Rede von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft
Anlässlich des Frühlingsempfangs der Deutschen Kranken- hausgesellschaft am 18. März analysierte Bundesgesund- heitsministerin Ulla Schmidt die wirtschaftlichen Probleme der Kliniken:
"Sehr geehrte Damen und Herren, in den vergangenen Monaten und Jahren habe ich viele verschiedene Kranken- häuser besucht, mit dem Management, den leitenden Ärzten ebenso gesprochen wie mit dem Pflegepersonal und den jungen Ärztinnen und Ärzten. Ich verrate sicher kein Geheimnis, wenn ich sage, dass ich in diesen Gesprächen auch Klagen gehört habe über Arbeitsverdichtung, schlechte Arbeitsorganisation und auch über die Bezahlung.
Die allermeisten Gesprächspartnerinnen und Gesprächs- partner jedoch waren weit davon entfernt, nur zu klagen. Viele stellten fest, dass Abhilfe für existierende Probleme nicht allein von der großen Politik kommen kann.
Bei den Gesprächen wurde deutlich, dass Probleme von Haus zu Haus, ja sogar manchmal von Ebene zu Ebene in einem Krankenhaus sehr unterschiedlich sind. Ich ziehe daraus und vor allem aus den mir zugänglichen Daten den Schluss, dass es nicht hilft, einfach mehr Geld für die stationäre Versorgung in die Hand zu nehmen.
Die Ursachen für Fehlentwicklungen im Krankenhausbereich liegen tiefer und sind differenzierter. Es gibt weder das Krankenhaus noch das Problem.
Ich besuche moderne und hervorragend ausgestattete Kliniken, die heute viel besser dastehen als vor der DRG-Einführung. Das bestätigt das aktuelle Krankenhaus- barometer der DKG. Danach erzielten im Jahr 2006 55 Prozent der Häuser Überschüsse und 15 Prozent der Häuser ein ausgeglichenes Ergebnis.
Ich besuche aber auch Krankenhäuser, die Personal abbauen müssen, die sparen, und die trotz aller Bemühungen nicht aus den roten Zahlen herauskommen.
Keine Frage, die aktuelle wirtschaftliche Lage zahlreicher Krankenhäuser ist schwierig – nicht zuletzt im Hinblick auf die laufenden Tarifverhandlungen. Aber da helfen keine KassandraRufe, und keine markigen Überschriften.
Da hilft nur, Schritt für Schritt die Probleme anzugehen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Herr Baum, Sie haben selbst früher an solchen Lösungen und Vorschlägen im BMG gearbeitet.
Mich beunruhigt vor allem die Tatsache, dass sich diese schwierige Lage am stärksten beim Pflegepersonal auswirkt. Im Krankenhaus kann die Arbeit am Patienten nur in guter Kooperation zwischen Ärzten und Pflegepersonal geleistet werden. Ich sehe aber mit großer Sorge, dass das Pflegepersonal deutlich abgebaut wird. Zugleich werden junge Ärztinnen und Ärzte fachfremd eingesetzt. Sie verbringen erhebliche Zeit mit nichtärztlichen Tätigkeiten. Und sie müssen die Lücken einer verfehlten Personalpolitik füllen. Ich appelliere deshalb an alle verantwortlichen Führungskräfte im Krankenhaus, für einen adäquaten Personaleinsatz Sorge zu tragen und moderne Managementmethoden einzuführen.
Ich will mich nicht inhaltlich zu den laufenden Tarifverträgen äußern. Dies ist Sache der Gewerkschaften und der Arbeitgeber. Ich appelliere aber nachdrücklich an die Verhandlungspartner, die Situation aller Beschäftigten und nicht nur einzelner Berufsgruppen im Krankenhaus bei den Tarifverhandlungen zu berücksichtigen.
Ich weiß, dass es kein einfaches Patentrezept für die adäquate Finanzierung der Personalkosten im Krankenhaus gibt. Ich habe diese Frage oft mit meinen Mitarbeitern diskutiert.
Unter DRG-Bedingungen kann es kein Zurück zur Pflegepersonal-Regelung im Sinne einer einheitlichen und bundesweit gültigen Personalbemessung geben. Wir haben auch geprüft, ob es möglich ist, Personalkostenanteile festzuschreiben. Aber das wäre nicht in Einklang mit dem pauschalierten DRG-System. Unabhängig davon müssen Personalkosten, insbesondere auch bei aufwändig zu pflegenden Patienten, im DRG-System angemessen abgebildet werden.
Vor diesem Hintergrund ist es vorrangig eine zentrale Aufgabe des Krankenhausmanagements, in den jeweiligen Häusern eine qualitativ hoch stehende Pflege sicher zu stellen. Das ist eine Grundvoraussetzung für eine gute Krankenhausbehandlung. Ich bin offen für Vorschläge, wie wir einen solchen Weg unterstützen können.
Die zentrale Herausforderung für die Krankenhauspolitik betrifft die Gestaltung des künftigen ordnungspolitischen Rahmens für die Finanzierung der Krankenhäuser. Wie im ambulanten Bereich brauchen wir mehr Handlungsfreiraum für die Krankenhäuser. Das überkommene Bedarfsplanungssystem mit Kontrahierungszwang erstickt jede Eigeninitiative. Wir brauchen mehr Wettbewerb als Motor für Innovation, Qualität und Effizienz. Deshalb bin ich überzeugt, dass es für planbare und standardisierbare Leistungen die Möglichkeit zum Abschluss von Einzelverträgen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen geben muss.
Wer über die Krankenhäuser redet, darf die Investitions- kosten nicht außen vor lassen. Wer die Investitionen im Vergleich der Bundesländer in der Zeitreihe quantifiziert, sieht auf einem Blick, dass die Länder ihrer Investitions- finanzierungsverpflichtung nicht ausreichend nachkommen.
Alle Länder haben in den letzten Jahren ihre Finanzmittel gekürzt, und zwar unabhängig davon, wer die jeweilige Regierungsverantwortung hat. Fakt ist auch, dass zwischen den Ländern erhebliche Unterschiede im Finanzierungsumfang bestehen.
Absolut am stärksten rückläufig waren im Zeitraum 1994 bis 2006 die Zahlungen in Nordrhein-Westfalen, Berlin, Sachsen und in Bayern. Ich will zur Illustration einige Zahlen nennen: in NRW von 608 Mio. ¤ auf 472 Mio. ¤, in Berlin von 285 Mio. ¤ auf 99 Mio. ¤ in Bayern von 664 Mio. ¤ auf 452 Mio. ¤. Das niedrige Niveau der Fördermittel je Fall in zahlreichen Ländern verschärft diese Situation.
Ich sehe derzeit kein Konzept der Länder, wie diese ihrer Verantwortung in Zukunft gerecht werden wollen. Aber wenn sie immer wieder ihre Zuständigkeit für die Gestaltung der Krankenhauslandschaft betonen, muss man auch über andere Wege nachdenken und nicht immer nur Steuermittel des Bundes fordern.
Jedenfalls ist es für mich nicht hinnehmbar, dass die Krankenhäuser unbedingt notwendige Investitionen aus ihren DRG-Einnahmen finanzieren und gleichzeitig Pflegepersonal abbauen.
Die reflexartige Forderung nach mehr Geld von den Krankenkassen oder sogar aus dem Bundeshaushalt, nach Abschaffung des Sanierungsbeitrags – der ja Ende des Jahres ohnehin ausläuft und der Verweis auf den Investitionsstau in zweistelliger Milliardenhöhe helfen nicht weiter. Im Gegenteil: Wer den Status quo fortführen will, gefährdet die Existenz vieler Krankenhäuser oder leistet einen Beitrag zur Privatisierung heute noch öffentlicher Häuser und gefährdet damit möglicherweise die von allen hoch geschätzte pluralistische Struktur der Krankenhausträger.
Ohne eine ausreichende Investitionsfinanzierung muss den Häusern, die keinen finanzstarken Eigentümer haben und denen der Weg an die Kapitalmärkte versperrt ist, zwangsläufig die Luft ausgehen.
Ich bin davon überzeugt, dass wir eine leistungsfähige pluralistische Krankenhauslandschaft, die eine wohnartnahe Versorgung garantiert, nur erhalten können, wenn wir schrittweise in eine monistische Krankenhausfinanzierung umsteigen und endlich Wettbewerb zulassen. Mit dieser Einsicht befinde ich mich im Einklang mit fast allen Wissenschaftlern und Sachverständigen, die sich in der Krankenhausökonomie auskennen.
Ich werde in den nächsten Wochen einen Gesetzentwurf zur Gestaltung des ordnungspolitischen Rahmens der Krankenhausfinanzierung vorlegen. Dabei würde ich es sehr begrüßen, wenn wir gemeinsam zu praktikablen Lösungen kommen würden, wohl wissend, dass es kein Zurück zum Selbstkostendeckungsprinzip und automatischer Weitergabe von Lohnerhöhungen geben wird.
Obwohl niemand hier im Saal ernsthaft behaupten wird, dass wir Deutschland im Internationalen Vergleich zuwenig für Gesundheit ausgeben, stehen wir permanent vor der Aufgabe, die vorhandenen Mittel besser einzusetzen.
Ein wichtiges Instrument ist die Überwindung der sektoralen Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Die Öffnung der Krankenhäuser für ambulante Versorgung ist nicht nur sinnvoll für die Behandlung bei seltenen Erkrankungen, schwierigen Krankheitsverläufen und komplexen Behandlungen, sondern kann auch dazu beitragen, die Gesundheitsversorgung in dünn besiedelten ländlichen Gebieten sicherzustellen.
Herr Dr. Kösters, zwar mahlen die Mühlen des Gesundheitssystems gewohnt langsam, doch ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass die Neuregelung des § 116 b im SGB V den Schub bringen wird, den wir uns erhofft haben, allein hier in Berlin liegen 161 Anträge vor. Krankenhäuser wollen und sollen Brücken zwischen ambulanter und stationärer Versorgung bauen. Das ist eine wesentliche Zukunftsperspektive. Ich appelliere gleichzeitig an die Länder, die alte Struktur und Kapazitätsplanung endlich zugunsten einer integrierten Versorgungsplanung aufzugeben.
Ein letzter Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Qualitätssicherung. Der verstärkte Wettbewerb, den wir ohne Zweifel brauchen, muss ein Wettbewerb um die beste Qualität sein. Hierfür ist aus meiner Sicht eine weitere Stärkung der Transparenz über die Leistungen im Krankenhaus unabdingbar. In Zukunft sollen sich die Patientinnen und Patienten und auch die einweisenden Ärztinnen und Ärzte bei der Auswahl ihres Krankenhauses stärker nach der Qualität der Kliniken richten können.
Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Selbstverwaltungspartner den Informationsgehalt der Qualitätsberichte gesteigert und die Verständlichkeit der Berichte verbessert haben.
Zur Optimierung der Qualität ist es für mich erforderlich, dass schwierige medizinische Entscheidungen und Behandlungen in darauf spezialisierten Zentren erfolgen. Ich sehe mit Sorge, dass diese Zentrenbildung von vielen Akteuren erschwert und behindert wird. Beispielhaft steht dafür die Verweigerungshaltung der Mehrheit im Gemeinsamen Bundesausschuss, Mindestmengen in der Neonatologie anzuführen. Gerade bei Frühgeborenen kommt es ganz entscheidend auf eine Versorgung auf höchstem Niveau durch wirklich erfahrene Ärztinnen und Ärzte in den ersten Stunden und Tagen an. Für die Haltung, hier auf Zeit zu spielen, habe ich daher absolut kein Verständnis. Ich finde sie skandalös. Und ich werde nicht zur Tagesordnung übergehen, bis der Sicherheit und dem Lebensrecht der Frühgeborenen angemessen Rechnung getragen wird und dem Willen des Gesetzgebers Geltung verschafft worden ist.
Die Qualität eines Krankenhauses hängt unmittelbar mit der Patientensicherheit zusammen. Ich möchte in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Initiative "Aus Fehlern lernen" des Aktionsbündnisses Patientensicherheit loben. Ich habe großen Respekt davor, dass Ärztinnen und Ärzte – vor allem Krankenhausärzte – Behandlungsfehler eingestehen und andere aus diesen Fehlern lernen lassen. Ich danke hier ausdrücklich Herrn Dr. Kösters, der sich für dieses Bündnis engagiert und eine respektable finanzielle Unterstützung durch sein Mutterhaus und die Deutsche Krankenhausgesellschaft in Aussicht gestellt hat.
Es steht außer Frage, dass wir in der Frage der Krankenhauspolitik neue Antworten finden müssen. Wie diese Antworten im Detail auch aussehen werden, ist im politischen Dialog gestaltbar, wenn man diesen Dialog konstruktiv angeht. Wir müssen und können gemeinsam Lösungsansätze finden, die die Patienten in den Mittelpunkt stellen, und die den Beschäftigten in den Krankenhäusern eine Perspektive geben.
Ich wünsche Ihnen allen einen unterhaltsamen Frühlingsempfang, konstruktive Gespräche und vor allem Gesundheit."
- Weiterführende Links
- www.bmg.bund.de
- www.dkgev.de