Pflegeversicherung verzeichnet rund 500 Millionen Euro Defizit
Die gesetzliche Pflegeversicherung hat auch im vergangenen Jahr ein hohes Millionendefizit erwirtschaftet, obwohl Kinderlose seit Jahresanfang 2005 einen Zusatzbeitrag zahlen müssen. Ende September hatten die Pflegekassen bereits über eine halbe Milliarde Euro mehr ausgegeben als eingenommen. So berichtete die Frankfurter Allegemeine Zeitung am 13. Januar 2005.
Das geht aus dem jüngsten Monatsbericht der Deutschen Bundesbank hervor. Der Fehlbetrag könnte nach Angaben von Fachleuten auf das Jahr bezogen zwar kleiner ausfallen, wegen der Zusatzeinnahmen im vierten Quartal. Dennoch werde die Kalkulation der Bundesregierung, die einen Fehlbetrag von 200 Millionen Euro angekündigt hatte, wohl um das Doppelte übertroffen. Die Reserven der Versicherung sind 2005 weiter geschmolzen, etwa auf zwei Monatsausgaben.
Die neuen Zahlen haben die Debatte über eine Reform der 1995 eingeführten Versicherung belebt. Der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage, Bert Rürup, verlangt eine zügige Reform und zumindest die Einführung einer ###SLIDESHOW###kapitalgedeckten Ergänzung. „Ich halte die Pflegeversicherung für das reformbedürftigste System in der Sozialversicherung überhaupt“, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Es sei „noch nicht zu spät“, die Versicherung auf Kapitaldeckung umzustellen, die auch langfristig mehr Sicherheit biete.
Nach vorläufigen amtlichen Angaben hat die Pflegeversicherung im ersten Quartal einen Fehlbetrag von 259 Millionen Euro, in den beiden Folgequartalen von je 123 Millionen Euro erwirtschaftet. Damit lägen die Ausgaben um 505 Millionen Euro über den Einnahmen. Im vierten Quartal erwarten Fachleute wegen der Zusatzeinnahmen aus dem Weihnachtsgeld einen leichten Überschuß, so daß das Jahresdefizit unter 500 Millionen Euro bleiben dürfte. Im Vorjahr hatte die Versicherung mit einem Rekordminus von 820 Millionen Euro abgeschlossen.
Allerdings war zu Jahresbeginn 2005 ein Sonderbeitrag für Kinderlose von 0,25 Prozentpunkten eingeführt worden, aus dem Rot-Grün Zusatzeinnahmen von 700 Millionen Euro erwartet hatte. Gesundheitsstaatssekretärin Marion Caspers-Merk (SPD) hatte dem Gesundheitsausschuß deshalb im vergangenen März prognostiziert: „Insgesamt ist im laufenden Jahr mit einem Defizit von gut 0,2 Milliarden Euro zu rechnen.“ Tatsächlich dürfte es nun doppelt so hoch ausfallen. Schon zur Jahresmitte waren die Pflegerücklagen nach Berechnungen des Gesundheitsministeriums auf drei Milliarden Euro und damit den niedrigsten Stand seit 1995 geschrumpft. Das entsprach zwei Monatsausgaben. Laut Gesetz soll die Versicherung Reserven von 1,5 Monatsausgaben vorhalten.
Wie Rürup nahm auch der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Dieter Hundt, die Zahlen als Beleg für einen erheblichen Reformbedarf. „Ich begrüße deshalb, daß die Koalition bis zum Sommer ein Gesetz für eine nachhaltige Finanzierung der Pflegeversicherung vorlegen will.“ Die Vizevorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Ursula Engelen-Kefer, plädierte für eine Verbreiterung der Finanzierungsgrundlage der Pflegeversicherung.
Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP, Daniel Bahr, sagte, der Reformdruck sei durch die Beitragserhöhung für Kinderlose nicht kleiner geworden. In diesem Jahr müsse der Systemwechsel vom beitragsfinanzierten zu einem kapitalgedeckten System vollzogen werden. Die Pflegeexpertin der Grünen, Elisabeth Scharfenberg, verlangte „eine breitere Finanzierungsgrundlage und ergänzende Finanzierungselemente“. Der Vizefraktionschef der Union, Wolfgang Zöller (CSU), unterstrich, man werde in diesem Jahr die Reform angehen.
Union und SPD wollten gemäß Koalitionsvertrag bis zum Sommer ein Konzept zur Sanierung der Versicherung entwickeln. Dieses soll den Aufbau einer Demographiereserve mit kapitalgedeckten Elementen beinhalten wie auch einen Finanzausgleich zwischen der gesetzlichen und der privaten Pflegeversicherung. Ferner sollen Leistungen etwa für Demenzkranke ausgeweitet, die hohen Kosten für die stationäre Pflege hingegen möglichst reduziert werden.