Prof. Dr. Karl Lauterbach, Gesund- heitsexperte der SPD (Foto: ap)

Freitag, 01. September 2006

SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach kritisiert geplanten Gesundheitsfonds

Von: Interview im Deutschlandfunk

Im Interview mit dem Deutschlandfunk: Der gesundheits- politische Sprecher der SPD, Karl Lauterbach, hat den geplanten Gesundheitsfonds als überflüssig kritisiert. Krankenkassen, die neben den Geldern aus dem Fonds auf Zusatzbeiträge von den Versicherten angewiesen seien, hätten keine Chance im Wettbewerb zu bestehen, sagte Lauterbach. Auch werde es nicht mehr Transparenz geben. Zudem verteidigte der SPD-Politiker seine Forderung nach einer Abschaffung des Arbeitgeberbeitrags zur privaten Krankenversicherung.

Jochen Spengler (Moderation DLF): Die beabsichtigte Gesundheitsreform der Großen Koalition gilt schon jetzt als ungeliebtes Monstrum, das kaum eines der vielen Probleme im Gesundheitswesen löst, aber einige neue schafft, nicht zuletzt Probleme zwischen den Koalitionspartnern. Die Kanzlerin hat die Vorschläge zur Reform der privaten Krankenversicherung aus dem Hause Schmidt zurückgewiesen, woraufhin die Ministerin vorzeitig aus dem Urlaub gekommen ist, um jetzt in den nächsten Tagen einen neuen Reformentwurf vorzulegen. Eine Belastung für die Koalition sei Ulla Schmidt, schimpft Baden-Württembergs Ministerpräsident Oettinger. SPD-Politiker haben diese Vorwürfe zurückgewiesen.

Die Beschimpfungen wollen wir heute Morgen nicht fortsetzen, wohl aber versuchen, die unterschiedlichen Standpunkte zur Reform zu erläutern. Am Telefon ist nun zuerst der Sozialdemokrat und Gesundheitsexperte Professor Karl Lauterbach. Guten Morgen Herr Lauterbach!

Karl Lauterbach: Guten Morgen Herr Spengler!

Spengler: Herr Lauterbach, zentrales Kernstück der Reform ist der Gesundheitsfonds. Können Sie mir erklären, worin eigentlich der Vorteil dieses Fonds liegen würde? Ich habe das bis heute nicht verstanden.

Lauterbach: Ich bin ja selbst nicht unbedingt ein Anhänger des Fonds, aber die Grundidee ist die, dass alle Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen in einen gemeinsamen Topf einzahlen und dann den Kassen Geld zugewiesen wird auf der Grundlage der Zahl der Versicherten, wo auch die Krankheitslast der Versicherten mit berücksichtigt wird, Alter und Geschlecht. Die Kassen, die mit diesem Einheitsbeitrag nicht auskommen, bekommen einen Zusatzbeitrag direkt vom Versicherten, den sie in Form von einer kleinen Kopfpauschale und einem zusätzlichen Beitrag einholen. Das darf aber insgesamt nicht mehr als ein Prozent des Einkommens sein.

Spengler: Ja. - Jetzt müssen defizitäre Kassen von gut verdienenden Kassen entschuldet werden, damit alle gleiche Ausgangsbedingungen haben. Ich dachte der Sozialismus sei mit der DDR untergegangen?

Lauterbach: Es ist natürlich richtig, dass die Kassen, die zu dem Zeitpunkt, wo der Fonds eingeführt wird, schon Zusatzbeiträge nehmen müssten, im Wettbewerb keine Chance hätten. Daher kam man aus meiner Sicht dazu - und das ist auch die Absprache gewesen; da hat Ulla Schmidt den Gedanken umgesetzt, wie er besprochen wurde, entgegen der Darstellung jetzt von einigen Mitverhandelnden in der CDU -, die Kassen müssen am Anfang alle mit dem Einheitsbeitrag auskommen. Denn stellen Sie sich vor, Sie sind als Gutverdienender in einer Kasse, die neben dem Einheitsbeitrag - der wird ja deutlich über 15 Prozent liegen müssen - schon die Kopfpauschale nimmt. Dann wechseln Sie natürlich in die private Krankenversicherung oder zu einer anderen gesetzlichen Kasse, die den Zusatzbeitrag noch nicht nehmen muss. Das heißt zum Einführungszeitpunkt müssen alle den Einheitsbeitrag haben und später können sich dann die Kopfpauschalen entwickeln. Ich selbst - das sage ich ganz offen - sehe keinen gravierenden Vorzug im Vergleich zum jetzigen Beitragseinzugsverfahren, wo jede Kasse einen eigenen Beitragssatz hat.

Spengler: Aber wenn das dann so ist und das Institut für Wirtschaftsforschung Halle Recht hat, das da sagt, der Fonds macht alles komplexer, intransparenter, aufwändiger in der Verwaltung, ohne die enge Kopplung an den Faktor Arbeit zu überwinden, was man ja eigentlich mal wollte, sollte man dann nicht auf den Fonds verzichten?

Lauterbach: Der Fonds war ja eine Idee von der CDU und jetzt wird bei der Umsetzung CDU-seitig gehadert und die Ministerin wird sogar als Belastung bezeichnet. Ich war selbst nie für den Fonds, aber man muss ganz offen sagen, die Grundidee war die, die Privatversicherten mit in den Fonds einzahlen zu lassen.

Spengler: Davon ist aber jetzt nicht die Rede?

Lauterbach: Nein, davon ist nicht mehr die Rede. Daher ist der Fonds aus meiner Sicht überflüssig. Aber jetzt müssen Sie sich folgendes vorstellen: Wenn ein gesetzlich Versicherter gut verdient, also die Beitragsbemessungsgrenze überschreitet, dann zahlt er insgesamt neben dem Fondsbeitrag und der kleinen Kopfpauschale, die irgendwann kommen wird, etwa 700 Euro insgesamt. Man könnte sich aber als Einkommensgleicher für 250 Euro privat versichern, weil man unter gleichen Bedingungen dann in den Fonds nicht einzahlen muss. Das heißt der Unterschied zwischen gut verdienenden gesetzlich Versicherten, die die Solidarlast dann in einem enormen Umfang tragen müssen, und dem gleich gut verdienenden privat Versicherten, der sich an dieser Solidarlast gar nicht beteiligt, weil er in den Fonds gar nicht einzahlt, das ist kaum zu erklären.

Spengler: Deswegen haben Sie ja nun vorgeschlagen, dass man den Arbeitgeberzuschuss für privat Versicherte abschaffen müsste. Jetzt muss ich mal fragen: wäre es nicht besser, Sie als Politiker würden sich um Einsparungen im Gesundheitswesen kümmern, statt immer alle mehr zu schröpfen und gesetzliche und privat Versicherte gegeneinander auszuspielen?

Lauterbach: Es ist ja kein gegeneinander Ausspielen, aber...

Spengler: Aber wenn der Arbeitgeberzuschuss für privat Versicherte wegfiele, hieße das zum Teil eine Verdopplung der Krankenversicherungsbeiträge für privat Versicherte.

Lauterbach: Das stimmt nicht, aber selbst wenn dem so wäre, dann würde der privat Versicherte immer noch weniger zahlen als der gesetzlich Versicherte. Weshalb sollen nur gut verdienende gesetzlich Versicherte die Solidarlast zahlen? Man könnte auch damit die Beitragssätze senken. Ein ganz simpler Vorschlag wäre der - das war ja auch der ursprüngliche Vorschlag von Ulla Schmidt -, die privat Versicherten zahlen ebenfalls in den Fonds ein. Das war ja das Ziel des Fonds. Dann würden die Beitragssätze sinken. Das heißt dann würde genau das passieren, was Sie gerade vorschlagen. Der Beitragssatz würde etwas abgesenkt, wenn man folgendes machen würde: Die privat Versicherten zahlen auch in den Fonds ein und es würden die Steuermittel erhöht. Das hätte die Konsequenz, wir würden die Lohnnebenkosten senken, die Beitragssätze würden sinken und nicht steigen und man könnte dann auch noch etwas mehr Wettbewerb zulassen. Wir brauchen auch keine 270 Krankenkassen, die in den Fonds einzahlen. Es würde reichen, wenn 50 einzahlen. Aber dann muss es auch gerecht sein. Der Steuerzahler zahlt ein, dass nicht alles am Faktor Arbeit hängt, und auch privat Versicherte.

Spengler: Herr Lauterbach, warum gelingt es nicht, Dinge abzuschaffen wie zum Beispiel überflüssige Doppeluntersuchungen, häufiges Röntgen, Facharztüberschuss, alles das, was die Kosten in Deutschland enorm hochtreibt?

Lauterbach: Fair ist zu sagen, dass einige Schritte in diese Richtung mit dem Gesetz unternommen werden. Zum Beispiel werden die Krankenhäuser für die ambulante Versorgung ein Stück weit geöffnet bei sehr schweren Erkrankungen, so dass dort die Doppeluntersuchungen bei niedergelassenen Ärzten und Krankenhausärzten zumindest im Prinzip seltener werden sollten. Aber die Schritte in diese Richtung sind zu langsam. Ich plädiere ja immer dafür, wir brauchen im Prinzip deutlich mehr Wettbewerb, mehr Transparenz auf dieser Ebene. Meine Befürchtung ist, dass durch die Einführung des Fonds und durch die komplizierte Umgestaltung des Verfahrens, wie wir den Beitrag einziehen, von diesen eigentlichen Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsproblemen des Systems ein Stück weit sogar abgelenkt wird.

Spengler: Danke schön! - Das war Professor Karl Lauterbach (SPD).

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