Kosten-Nutzen-basierte Bestimmung des adäquaten GKV-Erstattungspreises für Generika
Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. hat einen Forschungsauftrag zur Preisregulierung von verschrei- bungsfähigen Arzneimitteln im generikafähigen Markt in der GKV an die Professoren Jürgen Wasem (Universität Essen- Duisburg) und Stefan Greß (Hochschule Fulda) vergeben. Ausgangspunkt ist, dass das "Scharfstellen" der Rabattver- träge zu einem aggressiven Preiswettbewerb geführt hat und derzeit auf eine steigende Marktkonzentration hinaus läuft.
Vor diesem Hintergrund wird untersucht, welche Entwicklun- gen auf dem generikafähigen Markt aus oligopoltheoreti- scher Sicht zu erwarten sind. Anknüpfend daran wird ein Vor- schlag für einen zentralen Ansatz der Steuerung des generikafähigen Arzneimittelmarktes entwickelt.
Die oligopoltheoretischen Analysen zeigen, dass ein volks- wirtschaftlich wünschenswerter und funktionierender Preis- wettbewerb zwar denkbar, in der Realität jedoch auf längere Sicht auf entsprechenden Märkten selten vorzufinden ist. Die Marktmacht der Oligopolisten führt häufig zu Gewinnmaxi- mierungen zu Gunsten der noch auf dem Markt tätigen An- bieter und zu Lasten der gesellschaftlichen Wohlfahrt, sowie der aus dem Markt ausgeschiedenen Unternehmen. Ein sol- ches Szenario ist für den deutschen Generikamarkt schon auf kurze Sicht nicht unrealistisch.
Vor diesem Hintergrund wird ein mögliches Modell skizziert, das im Kern darauf hinaus läuft, das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen mit einer umfassen- den Kosten-Nutzen-Bewertung des generikafähigen Arznei- mittelmarktes zu beauftragen. Da ein solcher Ansatz realis- tisch nicht in einem Schritt implementiert werden kann, wurde ein pragmatisches Mehr-Schritt-Szenario entwickelt. Dieses trug zugleich der zu erwartenden politischen Anfor- derung an Budgetneutralität in der Einführungsphase Rechnung.
Das zweistufige Bewertungsverfahren
Der Anspruch an das Preisbildungsmodell bestand unter anderem darin, dass es folgenden Bedingungen entspricht:
- Das Preisbildungsmodell lässt einem ökonomisch nicht wünschenswerten ruinösen Preiswettbewerb keinen Raum.
- Der Erstattungspreis der GKV spiegelt die Zahlungs- bereitschaft und -fähigkeit der Solidargemeinschaft wider.
- Die GKV-Preise entsprechen dem Nutzen der jeweili- gen Präparate. D. h. Mehr Nutzen = höherer Preis.
- Der Nutzen eines Arzneimittels wird durch alle, aus gesellschaftlicher Sicht, therapeutisch und ökono- misch relevanten Eigenschaften der Präparate bestimmt.
Die genannten Vorstellungen finden sich in keinem der zur Zeit international praktizierten Bewertungsverfahren für Arz- neimittel in der gewünschten Weise umgesetzt. Vor diesem Hintergrund wurde hier ein eigenes Modell entwickelt. In die- sem zweistufigen Bewertungsverfahren werden zunächst die Nutzenverhältnisse von generischen Arzneimitteln innerhalb der einzelnen Anwendungsbereiche bestimmt (vergleichbar mit indikationsbezogenen Festbetragsgruppen). Auf der zweiten Stufe erfolgt die Bestimmung der Nutzenverhältnisse der Anwendungsbereiche untereinander. Aus diesem zwei- stufigen Nutzenvergleich leiten sich unmittelbar die relativen Erstattungspreise der Arzneimittel innerhalb eines Anwen- dungsbereichs und die Ausgabenhöhen der Indikationsge- biete ab. Die absoluten Höhen der Preise ergeben sich so- dann aus den Ausgabenvolumina der betreffenden Anwen- dungsbereiche.
Auswirkungen des Modells in der praktischen Umsetzung
Der hier vorgestellte Ansatz verlagert das Konkurrenzstre- ben der Unternehmen untereinander von dem unmittelbaren – mitunter ruinösen - Preis- hin zu einem Qualitätswettbe- werb. Das vorgestellte Modell begegnet dem Versagen des Preisbildungsmechanismus im generischen Arzneimittel- markt, wie es z. B. durch ruinösen Wettbewerb im Rabattsys- tem und durch "Kellertreppeneffekte" bei zentralen Regulierungsinstrumenten offenkundig wird. Demgegenüber stellt der Ansatz eine nutzengerechte und damit adäquate Höhe des GKV-Erstattungsbetrags sicher. Dies impliziert auch, dass weitere gesetzliche Maßnahmen zur Steuerung von Preis und Verordnungsmenge mit dem hier beschriebenen gedanklichen Ansatz unvereinbar sind: Angesichts des angestrebten "gerechten Preises" sind Co-Preisbildungsmechanismen obsolet.
In diesem Sinne wird der BAH den hier skizzierten Vorschlag in die gesundheitspolitische Diskussion einbringen. Auf Grundlage des gutachterlichen Vorschlags strebt der BAH an, zusammen mit den Marktpartnern und der Politik eine praxisbezogene Umsetzung im System der GKV zu entwickeln.
- Weiterführende Links
- www.bah-bonn.de