
"Die CITY BKK hat ihre Überschuldung und die Zahlungsunfähigkeit bereits im Jahre 2010 angezeigt. Hierzu ist der Vorstand einer Krankenkasse nach § 171b SGB V verpflichtet, wenn entsprechende Anhaltspunkte bestehen. Ausgangspunkt der Anzeigen war unter anderem, dass die CITY BKK aufgrund ihrer überalterten Mitgliederstruktur in den Hochpreisregionen Berlin und Hamburg nicht genug Mittel aus dem Gesundheitsfonds erhält - hier werden lediglich die bundesweit durchschnittlichen Morbiditätskosten ausgeglichen. Im weiteren Verlauf wurde ein Sanierungskonzept erstellt und umgesetzt, dass neben stark Kosten senkenden Maßnahmen im Verwaltungsbereich insbesondere ein effektives Versorgungsmanagement für die überdurchschnittlich älteren und leistungsbedürftigen Versicherten der CITY BKK vorsah. Darüber hinaus hat die Gemeinschaft aller Betriebskrankenkassen eine finanziellen Hilfe in Höhe von 41 Mio. ¤ zugesagt. Auch der zum 1. Januar 2011 auf 15 ¤ angehobene Zusatzbeitrag konnte die angeschlagene Krankenkasse nicht retten. Im Gegenteil: durch seine Erhöhung haben zusätzlich junge und gesunde Mitglieder die CITY BKK verlassen." (Quelle: CityBKK - Pressemitteilung / Foto: dpa)
Sozialgericht Berlin verurteilt CityBKK: "Zusatzbeiträge sind unwirksam"
Das Sozialgericht Berlin hat am 22. Juni die City BKK auf Rückzahlung erhobener Zusatzbeiträge verurteilt (AZ: S 73 KR 1635/10): Erhebt eine Krankenkasse – hier die City BKK - Zusatzbeiträge, muss sie ausreichend auf das Sonderkündigungsrecht der Mitglieder hinweisen. Ein im Kleingedruckten verstecktes Gesetzeszitat erfüllt die Hinweispflicht nicht. Bis zur Nachholung einer gesetzeskonformen Belehrung müssen Mitglieder keine Zusatzbeiträge zahlen. Die Krankenkasse muss bereits gezahlte Zusatzbeiträge erstatten.
Die beklagte City BKK teilte dem Kläger im März 2010 mit, dass ab April von allen Mitgliedern ein einkommensunabhängiger Zusatzbeitrag von 8 Euro erhoben werde. Im Januar 2011 erhöhte sie den Beitrag auf 15 Euro. Auf der (vom Vorstand der Beklagten unterzeichneten) Vorderseite des Festsetzungsbescheides fand das Sonderkündigungsrecht keine Erwähnung. Auf der Rückseite befanden sich zwei Textblöcke. Der erste war überschrieben: "Gute Gründe für die City BKK". Der zweite, deutlich kleiner gedruckte, trug die Überschrift: "Weitere allgemeine Hinweise". Der sechste Unterpunkt war bezeichnet mit "Rechtsgrundlagen (Auszüge)". Er enthielt auch das wörtliche Zitat von § 175 Abs. 4 Satz 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Der Kläger widersprach der Erhebung von Zusatzbeiträgen und erhob Klage. Er habe 45 Jahre Beiträge geleistet, zahle auch als versicherter Rentner. Zu Beitragserhöhungen aufgrund der Misswirtschaft der Geschäftsführung sei er jedoch nicht bereit.
Das Sozialgericht (in der Besetzung von einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern) gab dem Kläger nach mündlicher Verhandlung Recht. Er sei zur Zahlung von Zusatzbeiträgen nicht verpflichtet. Die Erhebung oder Erhöhung eines Zusatzbeitrages werde erst wirksam, wenn die Hinweispflicht bezüglich des Sonderkündigungsrechts erfüllt worden sei. Der Hinweis müsse klar, vollständig, verständlich und eindeutig sein. Er müsse durch seine Stellung im Text und die drucktechnische Gestaltung dem durchschnittlichen Empfänger verdeutlichen, dass er den Zusatzbeitrag oder dessen Erhöhung durch einen Kassenwechsel vermeiden könne. Die bloße Wiedergabe des entsprechenden Gesetzeswortlauts im Kleingedruckten erfülle die strengen Anforderungen an die Hinweispflicht nicht. Die Passage über das Kündigungsrecht sei an einer Stelle versteckt, an der ein durchschnittlicher Leser sie nicht erwarten würde.
Es handele sich hierbei nicht um ein zufälliges Missgeschick im Einzelfall. Die Kombination von textlich-inhaltlicher und drucktechnischer Gestaltung erwecke vielmehr den Eindruck, dass die Beklagte trotz Wiedergabe der relevanten Vorschrift die gesetzlich geforderte Information über das Sonderkündigungsrecht bewusst der Aufmerksamkeit des Empfängers entziehen wollte.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann von der Beklagten mit der Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in Potsdam angefochten werden.
Zum rechtlichen Hintergrund
Die Vorschrift zum Sonderkündigungsrecht (§ 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V) lautet
"Erhebt die Krankenkasse ab dem 1. Januar 2009 einen Zusatzbeitrag, erhöht sie ihren Zusatzbeitrag oder verringert sie ihre Prämienzahlung, kann die Mitgliedschaft abweichend von Satz 1 bis zur erstmaligen Fälligkeit der Beitragserhebung, der Beitragserhöhung oder der Prämienverringerung gekündigt werden."
Die Hinweispflicht ergibt sich aus § 175 Abs. 4 Satz 6 und 7 SGB V
"Die Krankenkasse hat ihre Mitglieder auf das Kündigungsrecht nach Satz 5 spätestens einen Monat vor erstmaliger Fälligkeit hinzuweisen. Kommt die Krankenkasse ihrer Hinweispflicht nach Satz 6 gegenüber einem Mitglied verspätet nach, verschiebt sich für dieses Mitglied die Erhebung oder die Erhöhung des Zusatzbeitrages und die Frist für die Ausübung des Sonderkündigungsrechts um den entsprechenden Zeitraum."
Das Recht zur Erhebung eines Zusatzbeitrages ergibt sich aus § 242 Abs. 1 Satz 1 SGB V
"Soweit der Finanzbedarf einer Krankenkasse durch die Zuweisung aus dem Fonds nicht gedeckt ist, hat sie in ihrer Satzung zu bestimmen, dass von ihren Mitgliedern ein einkommensunabhängiger Zusatzbeitrag erhoben wird."
- Weiterführende Links
- www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/lsg
- www.citybkk.de