Trotz aller Reformversuche steigen die Ausgaben für Arzneimittel
Der Spiegel berichtet: Mit dem Thema Kostendämpfung hat Ulla Schmidt, seit sechs Jahren in drei Berliner Regierungen für die Gesundheit zuständig, inzwischen viel Erfahrung. Besonders die Ausgabenflut der Gesetzlichen Kranken- versicherungen für Medikamente versuchte sie in mehreren Anläufen zu bremsen.
Das depremierende Ergebnis nach diversen Maßnahmen: Die Mediziner fühlen sich unterbezahlt, die Ärzte an den Uni-Kliniken streiken seit zwei Monaten. Gleichzeitig verdient die Pharmaindustrie prächtig. 2005 gaben die Kassen 25,4 Mrd. EUR für Medikamente aus - 3,6 Mrd. EUR mehr als ein Jahr zuvor.
Jetzt, in der dritten Legislaturperiode, hat die Ministerin ihren letzten Versuch gestartet. Seit dem 1. Mai ist das Arznei- mittel-Versorgungs-Wirtschaftlichkeits-Gesetz (AVWG) in Kraft, mit dessen Hilfe die Kassen 1,3 Mrd. EUR pro Jahr einsparen sollen.
In ihrem neuen Gesetz sind Naturalrabatte an Apotheken verboten. Damit ein Teil der eingesparten Kosten der Hersteller jetzt wirklich den Kassen zugute kommt, sind alle Generika, deren Preis nicht mindestens 30% unter dem üblichen liegt, mit einem zehnprozentigen Zwangsrabatt zugunsten der GKV belegt.
Schon wieder eine gute Idee - die allerdingst schlimme Folgen haben wird: Sie wird vielen Mitbewerbern der drei großen Generikafirmen Hexal, Ratiopharm und Stada den Garaus machen. Die Großen waren es, die für Hunderte Millionen EUR Rabattware an die Apotheken abgegeben haben. Der neue Zwangsabschlag tut ihnen nicht weh - umso mehr aber ihren kleinen Konkurrenten, die schon bei der Rabattschlacht zuvor nicht mithalten konnten.
Wie sehr eine weitere Konzentration das Sparziel der Ministerin gefährdet, zeigt die Preispolitik der drei Großen. Ratiopharm, Hexal und Stada meldeten zum 1. April 2006 für den Wirkstoff Tamsulosin exakt denselben Preis: 29,99 EUR für 50 Stück. Und für Omeprazol verlangen die Großen zum 15. März für 100 Stück 99,95 EUR.
Selbst für das verbotene Schmieren der Apotheker mit Gratisschachteln haben die findigen Arzneimittelanbieter Ersatz gefunden. Die großen der Branche nehmen jetzt die Krankenhäuser ins Visier. Ihr Kalkül: Wem dort die Nachtsschwester ein bestimmtes Medikament von einem bestimmten Hersteller bringt, der wird ein treuer Kunde. "Gültig bis 12. März 2006" etwa bietet Hexal den Kranken- häusern Wirkstoffe wie Captopril für den symbolischen Preis von einem Cent pro Pille an.
Mit diesen Dumpingpreisen allerdings können die großen Generikahersteller Probleme bekommen. Solche Rabatte verstießen, so ließ Ulla Schmidt vorigen Dienstag die Krankenhaus-Apotheker vorsichtshalber warnen, gegen das Wettbewerbsrecht.