"Pay-for-Performance" in den USA - Ein Versorgungskonzept mit Perspektive?
Die Ärzte Zeitung schreibt: Die "Pay-for-Performance- Bewegung" (PfP) stößt in den Vereinigten Staaten auf ein riesiges Interesse. Ziel des PfP-Konzepts ist es, die Bezahlung von Ärzten zumindest teilweise an Leistungsqualität und Leistungsergebnisse zu koppeln.
Die Idee: Wer nachweislich gute Arbeit leistet, der soll mehr Geld bekommen. US-Versicherungen und ihre Hauptkunden, die Arbeitgeber, versprechen sich davon ein effizienteres Gesundheitssystem. Kann Pay-for-Performance die hohen Erwartungen erfüllen? Wo steht das Konzept heute, und was sind die Hindernisse auf dem Weg zu seinem Erfolg?
US-Ärzte, die erwartet hatten, Pay-for-Performance sei eine vorübergehende Modeerscheinung, müssen sich wohl mit dem Gegenteil abfinden: Die Zahl der PfP-Programme hat sich in den vergangenen drei Jahren nahezu verdreifacht. Von 35 Initiativen im Jahr 2003 auf über 100 im vergangenen Jahr - mit weiter steigender Tendenz.
Managed Care stößt an Grenzen
Es gibt einleuchtende Gründe dafür, daß Pay-for-Performance zugelegt hat. Managed Care - die gesteuerte Versorgung - war Ende der neunziger Jahre an Grenzen gestoßen: die Gesundheits- und Versicherungskosten waren steil angestiegen.
Zugleich ließ die Qualität medizinischer Leistungen zu wünschen übrig: Die RAND-Studie im Jahr 2003 zum Beispiel enthüllte, daß nur bei einem Viertel der US-Diabetiker regelmäßig der Blutzuckerspiegel gemessen wurde und lediglich 45 Prozent der Herzinfarktpatienten Beta-Blocker erhielten.
Angesichts der angespannten Kostensituation und der Qualitätsdefizite wandten sich viele Arbeitgeber Pay-for-Performance zu. Auf der Suche nach tragfähigen Modellen schlossen sich sogar Unternehmen zusammen, die sonst hart miteinander konkurrieren. Alle PfP-Konzepte haben mehrere Gemeinsamkeiten:
Ihr erklärtes Hauptziel ist die Qualitätssicherung oder -verbesserung von Versorgung, hinzu kommt das Ziel Kostenersparnis. Gespart wird, so die Kernüberlegung, wenn Effizienz steigt. Mit meßbaren Benchmarks - also Werten, die als Maßstab für Leistungsvergleiche benutzt werden, wird die Qualität der medizinischen Leistung ermittelt. Ärztegruppen, die diese Benchmarks nachweislich erfüllen, sollen finanziell belohnt werden. Damit hören die Gemeinsamkeiten aber auch schon auf. Die PfP-Ansätze unterscheiden sich darin,
- wen sie finanziell belohnen: Manche Programme sehen Incentive-Zahlungen an einzelne Ärzte vor, andere gehen von Zahlungen an Arztpraxen oder Praxisgruppen aus;
- wie sie belohnen: Manche PfP-Programme gehen von jährlichen Bonuszahlungen aus - also Geld, das zusätzlich zum vereinbarten Einkommen fließt. In anderen Programmen wird ein Teil des regulären Einkommens zunächst einbehalten und erst dann ausgezahlt, wenn bestimmte Benchmarks erfüllt sind. Diese Art der Bezahlung stößt bei Ärzten allerdings auf Widerstand, weil sie eher den Charakter eines Bestrafungs- statt eines Anreizmodells hat. Neu sind Modelle, die die Qualitätsergebnisse veröffentlichen. Patienten werden zum Teil mit monetären Anreizen ermutigt, zu den Ärzten zu gehen, die die PfP-Benchmarks erreicht haben;
- Unterschiede bei den Programmen werden auch bei der Frage deutlich, was denn eigentlich bewertet werden soll. Die derzeitigen PfP- Programme konzentrieren sich auf eine überschaubare Zahl meßbarer Qualitätskriterien - meist im Bereich kostenintensiver chronischer Krankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Asthma.
Bewertet werden zum Beispiel:
- die klinische Qualität/Effektivität, etwa der Anteil der Asthmapatienten, die krankheitskontrollierende Medikamente nehmen oder verschrieben bekommen haben;
- die Zufriedenheit der Patienten, etwa der Anteil der Patienten, die ihren Arzt oder die Praxis einem Familienmitglied oder auch einem Bekannten weiterempfehlen würden;
- der Schutz der Patienten, etwa der Anteil der Patienten, denen von den Ärzten Fragen zu Allergien gegen Arzneimittel beantwortet wurden;
- Verwaltungs-/Büroeffizienz: etwa die Frage, wie viel Informationstechnologie eingesetzt wird.
- Kostenmanagement: zum Beispiel die durchschnittliche Zahl der Notarztbesuche, die pro Patient und Jahr nötig sind.
Kritiker sehen in der Vielfalt der Ansätze das größte Hindernis für ihre Wirksamkeit. "Es macht vielleicht Sinn, als Arzt an einem PfP-Programm teilzunehmen", sagt ein Mediziner, den das Center for Studying Health System Change (HSC) zitiert hat. "Doch wenn man mit drei verschiedenen PfP-Modellen konfrontiert ist, wird der Verwaltungsaufwand lächerlich."
Fließen tatsächlich zusätzliche Gelder?
Viele Ärzte sind skeptisch, ob sich eine Teilnahme an PfP lohnt. Nicht wenige fragen sich, ob wirklich zusätzliche Gelder in PfP investiert oder nur vorhandene Gelder umgeschichtet werden. Doch selbst in den Fällen, wo zusätzliches Einkommen fließt, stellt sich für Mediziner - vor allem für kleinere Praxen - die Frage: Rechtfertigen Bonuszahlungen und andere Vergünstigungen den Aufwand, der mit Dokumentation und Weitergabe von Meßdaten verbunden ist?
Ein weiterer Knackpunkt für PfP ist die Meßbarkeit medizinischer Leistungen. In einem Beitrag im Journal of the American Medical Association meint etwa R. Adams Dudley, Professor an der University of California in San Francisco, viele der Benchmarks, die PfP derzeit setze, seien entweder zu eng oder bereits so lange etabliert, daß die meisten Mediziner sie auch ohne PfP einhielten. Ein Beispiel: 2003 wurden bereits bei 90 Prozent der Diabetiker die Cholesterinwerte überprüft, so Dudley. Es sei daher "keine weise Investition", dafür Bonusgelder auszugeben.
Trotz Kritik rollt die PfP-Welle weiter. Die Bewegung hat einen Interessenten, der das Potential hat, sie fest in der medizinischen Landschaft zu verankern: Die US-Regierung erprobt PfP in den öffentlichen Versicherungsprogrammen Medicaid und Medicare.