 2013 befand das Oberlandesgericht in Köln neben dem Arzt auch den Apotheker als für die Folgeschäden einer Fehlmedikation gesamtschuldnerisch haftbar. Der Arzt hatte einem vorerkrankten Säugling ein herzstärkendes Medikament in erheblicher Überdosierung verordnet. Der Apotheker händigte das Arzneimittel aus, das Kind erlitt durch die Einnahme schwere Folgeschäden. Wir sprachen mit Gabriele Regina Overwiening über das richtungsweisende Urteil.

 

Was bedeutet das Urteil für die Berufsgruppe, der Sie voranstehen?

Gabriele Regina Overwiening: Apotheker und Ärzte müssen noch viel stärker zusammenarbeiten, wobei Apothekerinnen und Apotheker künftig ihre Arbeit mehr noch als bisher auf die Patienten- und Arzneimitteltherapie richten werden. Entsprechend wird zu ihren unverzichtbaren Aufgaben eine noch größere Beratungs- und Betreuungsleistung gehören, die gemeinsam erbracht werden muss. Wir haben einen anderen professionellen Blickwinkel, andere Kenntnisse und Herangehensweisen als Ärzte. Wir machen die Arzneimitteltherapie für Patienten sicherer, indem wir Probleme identifizieren, kommunizieren und lösen – und das geht nur interdisziplinär. Vier Augen sehen mehr als zwei und können zu einer größeren Sicherheit in der Arzneimitteltherapie beitragen. Dazu sind wir ausgebildet und bereit.

 

Juristisch bemerkenswert ist, dass zur Ahndung die Logik des neuen Patientenrechtegesetzes auch auf Apotheker angewendet wird, für die es gar nicht vorgesehen ist.

Ja, der Gesetzestext ist beschränkt auf medizinische Behandlungen, die ein Apotheker gar nicht erbringen kann. Dennoch heben die Richter auch die Verantwortung und Prüfpflicht des Apothekers hervor, gerade im Hinblick auf Richtigkeit und Sinnhaftigkeit verordneter Arzneimittel. Hier sind wir Apothekerinnen und Apotheker mehr denn je in der Pflicht und wollen das auch leisten. Eine enge Zusammenarbeit mit dem verschreibenden Arzt ist dafür definitiv eine Grundvoraussetzung.

 

Und damit liegt die Beweislast genauso beim Apotheker?

Genau – gleiches Recht für alle. Ich muss demnach als Apothekerin im Zweifelsfalle beweisen, dass ein erlittener Schaden nicht durch eine Fehlmedikation verursacht wurde.

 

Sie arbeiten seit langem für die Weiterentwicklung und Fundierung von pharmazeutischer Beratungskompetenz. Dabei soll die Qualifizierung „AMTS- Apotheker/in“ (Arzneimitteltherapiesicherheit) eine wirksame Grundlage sein. Kann das im Apothekenalltag überhaupt geleistet werden?

Ein eindeutiges Ja! Wir gehen davon aus, dass die Anzahl multimorbider Menschen künftig steigt. Bei diesen Patientenkreisen mit ihren individuellen Krankheitsbildern müssen komplexe Mehr- und Vielfachverordnungen überschaut werden. Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe beteiligt sich daher an verschiedenen Projekten zu diesem Thema und hat mit der Qualifizierung von „AMTS-Apotheken und AMTS-Managern“ in enger  Zusammenarbeit mit der Universität Münster sehr gute Erfahrungen gemacht. Viele Kolleginnen und Kollegen sind motiviert, die Sicherstellung der Arzneimitteltherapie als wichtige Aufgabe wahrzunehmen.

 

Wie werden sich Arztpraxis und Apotheke ergänzen?

Die Landesgesundheitskonferenz hat im Jahr 2012 die Arzneimitteltherapiesicherheit als elementaren Baustein der gesundheitlichen Versorgung in Nordrhein-Westfalen hervorgehoben. In den Apotheken läuft pharmazeutisches und pharmakotherapeutisches Wissen zusammen: Patienten konsultieren meist verschiedene Ärzte, die wiederum untereinander nicht zwingend wissen, welche Medikamente die anderen verschrieben haben – das birgt die Gefahr von Doppelverordnungen oder Verordnungen, die sich nicht vertragen. Ärzte, Apotheker und Patienten müssen gut miteinander kommunizieren, um künftig solche Fehler und damit gesundheitliche Folgeschäden zu vermeiden. Wir können das leisten und möchten diesen Weg für eine verbesserte Versorgung gerne gehen.