Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Unfall- versicherung (UVMG) beschlossen
Zwei Tage vor der Schlussabstimmung im Bundestag hat der Ausschuss für Arbeit und Soziales am 25. Juni die geplante Reform der Unfallversicherung korrigiert. Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Linksfraktion gegen die Stimmen der FDP-Fraktion votierte das Gremium bei Enthal- tung der Grünen am Mittwoch für den geänderten Gesetz- entwurf der Bundesregierung (16/9154). Vom Tisch ist nun- mehr das von Arbeitgebern und Gewerkschaften kritisierte Vorhaben, den Spitzenverband der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, die Deutsche Gesetzliche Unfallversich- erung, unter Fachaufsicht des Bundesarbeitsministeriums zu stellen. Der Umfang der Aufsicht ist nach dem geänderten Entwurf auf die Rechtsaufsicht beschränkt. Zudem verlän- gerte der Ausschuss auf Antrag der Koalition die Übergangs- frist für die Einführung des neuen Lastenausgleichsver- fahrens um drei Jahre bis zum Jahr 2013.
An dem geplanten Verteilungsmaßstab des Lastenausgleichs (70 Prozent nach Entgelten und 30 Prozent nach Neurenten) wurde hingegen festgehalten. Ziel des so genannten Über- altlastenausgleichs ist es laut Regierung, besonders hohe Belastungen einzelner Branchen aus der Vergangenheit, beispielsweise im Bergbau, auf alle Branchen umzulegen und damit zu einer Angleichung der Beitragssätze beizutragen. Mit der Fristverlängerung für die Einführung werde den durch den neuen Schlüssel belasteten größeren Unternehmen im Dienstleistungs-, im Transport- und im Gesundheitswesen entgegengekommen, unterstrichen Union und SPD im Ausschuss.
Unverändert bleibt in dem Gesetzentwurf auch die geplante Reduzierung der Zahl der gewerblichen Berufsgenossen- schaften von 23 auf neun bis Ende 2009. Werde dies nicht "ohne Abstriche und innerhalb der Frist" erreicht, sehe die Koalition gesetzgeberischen Handlungsbedarf, kündigte die SPD an.
Auch die Meldung der geleisteten Arbeitsstunden mit der Jahresmeldung wurde beibehalten, obwohl die Arbeitgeber dadurch einen höheren bürokratischen Aufwand und deutliche Mehrkosten befürchten. Die FDP kritisierte, dies gehe an der Realität der Unternehmen vorbei. Die Union erläuterte, die Meldung der geleisteten Arbeitsstunden sei keine Neuerung, sondern bereits heute im Sozialgesetzbuch verankert.
Ein Aspekt im Gesetzentwurf betrifft die Einstufung privatisierter Unternehmen der öffentlichen Hand, etwa die Deutsche Telekom. Anders als bislang geplant soll bis Ende 2011 abschließend geprüft werden, wie diese Unternehmen in den Lastenausgleich einzubeziehen sind. Außerdem erhalten die Berufsgenossenschaften bis zum Jahr 2030 statt bis zum Jahr 2020 Zeit zur Bildung eines Kapitalstocks für Altersrückstellungen.
Kern des Unfallversicherungsmodernisierungsgesetzes (UVMG), das am 27. Juni im Bundestag beschlossen wurde, stellt eine Organisationsreform der 1884 gegründeten Versicherung dar. Die gesetzliche Unfallversicherung soll dadurch schlankere und effizientere Strukturen bekommen, die auch zu Einsparungen bei den Unternehmen führen würden. Auf eine Leistungsreform, die ebenfalls als Ziel im Koalitionsvertrag vereinbart worden war, wurde nach langer Diskussion verzichtet.
Die Union lobte, mit den Änderungen sei das Gesetz "deutlich verbessert worden". Auch Die Linke zeigte sich zufrieden, da zentrale Forderungen aus ihrem eigenen Antrag (16/5616) übernommen worden seien. Auch die Grünen begrüßten die Änderungen, bemängelten aber, dass der Prävention nicht genügend Bedeutung eingeräumt worden sei. Die FDP-Fraktion hingegen kritisierte, das Gesetz stelle "keine richtige Reform" dar, da das Leistungsrecht ausgeklammert worden sei. Beispielsweise müsse darüber geredet werden, ob Wegeunfälle tatsächlich über die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert werden sollten. Die Anträge der Linksfraktion, der FDP (16/6645) und der Grünen (16/9312) erhielten keine Mehrheit.
An Dienstleistungsgesellschaft anpassen
Kern des Regierungsentwurfs des Unfallversicherungsmodernisierungsgesetzes (UVMG) stellt eine Organisationsreform der 1884 gegründeten Versicherung dar. Die branchenbezogene Organisation der gewerblichen Unfallversicherung habe den Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft in den vergangenen Jahren nicht nachvollzogen, schreibt die Regierung zur Notwendigkeit einer Reform. Auf eine Leistungsreform wurde allerdings nach langer Diskussion verzichtet.
Koalition: Beitragssätze angleichen
Die Regierung will die Zahl der gewerblichen Berufsgenossenschaften von 23 auf neun bis Ende 2009 reduzieren. "Dadurch sollen "nachhaltig leistungsfähige Träger geschaffen werden", heißt es in dem Entwurf. In der gewerblichen Unfallversicherung soll ein neuer Lastenausgleich eingezogen werden, der zu einer Angleichung der Beitragssätze führen soll. Der Betriebsprüfdienst soll von der Unfall- auf die Rentenversicherung übergehen. Die Regierung will ferner den Spitzenverband der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), unter Fachaufsicht stellen. Außerdem sieht der Entwurf vor, das Arbeitsschutzsystem zu reformieren. Mit der Einrichtung einer Nationalen Arbeitsschutzkonferenz soll die Strategieumsetzung zentral zusammengeführt werden.
FDP: Wettbewerb einführen
Die FDP-Fraktion verlangt, Wettbewerb und teilweise Kapitaldeckung in der gesetzlichen Unfallversicherung einzuführen. Der Unfallversicherungsmarkt solle im Bereich Versicherungsleistungen für Arbeitsunfälle durch private Versicherungsunternehmen abgedeckt und somit wettbewerbsorientierter gestaltet werden. Berufskrankheiten sollen laut Antrag weiterhin über die Berufsgenossenschaften abgesichert werden. Die volle Haftungsablösung des Unternehmers solle erhalten bleiben. Rentenlasten, die bis zum Stichtag der Öffnung der Unfallversicherung für private Versicherer entstanden sind, sollen je nach Branche getragen werden. Branchen, die einem starken Strukturwandel unterlagen, sollen in ihren Altlastenzahlungen unterstützt werden.
DIE LINKE.: Keine Leistungskürzungen
Die Fraktion DIE LINKE. wendet sich in ihrem Antrag strikt gegen Leistungskürzungen bei der gesetzlichen Unfallversicherung. Ferner müsse die Regierung darauf verzichten, eine feste Zahl an Berufsgenossenschaften und Unfallkassen als Zielgröße festzuschreiben, "da dies einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Selbstverwaltung der Berufsgenossenschaften darstellt". Die Linke verlangt weiter, den neuen Spitzenverband Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) als autonomen Dachverband der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zu akzeptieren.
Grüne: Versicherte stärken
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern die Bundesregierung in ihrem Antrag auf, eine Reform des Leistungsrechts auf den Weg zu bringen, die dazu führen soll, dass sich Leistungsempfänger einerseits und Berufsgenossenschaften und Gutachter andererseits auf Augenhöhe gegenübertreten können. Dazu sollen die Informationsmacht der Versicherten durch die Einrichtung eines unabhängigen Beratungsdienstes und die Rechte der Unfall- und Berufskranken im Anerkennungsprozess durch Änderungen im Verfahrensrecht gestärkt werden.
Lesen Sie dazu auch die Pressemitteilung der DGUV "Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung":
Gesetzliche Unfallversicherung: "Modernisierungs- gesetz bringt insgesamt zukunftsweisende Veränder- ungen auf den Weg" - Berufsgenossenschaften und Unfallkassen bedauern jedoch bürokratische Mehr- belastung der Arbeitgeber
Berufsgenossenschaften und Unfallkassen begrüßen die Verabschiedung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung (UVMG). "Insgesamt betrachtet bringt das Gesetz einige für uns wichtige und zukunftsweisende Veränderungen auf den Weg", erklärte Dr. Joachim Breuer, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Positiv hervorzu- heben sei insbesondere, dass der Gesetzgeber das Konzept der Selbstverwaltung für die zukünftige Zahl der Unfallver- sicherungsträger und für die Neugestaltung der Lastenver- teilung zwischen den Berufsgenossenschaften aufgegriffen habe.
Das Gesetz sieht vor, die Zahl der Berufsgenossenschaften bis Ende 2009 auf neun zu reduzieren. Die Zahl der Unfall- kassen soll auf insgesamt 17 sinken. "Wir bedauern aller- dings, dass der Gesetzgeber bei dieser engen Zeitvorgabe geblieben ist", so Breuer. "Fusionen brauchen eine gewisse Vorbereitung. Es wäre besser gewesen, hier keinen übermäßigen Zeitdruck aufzubauen."
Bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften wird ein so genannter Überaltlastausgleich eingeführt. Zukünftig soll jede Berufsgenossenschaft zunächst die Lasten selbst tragen, die aktuell durch Arbeitsunfälle und Berufskrank- heiten in ihren Branchen verursacht werden. Der Rest, die so genannte Überaltlast, wird von der Solidargemeinschaft aller Berufsgenossenschaften getragen. "Es freut uns, dass der Gesetzgeber das Konzept der Selbstverwaltung aufge- griffen hat", sagte DGUV-Hauptgeschäftsführer Breuer. "Die neue Lastenverteilung bringt der Mehrzahl der Unternehmen eine Entlastung, ohne Branchen mit hohen Risiken pauschal zu subventionieren."
Voraussichtlich steigen werden die Beiträge für Unternehmen im Dienstleistungsgewerbe. Für die Umstellung auf die neue Lastenverteilung sieht das UVMG jedoch eine Frist von sechs Jahren vor. Be- und Entlastung werden sich also in Schritten vollziehen und nicht auf einmal.
Ein Aspekt trübte jedoch die insgesamt positive Einschätzung des UVMG. Breuer: "Das Gesetz ersetzt das bisherige Meldeverfahren zur Unfallversicherung, den Lohnnachweis, durch eine Reihe neuer Informationspflichten." Für die Arbeitgeber bedeute dies eine zusätzliche Belastung mit neuer Bürokratie. "Eine an sich begrüßenswerte Initiative zur Entbürokratisierung hat sich damit ins genaue Gegenteil verkehrt."
- Weiterführende Links
- www.bundestag.de
- www.dguv.de