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Donnerstag, 05. Oktober 2006

Ulla Schmidt: "Es ist wirklich eine große Reform"

Von: Interview mit dem InfoRadio

Das "InfoRadio rbb" berichtet: Eine Nacht der Verhandlungen liegt hinter Angela Merkel und den Spitzenvertretern der Großen Koalition. Schließlich wirkte die Bundeskanzlerin zufrieden und sagte den wartenden Journalisten: "Wir haben uns geeinigt auf eine weitreichende Gesundheitsreform, die Deutschlands Gesundheitssystem umgestalten wird." Mit dabei im Kanzleramt war die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt von der SPD. Sie sprach mit Alexander Krahe. Die Bundesgesundheitsministerin hat sich zufrieden über den Kompromiss zur Gesundheitsreform gezeigt.

"Es ist wirklich eine große Reform", sagte Schmidt am Donnerstag im Inforadio. "Es sind sehr weit reichende Strukturmaßnahmen, die eben die Qualität der Versorgung verbessern sollen, die auch Leistungen, da wo es notwendig ist, ausweiten, die eben ansetzt, dass gespart wird, ohne dass die Versicherten höhere Zuzahlungen leisten müssen. Aber es geht auch um die Transparenz in den Finanzströmen, damit für den Einzelnen auch überschaubarer wird, wie gut die Kasse wirtschaftet oder nicht."

Schmidt verteidigte zugleich die Verschiebung des Gesundheitsfonds auf den 1. Januar 2009. "Es ist zum 1.1.2009, weil dann auch der neue Risikostrukturausgleich, der sich an den Krankheitsrisiken orientiert, in Kraft treten kann, weil dann auch eine neue Vergütung der Ärzte mit gestartet wird, aber weil wir vor allen Dingen den Kassen auch ausreichend Zeit geben wollen (...) sich vorzubereiten, sich zu entschulden, um gut in diesen Fonds zu starten, damit dann wirklich auch ein sehr klarer, transparenter Wettbewerb entstehen kann."Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt im Interview mit dem InfoRadio zur politischen Einigung bei der Gesundheits- reform:

Lesen Sie das Interview im Wortlaut:

InfoRadio:
Sind Sie stolz auf diese Reform oder eher erleichtert, dass Sie einen Kompromiss gefunden haben?

Ulla Schmidt: Wir sind natürlich froh, dass es zu einer Einigung gekommen ist, denn ich glaube, die Diskussion war jetzt auch kaum für die Bevölkerung noch nachvollziehbar. Aber es ist wirklich eine große Reform. Es sind sehr weitgehende Strukturmaßnahmen, die die Qualität der Versorgung verbessern sollen, die auch Leistungen, da wo es notwendig ist ausweitet, die ansetzt, dass gespart wird, ohne dass die Versicherten höhere Zuzahlungen leisten müssen. Aber es geht auch um die Transparenz in den Finanzströmen, damit für den Einzelnen überschaubarer wird, wie gut die Kasse wirtschaftet oder nicht.

InfoRadio: Aber die Idee, das Konzept des Gesundheitsfonds, gibt es jetzt erst ab dem Jahr 2009. Das haben Sie vereinbart. Warum verschieben Sie die Reform, warum schieben Sie das hinaus?

Ulla Schmidt: Es ist zum 1.1.2009, weil dann auch der neue Risikostrukturausgleich, der sich an den Krankheitsrisiken orientiert, in Kraft treten kann, weil dann auch eine neue Vergütung der Ärzte mit gestartet wird. Aber weil wir vor allen Dingen auch den Kassen ausreichend Zeit geben wollen, nachdem die Reform erst zum 1.4.2007 in Kraft treten kann, sich vorzubereiten, sich zu entschulden, und im Grunde genommen gut gerüstet in die Fonds zu starten, damit dann wirklich ein sehr klarer und transparenter Wettbewerb entstehen kann.

InfoRadio: Aber was heißt das für gesetzlich krankenversicherte Menschen? Heißt das nicht, für sie steigen jetzt erst einmal die Beiträge zum ersten Januar und zwei Jahre passiert wenig?

Ulla Schmidt: Wir haben im kommenden Jahr Probleme, das haben wir immer gesagt, weil wir auf der einen Seite immer noch ein Auseinandergehen zwischen Einnahmen und Ausgaben haben. Die Kassen müssen sich entschulden, das heißt, die Kassen die noch Altschulden haben. Da wird es in den Kassen auch vorübergehend Beitragssatzanhebungen geben, um die Altschulden auch abzubauen. Ansonsten müssen sich die Kassen neu darauf einrichten, dass sie durch besseres wirtschaftliches Handeln - auch durch Entbürokratisierung der ganzen Abläufe - dafür sorgen, dass das Geld der Versicherten zielgenauer da hingeht, wo es für die Versorgung kranker Menschen notwendig ist. Und dazu gibt dieses Gesetz dann eine Reihe, ein ganzes Bündel von neuen Möglichkeiten, auch von Preisverhandlungen, Ausschreibungen, Rabattverhandlungen, Tarife die angeboten werden, so dass Kassen insgesamt die Chance haben, wirtschaftlicher zu sein als heute, und damit auch Beitragssatzanhebungen für die Versicherten zu vermeiden.

InfoRadio: Sie haben jetzt auch die Ein-Prozent-Klausel verabredet, die ab dem Jahr 2009 gilt, damit einzelne Haushalte nicht übermäßig mit Krankenversicherungs- beiträgen belastet werden. Ist es nicht andererseits so, dass kein Mensch weiß, wie hoch die finanzielle Belastung der Menschen sein wird. Also zunächst mal steigen ab 1.Januar die Krankenversicherungsbeiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung und was dann 2009 sein wird, dass wissen auch Sie nicht?

Ulla Schmidt: Nein, es ist nicht so, dass alle Krankenkassen zum 1.1.2009 die Beiträge anheben müssen. Es gibt Krankenkassen, die haben mehr Probleme als andere. Aber worum geht es eigentlich und warum machen wir die Reform? Dass wir unter sehr schwierigeren Bedingungen auch in einer älter werdenden Gesellschaft allen Menschen garantieren, dass sie eine gute medizinische Versorgung auf der Höhe des medizinischen Fortschritts erhalten. Und das kann auf Dauer nicht so laufen, dass das, was der Einzelne für Gesundheit aufbringt weniger wird, denn wir werden alle älter, und mit zunehmendem Alter hat man auch mehr Behandlungsbedarf.

InfoRadio: Sie konnten gerade im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung eine Menge durchsetzen. So sagen viele, Ulla Schmidt die Gesundheitsministerin ist eine Gewinnerin dieser ganzen harten Auseinandersetzung. Empfinden Sie das so?

Ulla Schmidt: Ach ich weiß nicht, ob wir da Gewinner oder Verlierer haben. Jeder hat in diesen Verhandlungen auch ein Stück von dem geben müssen, was besonders wichtig war. Ich hätte immer gerne gehabt, dass alle sich an der Finanzierung zu gleichen Bedingungen beteiligen. Das war jetzt nicht möglich. Aber wir haben auch Dinge durchsetzen können, die mir z.B. wichtig sind: Dass niemand mehr in diesem Land ohne Versicherungsschutz bleiben soll, dass nicht nur die gesetzlichen, sondern auch die privaten Versicherungen verpflichtet werden, jedem der sich auch originär privat versichern könnte, einen Basistarif ohne Überprüfung der Krankheitsrisiken anzubieten und zu bezahlbaren Preisen. Das halte ich für eine ganz wichtige Errungenschaft, die wir jetzt haben, auch angesichts dessen, dass immer mehr Menschen in unserem Land ohne Versicherungsschutz sind. Und es gibt viele andere Dinge darin, die mir wichtig sind: Krankenhäuser öffnen für ambulante Versorgung, für ältere Menschen Rehabilitationsangebote bereithalten, Schwerstkranke besser zu versorgen.

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