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Freitag, 10. November 2006

Kanzlerin Merkel lehnt weitere Gespräche mit der Gesundheitslobby ab

Von: Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet: Bundes- kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist nicht bereit, die Chefs einflußreicher Spitzenverbände des deutschen Gesund- heitswesens zu dem von ihnen erbetenen Gespräch zu empfangen. In der Vergangenheit habe es solche Treffen nicht gegeben, und es gebe keinen Grund, daran jetzt etwas zu ändern, hieß es am Montag in Regierungskreisen.

Zuvor hatten elf Spitzenorganisationen des Gesundheits- wesen "in tiefer und gemeinsamer Sorge um die Zukunft des deutschen Gesundheitswesens" Merkel geschrieben. Darin baten die Vertreter der Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, der gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen sowie der Krankenhäuser "möglichst kurzfristig" um ein Treffen.

Versteckte Drohung

Der Schlußsatz des Briefs wiederum klingt wie eine versteckte Drohung. Dort heißt es, die Verbände sähen "auch immer drängender die Notwendigkeit, über die Konsequenzen der geplanten Reform in geeigneter Weise zu informieren". Tatsächlich haben die beteiligten Verbands- chefs schon am Wochenende über breitenwirksame Aktionen nachgedacht. Man ist offensichtlich bereit, dafür einen siebenstelligen Betrag in die Hand zu nehmen.

Damit könnte sich das Klima zwischen Regierung und Gesundheitsverbänden weiter verschlechtern. Ankündigungen gesetzlicher Kassen für eine "Informationskampagne" hatte vor Wochen eine handfesten Auseinandersetzung über die Zulässigkeit einer solchen Kampagne mit dem Gesundheitsministerium ausgelöst.

Die Unterzeichner des Briefs äußern ferner die Sorge, daß durch die Reform eine gute und reibungslose Versorgung "nicht mehr gewährleistet ist". Man wolle die Kanzlerin in dem Gespräch nicht nur auf die "fatalen Wirkungen" der Gesundheitsreform hinweisen, "sondern zugleich gemeinsam tragfähige Lösungswege anbieten". Doch offensichtlich sind sich die Verbände noch nicht einig, was sie der Regierung anbieten wollen und können.

Kassen rechnen mit höheren Mehrausgaben

Im Kreis der Unterzeichner hatte man sich Chancen für ein Treffen mit Merkel ausgerechnet, weil es nie zuvor eine solche Allianz "maßgeblicher Träger der Gesundheits- versorgung" gegeben habe. Zuletzt hatten Mitte September 12 Verbände der Ärzte, Apotheker, der freien Berufe, Pharmaindustrie und Privaten Krankenversicherung, allerdings ohne die gesetzlichen Kassen, einen Neuanfang in der Gesundheitsreform gefordert. Die Politik hatte sich davon unbeeindruckt gezeigt.

Die Verbände bringen seit Montag ihre Kritik auch im Rahmen der Anhörung des Gesundheitsausschusses zur Gesundheitsreform an. Dabei wurde deutlich, daß die Kassen die mit der Gesundheitsreform verbundenen Mehrausgaben mit 1,24 Milliarden Euro weitaus höher veranschlagen als die Regierung. Sie rechnet mit Mehrkosten in Höhe von 400 bis 500 Millionen Euro als Folge von Mutter-Kind-Kuren, einer verbesserten Versorgung Todkranker und weitere Änderungen im Leistungskatalog.

Teils kritisch bewerteten Sachverständige die geplante Aufnahme von Wahltarifen auch in die gesetzliche Krankenversicherung. Der Vertreter der Techniker Krankenkasse, die dies als Modellversuch seit vier Jahren für 22 000 Versicherte anbietet, berichtete hingegen von positiven Erfahrungen. Vielfach Kritik gab es an der vorgesehen Organisationsreform der gesetzlichen Kassen. Diese sollen statt sieben künftig nur noch einen Spitzenverband bilden. Die Regierung verspricht sich davon weniger Bürokratie und schnellere Entscheidungen. Die Verbände machen verfassungsrechtliche Vorbehalte dagegen geltend.

Künftige Rolle des Kartellamts wird kritisiert

Auch das Bundesversicherungsamt zeigte sich skeptisch, sah Gefahren für seine Arbeit und die Notwendigkeit, zusätzliches Personal einzustellen. Kritisch bewertet das Amt auch die Bestimmung, wonach das Kartellamt künftig Fusionen von Krankenkassen prüfen und gegebenenfalls verbieten können soll. Kassen seien als "organisatorisch verselbständigte Teile der Staatsgewalt" nicht dem Wettbewerbsrecht unterworfen.

Derweil will die Bundesregierung den für 2007 vorgesehenen Steuerzuschuß an die Kassen von 1,5 Milliarden Euro um maximal 1,5 Milliarden Euro aufstocken. Das Geld stammt aus dem stärker als erwartet steigenden Steuereinnahmen.

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