Der 34. Deutsche Hausärztetag hat den Bundesvorstand neu gewählt und den Bundesvorsitzenden Ulrich Weigeldt (Foto) mit überwältigender Mehrheit im Amt bestätigt und damit den Kurs für eine Tarifautonomie der Hausärzte, Wettbewerb mit Selektivverträgen für bessere Versorgungslösungen und eigene Strukturen der Vertragsumsetzung klar unterstützt. Ulrich Weigeldt wurde mit 109 Stimmen der insgesamt 118 Delegierten für weitere vier Jahre als Bundesvorsitzender im Amt bestätigt. Als erster stellvertretender Bundesvorsitzender wurde der bayerische Landesvorsitzende Dr. Dieter Geis gewählt (102 Ja-Stimmen). Zweiter stellvertretender Bundesvorsitzender ist der Landesvorsitzende der Hausärzte in Baden-Württemberg, Berthold Dietsche (111 Ja-Stimmen), die sächsische Landesvorsitzende Ingrid Dänschel wurde als dritte stellvertretende Bundesvorsitzende in den Bundesvorstand gewählt (91 Ja-Stimmen). (Foto: Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes Ulrich Weigeldt / Pressefoto)

Donnerstag, 29. September 2011

Hausärzteverband: "Wirkstoffverordnung bringt Patienten keine Vorteile und beseitigt die Regressgefahr nicht"

Von: Deutscher Hausärzteverband / Pressemitteilung

"Apotheker und Hausärzte arbeiten bei der Arzneimittelverordnung vor Ort eng im Sinne der Patienten zusammen und wissen sehr gut, was der jeweils andere leistet. Doch im Fall des ABDA/KBV-Modells zur Wirkstoffverordnung sehen wir keinerlei Vorteile für die Patienten, die Arbeit der Hausärzte wird erschwert und die Regressgefahr auch nicht beseitigt", sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, in Berlin.

Aus diesem Grund hat sich letzte Woche der 34. Deutsche Hausärztetag in Berlin einstimmig gegen die von ABDA und KBV geplante Wirkstoffverordnung ausgesprochen – und zwar einschließlich jener Delegierten, die auch in KV-Vorständen Funktionen bekleiden.

"Es hat keinen Sinn, getrennte Prozesse der Arzneimittelverordnung für Wirkstoffe und Originalpräparate einzuführen", sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, in Berlin. "Das bringt keinerlei Vorteile für Patienten, es beseitigt nicht die Regressgefahr für die Hausärzte und wir sehen das Problem, dass dem Apotheker wichtige Informationen über Diagnose und Indikation fehlen", so Weigeldt.

"Der Hausarzt kennt das gesamte Krankheitsbild, mögliche Unverträglichkeiten gegen bestimmte Wirkstoffe, familiäre Hintergründe und die besonderen Bedürfnisse des Patienten. Gerade bei Mehrfachmedikation kann man Medikamente nicht einfach abgeben, ohne die Patienten gesehen zu haben und viele unserer älteren, multimorbiden Patienten sind so schwer krank, dass sie auf einen Hausbesuch angewiesen sind."

Weigeldt erinnerte daran, dass er bereits im Juni in einem Gespräch im Haus der ABDA mit Präsident Heinz-Günter Wolf diese Argumente vorgetragen und davor gewarnt hatte, dass die Hausärzte dieses Projekt nicht mittragen können. "Die ABDA hat das Projekt Wirkstoffverordnung mit der KBV vorangetrieben ohne jeden weiteren Kontakt zum Deutschen Hausärzteverband, der die Mehrheit der Hausärzte in Deutschland in seinen Reihen organisiert hat."

"Hausärztinnen und Hausärzte arbeiten vor Ort sehr gut und eng mit den Apothekerinnen und Apothekern für eine sichere Medikation der Patienten zusammen. Aber gegen diese Idee einiger Funktionäre, die den Patienten keinerlei Vorteile bringt, werden die Hausärzte weiterhin konsequent vorgehen", so Weigeldt.

Lesen Sie über die Beschlüsse der Delegiertenversammlung des 34. Hausärztetages am 15. und 16. September in Berlin

Die Delegiertenversammlung des Deutschen Hausärzteverbandes lehnt die geplante Wirkstoffverordnung im GKV-Versorgungsgesetz ab.

Therapiefreiheit und Therapiehoheit: Unter Berücksichtigung des aktuellen wissenschaftlichen Stands im Sinne der evidenzbasierten Medizin und der Ausschlüsse von der Verordnungsfähigkeit in der Gesetzlichen Krankenversicherung, entscheidet allein der verordnende Hausarzt – soweit möglich im partnerschaftlichen Konsens mit seinem Patienten – welches Präparat der Patient einnimmt. Eine Entscheidung des Apothekers über das abzugebende Präparat ist in diesem Sinne kontraproduktiv und stört die lange bestehende und vertrauensvolle Hausarzt-Patienten-Beziehung in erheblichem Maße, weil der Apotheker nicht wissen kann, warum der verordnende Arzt ein bestimmtes Präparat verordnet hat (z. B. wegen bestimmter Hilfsstoffe oder der Teilbarkeit).

Wirtschaftliche Verordnungsweise: Der Vorschlag der Regierungskoalition konter­kariert geradezu die Möglichkeit des verordnenden Hausarztes, nach Arzneimittel­versorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) und GKV-Wettbewerbsstärkungs­gesetz (GKV-WSG) rabattierte, wirtschaftliche Arzneimittelpräparate zu verordnen. Insbesondere die bessere Umsetzung der so genannten Rabattverträge in der Hausarztzentrierten Versorgung würde dadurch erschwert oder unmöglich gemacht.

Dauerüberwachung chronisch Kranker: Für eine Dauerüberwachung chronisch Kranker, die mindestens fünf Arzneien regelmäßig einnehmen, ist ungeklärt, welche Überwachungsregeln gelten sollen und – vor allem – wie und wohin die entsprechenden Daten geliefert und wo sie gespeichert werden sollen und wer diese Überwachung mit welchen Sanktionen durchführen soll. Für Patienten, die ihre Medikamente von verschiedenen Apotheken oder aus dem Internet beziehen, erscheint diese Dauerüberwachung unrealistisch zu sein.

Gesundheitspolitische Bedeutung: Der Deutsche Hausärzteverband sieht keinen Anlass, den Apothekern die Rolle eines Mitbehandlers des Patienten zukommen zu lassen. Der Apotheker hat in der Regel keine ausreichende Kenntnis der Anamnese, der Diagnosen und des Therapiekonzepts des Patienten. Dem Apotheker fehlen also alle Grundlagen, eine medizinisch sinnvolle und begründete Therapieentscheidung zu treffen.

§ 73b SGB V in der Fassung vor dem GKV-FinG

Der Deutsche Hausärzteverband wird durch entsprechende Vorschläge an die Bundesregierung und die Mitglieder des Deutschen Bundestages in den anstehenden parlamentarischen Beratungen zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz eine Rücknahme des im Rahmen des GKV-FinG eingeführten § 73b Abs. 5a SGB V nachdrücklich einfordern und die Folgen der Gesetzesänderung für die hausärztliche Nachwuchssituation und die Qualität der hausärztlichen Versorgung thematisieren.

Einrichtung einer Arbeitsgruppe Pädiatrie

Der Deutsche Hausärzteverband wird zusammen mit seinen Landesverbänden sinnvolle Konzepte und Strategien entwickeln, die die Stellung der Hausärztinnen und Hausärzte in der pädiatrischen Versorgungslandschaft in Deutschland stärken.

Hierzu wird eine entsprechende Arbeitsgruppe auf gehobener Verbandsebene eingesetzt, die bis zur nächsten Delegiertenversammlung mit der Erarbeitung einer Strategie und eines Konzeptes zur Stellung der Hausärztinnen und Hausärzte in der pädiatrischen Versorgungslandschaft in Deutschland beauftragt wird. Das zu erarbeitende Konzept soll u. a. auch die Themen einer notwendigen berufspolitischen Vertretung der Hausärztinnen und Hausärzte in bestimmten Gremien der Selbstverwaltung, die Erarbeitung sinnvoller vertraglicher Regelungen im Rahmen der HzV-Verträge sowie Anregungen für die öffentlichkeitswirksame Präsentation und Umsetzung der Strategie des Deutschen Hausärzteverbandes enthalten und auf der nächsten Delegiertenversammlung präsentiert werden.

Das Forum Pädiatrie, ein Zusammenschluss von pädiatrisch orientierten Hausärzten im Landesverband Westfalen-Lippe, sollte aufgrund der langjährigen Beschäftigung mit diesem Thema in dieser Arbeitsgruppe vertreten sein.

Numerus clausus nicht als Hauptbewertungskriterium für die Zulassung zum Humanmedizinstudium

Der Deutsche Hausärzteverband fordert die Bundespolitik auf, den Numerus Clausus als Hauptzugangsvoraussetzung zum Humanmedizinstudium abzuschaffen und geeignete Zulassungskriterien zu entwickeln.

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