GKV: "Fehlerhafte Klinikabrechnungen in 2010 verursachten Schaden von 1,5 Mrd. EUR"
Durch falsche Krankenhausabrechnungen entstand den gesetzlichen Krankenkassen im vergangenen Jahr ein Schaden von bis zu 1,5 Milliarden Euro. Bezahlen mussten dies die Versicherten und die Arbeitgeber über ihre Beiträge. Nachdem vor einiger Zeit die Ergebnisse des Bundesrechnungshofes, die sich auf das Jahr 2007 bezogen hatten, veröffentlicht wurden, liegen nun erstmals die bundesweiten Ergebnisse der Abrechnungsprüfungen der Krankenkassen für das Jahr 2010 vor.
In zwei Schritten zur Abrechnungsprüfung
Die Krankenkassen prüfen die Krankenhausabrechnungen in einem zweistufigen Verfahren. Dabei werden die Abrechnungen in einem ersten Schritt auf Anzeichen möglicher Fehler durchgesehen. Dies können z. B. zu lange Liegezeiten bei einer leichten Erkrankung sein. In einem zweiten Schritt werden bundesweit rund elf bis zwölf Prozent aller Abrechnungen einer genauen Prüfung unterzogen. Im vergangenen Jahr hat sich gezeigt, dass bundesweit 45,6 Prozent aller so im zweiten Schritt geprüften Krankenhausabrechnungen nicht richtig waren.
"Im vergangenen Jahr war der Anteil der entdeckten fehlerhaften Krankenhausabrechnungen so hoch wie noch nie. Das könnte entweder daran liegen, dass die Prüfungen der Krankenkassen besser werden, oder daran, dass die Qualität der Krankenhausabrechnungen schlechter wird. Das Ergebnis bleibt aber gleich: Viel zu viele Abrechnungen sind falsch. Ein Gesamtschaden für die Beitragszahler von bis zu 1,5 Milliarden Euro ist nicht hinnehmbar. Die Politik muss baldmöglichst dafür sorgen, dass die Krankenhäuser endlich einen echten Anreiz haben, korrekt abzurechnen. Die Vorschläge der Krankenkassen liegen auf dem Tisch", so Johann-Magnus v. Stackelberg, stellv. Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbands.
Anreize für richtige Abrechnungen setzen
Das Sozialgesetzbuch schreibt vor, dass die Krankenkassen die Krankenhausabrechnungen prüfen müssen. Wenn eine Krankenkasse ihrer gesetzlichen Prüfpflicht nachkommt und eine geprüfte Krankenhausrechnung richtig ist, dann muss die Krankenkasse dem Krankenhaus eine "Aufwandspauschale" in Höhe von 300 Euro zahlen. Wenn die Prüfung aber ergibt, dass die Rechnung falsch war und zugunsten der Krankenkasse korrigiert werden muss, dann passiert nichts! Das Krankenhaus muss nur den zu viel erhaltenen Betrag zurückzahlen.
"Angesichts dieser Regelung kann man nur ungläubig den Kopf schütteln. Das ist ja so, als müsste der Verkehrspolizist nach einer Alkoholkontrolle dem Autofahrer 50 Euro bezahlen, weil er nüchtern gefahren ist! Eigentlich müsste es genau umgekehrt sein – eine Strafzahlung für Falschabrechnungen. Mindestens muss bei den Krankenhäusern ebenso eine Sanktionierung erfolgen. Wir gehen davon aus, dass dadurch die Qualität der Krankenhausabrechnungen deutlich besser würde und Beitragsgelder gespart werden könnten", so v. Stackelberg.
Fallbeispiele
- Fall 1: "Falsche Nebendiagnose"
Im Mai 2010 wurde ein 72-jähriger Patient während eines 21-tägigen Krankenhausaufenthaltes wegen Akuter Myeloischer Leukämie behandelt (HauptdiagnoseC92.00). Die Nebendiagnose D70.10 ist nur kodierbar, wenn die Anzahl der Leukozyten weniger als 1.000 je Mikroliter Blut beträgt. Die MDK-Begutachtung des Abrechnungsfalles stellte fest, dass die Leukozytenzahl von 2.200 je Mikroliter Blut während des gesamten Aufenthaltes nicht unterschritten wurde. Die Nebendiagnose war daher zu streichen. Die abgerechnete DRG R40B war daher auf R60E zu korrigieren, so dass ein Rückerstattungsbetrag von ca. 13.850 Euro entstand. - Fall 2: "Falscher Prozedurenschlüssel"
Die 27-tägige stationäre Behandlung einer 78-jährigen Patientin mit der Hauptdiagnose Hallux valgus (M20.1) führte zur Abrechnung der DRG IO2C. Die komplexe operative Intervention bei komplexer Vorfußdeformität an mehreren Fußstrahlen beinhaltet die Synovektomie (operative Entfernung der Innenhaut der Gelenkkapsel). Die MDK-Begutachtung ergab jedoch, dass an keinem Gelenk eine Synovektomie vorgenommen worden war. Deshalb wurde der OPS 5-800.4qL im Konsens mit dem Krankenhaus gestrichen. Abzurechnen war die DRG I22B, so dass der Rückforderungsbetrag ca. 7.750 Euro beträgt. - Fall 3: "Kodierung nicht erbrachter Leistung"
Im Falle einer 82-jährigen Patientin, die wegen einer Beckenfraktur (Hauptdiagnose S32.89) zwölf Tage stationär behandelt wurde, war die DRG A13F mit ca. 14.500 Euro abgerechnet worden. Durch die MDK-Prüfung wurde festgestellt, dass die angegebenen 96 Beatmungsstunden nicht in Rechnung zu stellen sind, da weder eine Intubation noch eine nichtinvasive Beatmung erfolgte. Der Rückerstattungsbetrag von ca. 11.700 Euro wurde durch das Krankenhaus umgehend bezahlt. - Fall 4: "Abrechnung eines falschen Medikaments"
Für einen im Februar 2010 stationär behandelten Patienten rechnete ein Krankenhaus neben der DRG A11D wegen einer schweren Pilzinfektion das Zusatzentgelt ZE 109 für die Gabe von Caspofungin ab. Im Rahmen einer MDK-Prüfung hinsichtlich der Dosis des verabreichten Medikamentes wurde festgestellt, dass der Patient nicht Caspofungin, sondern Voriconazol (ebenfalls ein Medikament zur Behandlung bei schweren Pilzinfektionen) erhalten hatte. Der OPS 6-002.re trat damit an Stelle des ursprünglich angegebenen OPS 6-002.pv. Die Rechnung wurde korrigiert und das Zusatzentgelt ZE 112 für die Gabe von Voriconazol berechnet. Der Rechnungsbetrag verringerte sich um ca. 57.500 Euro. - Fall 5: "Abrechnung einer Studienleistung und eines nicht verabreichten Medikaments"
Für die stationäre Behandlung eines Patienten wurde die DRG I06D (komplexe Wirbelkörperfusion mit äußerst schwerem CC) und das Zusatzentgelt ZE 49.09 (Gabe von Bortezomib, parenteral) abgerechnet. Die Rechnung belief sich auf etwa 20.800 Euro. Aufgrund von Auffälligkeiten in der Abrechnung (Abgleich der übermittelten Diagnosen/Prozeduren mit der Abrechnung der DRG und des ZE 49.09 sowie der Verweildauer bzw. der medizinischen Notwendigkeit) wurde die Begutachtung des Falles mit Einsicht in Krankenakte und Studienunterlagen eingeleitet. Dem Gutachten zufolge wurde die DRG I06D korrekt abgerechnet. Das Zusatzentgelt für die Gabe von Bortezomib (ZE 49.09) wurde jedoch unzulässig in Rechnung gestellt, da dieses Medikament vom Hersteller kostenfrei als Studienware zur Verfügung gestellt worden war. Der sich daraus ergebende Differenzbetrag von ca. 3.500 Euro wurde der Krankenkasse vom Krankenhaus erstattet. Bei einem erneuten Krankenhausaufenthalt des Patienten im selben Krankenhaus wurde dieser wiederum in der Studie behandelt. Auch hier stellte das Krankenhaus der Krankenkasse das frei gelieferte Medikament Bortezomib als Zusatzentgelt ZE 49.09 in Rechnung. Zudem wurde der Krankenkasse als weiteres Zusatzentgelt das ZE 46.06 für die Gabe von Voriconazol berechnet, obwohl dieses Medikament dem Patienten gar nicht verabreicht wurde. Der Krankenkasse ist daher ein weiterer Schaden in Höhe von ca. 3.200 Euro entstanden. - Fall 6 "Medizinisch nicht begründbare Verweildauer"
Ein 48-jähriger Patient wurde zur Durchführung einer endoskopischen Untersuchung der Gallenwege stationär aufgenommen und dafür die DRG H41A mit ca. 5.800 Euro in Rechnung gestellt. Begleiterkrankungen wurden nicht behandelt, so dass bei dieser Routineuntersuchung laut Medizinischem Dienst ein Tag Krankenhausbehandlung ausgereicht hätte. Die Krankenhausbehandlung dauerte allerdings sechs Tage. In der Patientendokumentation war zu lesen: 1. Tag: 12:45 Uhr: Patient ist fit und selbstversorgend, Patient geht spazieren mit Sonnenbrille und Hut sowie Sonnenschutzcreme; 2. Tag: Patient keine Beschwerden, Patient war unterwegs; 3. Tag: ERCP, 20:23 Uhr Patient war bei ERCP, hat gegessen, ist beschwerdefrei; 5. Tag: Patient war zum Rauchen, keine Beschwerden. Die Korrektur der Rechnung führte mit vier Tagen Verweildauerabschlag zu einer Reduzierung des Betrages um ca. 3.600 Euro. - Fall 7: "Abrechnung einer Leistung ambulant und stationär"
Im November 2010 befand sich eine Versicherte zur stationären Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs in einem Krankenhaus. Für diesen Aufenthalt wurden der Kasse knapp 800 EUR in Rechnung gestellt und von dieser beglichen. Kurze Zeit später wurde die gleiche Leistung nochmals als ambulante OP mit gleichem Leistungsdatum in Höhe von knapp 400 Euro abgerechnet. Eine Stornierung der Rechnung für den stationären Aufenthalt hatte das Krankenhaus nicht vorgenommen.
- Weiterführende Links
- www.gkv-spitzenverband.de