Stiftung Warentest legt Apothekentestbericht vor: "Selten gut beraten"
Der Berufsstand des Apothekers genießt großes Vertrauen. Der Test von 27 Vor-Ort- und 23 Versandapotheken zeigt aber: Kunden werden dort keineswegs immer kompetent beraten. Oft informierten die Apotheken nicht über Wechsel- wirkungen zwischen Medikamenten – trotz einfacher Pro- blemstellung. Auch Pflichtaufgaben wie das Erstellen einer Rezeptur erfüllten sie nicht immer.
Elf von 50 Apotheken sind "mangelhaft"
Beim Test von insgesamt 50 Apotheken erhielten drei Vor-Ort-Apotheken als test-Qualitätsurteil ein "mangelhaft", ebenso acht Versender. Keine einzige der 23 getesteten Versandapotheken schaffte ein gutes test-Qualitätsurteil, gerade mal vier erreichten ein "befriedigend". Die Ergebnisse der Vor-Ort-Apotheken waren etwas besser: Sieben erhielten ein "gut". Die Vor-Ort-Apotheken schnitten insgesamt besser ab als beim letzten Test, die Versandapotheken dagegen viel schlechter.
Versender bestenfalls "befriedigend"
Testsieger im großen Vergleichstest ist die Apotheke am Westbahnhof in Essen, die der Kooperation "meine apotheke" angehört, knapp gefolgt von Apotheke Sebalder Höfe ("Linda") in Nürnberg. Fünf weitere Vor-Ort-Apotheken schneiden "gut" ab, darunter eine Nürnberger und vier Berliner. Die Versender mycare, mediherz, Parcelmed und shop-apotheke liegen beim test-Qualitätsurteil mit "befriedigend" vorn. mycare stand im Jahr 2007 noch "gut" da. Sanicare war damals sogar Testsieger, erhielt jetzt aber ein "mangelhaft": Sanicare erkannte alle drei geprüften Wechselwirkungen zwischen bestimmten Medikamenten nicht.
Konkurrenzdruck wächst
Neben Versandapotheken, darunter drei aus den Niederlanden, untersuchten die Tester Vor-Ort-Apotheken in Berlin, Essen, Nürnberg und Augsburg. Alle gehören Apothekenkooperationen an und machen das für ihre Kunden sichtbar - etwa durch Schilder, Werbeartikel oder ähnliches. Insgesamt neun bundesweit vertretene Apothekenkooperationen waren mit je drei Vor-Ort-Apotheken im Test. Der Test beleuchtet einen Apothekenmarkt in Bewegung: Apothekenkooperationen sollen helfen, im Wettbewerb besser zu bestehen. Mehr als 30 gibt es inzwischen, nicht alle aber treten als Marke auf. Auch Versandapotheken spielen am Markt eine immer größere Rolle. Der Anteil des Versandhandels am Selbstmedikationsmarkt liegt inzwischen bei etwa 10 Prozent.
Beratungstest mit Schwerpunkt Wechselwirkungen
Die Tester prüften Beratung, Service sowie Preisgestaltung und bei Versandapotheken zusätzlich Webseite, Bestell- und Lieferservice sowie allgemeine Geschäftsbedingungen. Die Apotheken mussten in punkto fachlicher Qualität sieben Aufgaben lösen, so zu möglichen Wechselwirkungen zwischen Medikamenten, zu Präparaten für ein fieberndes Kleinkind, zu einem Nahrungsergänzungsmittel und zu Inkontinenzprodukten. Die Stiftung Warentest bewertete die fachliche Richtigkeit und Vollständigkeit der vermittelten Informationen. Zusätzlich ermittelte sie außerhalb der Bewertung die Preise von sieben rezeptfreien Medikamenten.
Fehler trotz konkreter Nachfragen
Überraschend waren vor allem Schwächen bei der Beratung zu Medikamenten und insbesondere zu möglichen Wechselwirkungen. Beispiel: Johanniskraut kann die Wirksamkeit anderer Wirkstoffe mindern. Dazu haben Apotheker und Fachpersonal häufig geschwiegen. In zwei Vor-Ort-Apotheken versagte das Personal bei allen drei Wechselwirkungsmodellen. In elf lösten sie zwei Testfragen komplett nicht. Nur in drei Fällen nannte das Personal alle drei möglichen Wechselwirkungen. Keine Apotheke lieferte eine rundum optimale Information. Bei den Versandapotheken versagten vier bei allen drei Fragen, zehn von 23 Anbietern lösten zwei nicht. Keine Versandapotheke nannte alle drei möglichen Wechselwirkungen. Auch bei weiteren Testfällen gab es Mängel: So interessierte etwa beim Kauf eines fiebersenkenden Mittels für ein dreijähriges Mädchen häufig nicht einmal die Höhe des Fiebers.
Oft kein Platz für diskrete Gespräche
Der Umgang mit Kunden und Patienten war in der Regel freundlich, manchmal fehlte es aber auch an Einfühlungsvermögen – gerade im Zusammenhang mit Inkontinenzberatung und der Präsentation geeigneter Hilfsmittel. Vor-Ort-Apotheken sind für diskrete Gespräche oft nur unzureichend gestaltet. Hinweise zur Einhaltung eines Diskretionsabstands fehlen vielfach. Gelegentlich zeigte sich bei den Versandapotheken ein Selbstverständnis als „Onlineshop“ ohne grundsätzliche Beratungsfunktion und -verpflichtung.
Günstige Preise vermehrt auch "Vor Ort"
Für den Bestell- und Lieferservice erhielten die Versandapotheken im Test dagegen häufig ein „sehr gut“ oder „gut“. Mit nur wenigen Ausnahmen sind sie auch "gut" beim Umgang mit Nutzerdaten. Die Lieferung der Medikamente dauerte im Test oft ein bis drei, maximal acht Tage. Versandapotheken bieten nach wie vor Preisvorteile bei Mitteln zur Selbstmedikation. Versandkosten können die Ersparnis allerdings zunichte machen. Auch Vor-Ort-Apotheken bieten zunehmend günstige Preise. Im Test galt das besonders für easy- und farma-plus-Apotheken.
Apotheken mit Markenauftritt uneinheitlich
Apotheken, die eine einheitliche Marke nutzen und damit bestimmte Leistungsversprechen offerieren, schnitten im Test übrigens meist uneinheitlich ab – ein neues Logo und Konzept allein schaffen offenbar noch keine einheitliche Qualität. So schneiden im Test Apotheken der easy- und Linda-Kooperationen "gut" bis "mangelhaft" ab, zwei gesund leben-Apotheken "befriedigend", die dritte dagegen "mangelhaft".
- Weiterführende Links
- www.test.de