Gesundheitsreform 2006: Änderungen bei der Arzneimittelversorgung
Die Ärzte Zeitung berichtet: Einen großen Schritt beim Bürokratieabbau soll der Gesetzgeber in der Wirtschaftlichkeitsprüfung machen: Sie wird gestrafft, vereinfacht und im Volumen auf maximal fünf Prozent der Ärzte begrenzt. Die Kehrseite der Medaille: Die Verordnung sehr teurer Arzneimittel - zum Beispiel Spezialpräparate - soll künftig eine zweite Meinung erfordern; bei Anwendungsbeobachtungen, für die Ärzte ein Honorar erhalten, soll dieses künftig meldepflichtig werden.
Wirtschaftlichkeits-Prüfung
Tatsache ist: Die Regresse, die als Folge der Wirtschaftlichkeitsprüfung zustandekommen, decken gerade einmal die Verfahrenskosten, sind aber kein Beitrag, um Überschreitungen von Zielvereinbarungen abzudecken. Bis zu 30 Prozent der Ärzte werden geprüft - bei nur drei bis fünf Prozent der betroffenen Ärzte wird ein Regreß im Durchschnittswert von 1500 Euro ausgesprochen. Daraus soll der Gesetzgeber jetzt Konsequenzen ziehen.
Der Anteil der Ärzte, die wegen Richtgrößenüberschreitungen geprüft werden, soll gesetzlich auf fünf Prozent beschränkt werden. Das soll die Vertragspartner davon abhalten, unrealistische Werte zu vereinbaren. Außerdem sollen nur besonders unwirtschaftliche Ärzte geprüft werden.
Die Anerkennung von Praxisbesonderheiten soll vereinfacht werden. So sollen Arzneimittel, die pauschal als Besonderheit anerkannt werden können, grundsätzlich von den Verordnungskosten abgezogen werden.
Das Verfahren wird gestrafft: in erster Instanz entscheidet allein die Geschäftsstelle, in zweiter Instanz der Prüfungsausschuß über Widersprüche; der bisherige Beschwerdeausschuß entfällt.
Anwendungsbeobachtungen
Diese sogenannten Phase-IV-Studien unter realen Versorgungsbedingungen werden in großer Zahl - derzeit sind 250 Studien gemeldet - von Vertragsärzten gemacht und ihnen von der Industrie honoriert. Im Gespräch ist dabei eine Gesamthonorarsumme von einer Milliarde Euro (Transparency). Neu ist, daß nun eine Meldepflicht der Industrie eingeführt wird, welche Honorare sie den Ärzten zahlt. Geprüft wird, ob der Arzt den Patienten informieren muß, wenn er ihn in eine Anwendungsbeobachtung einschließt. Die Prüfungsausschüsse sollen Stichproben bei Ärzten machen, um zu vermeiden, daß diese Studien zu Mehrkosten führen.
Zweitmeinung
Hochpreisige neue Arzneimittel, vor allem Spezialpräparate, haben den höchsten Ausgabenzuwachs innerhalb der Arzneimittelversorgung. Die Jahrestherapiekosten bewegen sich zwischen 20 000 und 60 000 Euro. Durchweg sind diese Arzneimittel als Praxisbesonderheit anerkannt.
Um einen zielgerichteten Einsatz solcher Arzneimittel zu erreichen, soll künftig die Verordnung besonders teurer, oft auch risikoreicher Wirkstoffe, durch den behandelnden Arzt in Abstimmung mit fachlich besonders qualifizierten Ärzten erfolgen. Das soll auch für spezielle Diagnostika und besondere Hilfsmittel gelten. Die Einzelheiten über die Abstimmung zwischen besonders spezialisierten Ärzten und den behandelnden Ärzten soll die Selbstverwaltung festlegen. Die freie Arztwahl des Patienten soll erhalten bleiben; aus Gründen der Sicherstellung soll es keine Konzentration der Verordnungsbefugnis auf wenige Schwerpunktpraxen oder Zentren geben.
Kosten-Nutzen Bewertung
Der gesetzliche Auftrag an das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit wird zur Kosten-Nutzen-Bewertung erweitert. Die Entscheidung selbst bleibt auf der Grundlage einer Empfehlung des Instituts beim Gemeinsamen Bundesausschuß.
Generell soll folgendes gelten: Neue Arzneimittel bleiben ohne Festbetrag und werden nach Zulassung von den Krankenkassen bezahlt. Bei der Kosten-Nutzen-Bewertung werden einerseits eine Verlängerung der Lebensdauer, die Verbesserung der Lebensqualität und die Verkürzung der Krankheitsdauer - andererseits auch die Angemessenheit und Zumutbarkeit der Kosten für die Versichertengemeinschaft berücksichtigt. Die dabei angewandten Methoden sollen internationalem Standard entsprechen. Das Ergebnisse sollen "angemessene, faire Erstattungshöhen" der Krankenversicherung sein.
Apotheken
Als einzige Leistungserbringer sind die Apotheker von Vergütungskürzungen betroffen. Mindestens 500 Millionen Euro sollen die Kassen sparen. Dazu gibt es zwei Wege: entweder vereinbaren die Apotheker freiwillig mit den Kassen die dazu notwendigen Rabatte - oder der Kassenrabatt wird nachträglich entsprechend erhöht.
Erleichtert werden soll die Auseinzelung von Arzneimitteln, um Ärzten die Verordnung kleiner, dem Individualfall angepaßter Mengen zu ermöglichen. Apotheken sollen dazu Arzneimittel aus Großgebinden (Bulkware) entnehmen können. Notwendig dazu wäre aber aus Haftungsgründen noch eine Änderung des Arzneimittelgesetzes.