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Montag, 22. Oktober 2007

Dramatischer Nachwuchsmangel in der ärztlichen Versorgung prognostiziert

Von: Bundesärztekammer / Pressemitteilung

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der Bundesärzte- kammer und Kassenärztlichen Bundesvereinigung am 9. Oktober wurden die Ergebnisse der 4. aktualisierten und überarbeiteten Auflage der "Studie zur Altersstruktur- und Arztzahlentwicklung" vorgestellt.

Dazu gab Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer, das folgende Statement:

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir stellen Ihnen heute eine überarbeitete, aktualisierte Fassung der "Studie zur Altersstruktur- und Arztzahlent- wicklung" vor. Als wir vor etwa sechs Jahren die erste Studie dieser Art präsentierten, stießen unsere Zahlen noch auf große Skepsis in Politik und Öffentlichkeit. Das ist inzwischen anders, weil unsere Prognosen eines Ärztemangels durch die Wirklichkeit längst eingeholt worden sind. Heute bestreitet niemand mehr, dass es in ländlichen Regionen Ostdeutsch- lands einen Hausärztemangel gibt und dass vakante Stellen in den Krankenhäusern häufig nur noch durch zugewanderte Ärzte aus Osteuropa besetzt werden können.

Wie groß das Angebot an freien Arztstellen ist, mag ein Blick in den Stellenmarkt des Deutschen Ärzteblatts verdeutlichen. Gesucht werden Assistenzärzte, Weiterbildungsassistenten, ausgebildete Fachärzte, Oberärzte und auch Chefärzte. Waren es im Jahr 2004 schon 7.242 Stellenanzeigen, die im Deutschen Ärzteblatt geschaltet wurden, erhöhte sich diese Zahl im Jahr 2005 auf 10.339 Stellenanzeigen. Im vergan- genen Jahr – 2006 – stieg die Zahl der Stellenangebote im Deutschen Ärzteblatt auf 13.527 und liegt aktuell – am Ende des 1. Halbjahres 2007 – bei 8.634 ausgeschriebenen Stellen. Am Ende dieses Jahres wird ein neuer Höchststand erreicht sein – das zeichnet sich jetzt schon ab.

Ob die Krankenhäuser in den nächsten Jahren weiterhin in steigender Zahl Stellen ausschreiben, ist aber zu bezweifeln. Nach dem gestern vorgestellten Krankenhaus-Barometer planen ein Drittel der Kliniken, offene Arztstellen nicht wieder zu besetzen. Jede neunte Klinik plant sogar einen Stellenabbau im Ärztlichen Dienst.

Was heißt das für die Ärzte im Krankenhaus? Die ohnehin schon hohe Arbeitsverdichtung wird weiter zunehmen. Was heute drei Ärzte machen, muss demnächst ein Arzt erledigen. Das wiederum wirkt abschreckend auf den ärztlichen Nachwuchs, erhöht die Ärzteflucht und führt unweigerlich zum Ärztemangel, wie sich an der hohen Zahl unbesetzter Stellen zeigt. Im Osten Deutschlands können derzeit über die Hälfte der offenen Arztstellen nicht nachbesetzt werden, bundesweit sind es etwa 28 Prozent. Ein deutlicheres Alarmsignal kann es kaum geben.

Was heißt das für den Patienten? Rationierung wird noch stärker spürbar werden. Zuwendung am Krankenbett ist unter solchen Bedingungen des Mangels kaum mehr möglich.

Die politisch gewollte Ökonomisierung im Krankenhauswesen führt zur Dehumanisierung der Patientenversorgung.

Ich weiß auch schon, wen die Politik dann für diesen dramatischen Qualitätsabbau verantwortlich machen wird – uns Ärzte. Dieses Spiel aber, meine Damen und Herren, ist endgültig vorbei. Wir werden vor jeder Wahl sehr genau darlegen, wer die Verantwortung für Unterfinanzierung und Rationierung im Gesundheitswesen trägt. Wenn 11 Prozent der Krankenhäuser zur Vermeidung existenzbedrohender Probleme Notlagentarifverträge abgeschlossen haben, zugleich aber per Gesetz gezwungen sind, Millionen Euro als Zwangsabgabe an die Krankenkassen abzugeben, dann hat jeder Wähler sofort verstanden, wem er für diesen Kaputtsanierungsbeitrag die Quittung geben muss.

Nicht mehr zu leugnen ist auch die Bereitschaft junger Ärztinnen und Ärzte – und mancher älterer –, ihr Glück im Ausland zu suchen. Viele dieser jungen Leute wollen nicht mehr um den Preis ihrer eigenen Gesundheit 60- oder gar 80-Stunden-Dienste in der Woche schieben, um sich dann auch noch die Qualität ihrer Arbeit von der Politik mies machen zu lassen. Ich habe Verständnis für diese Kollegen, ich finde es aber auch traurig, dass wir diesen, hier in Deutschland ausgebildeten und häufig auch weitergebildeten Ärztinnen und Ärzten keine Perspektive mehr bieten können. Auf diese Ressourcen können und dürfen wir nicht verzichten. Deshalb brauchen wir endlich vernünftige Rahmenbedingungen, die es gerade jungen Ärztinnen und Ärzten wieder leicht macht, sich für eine Tätigkeit in der kurativen Medizin bei uns in Deutschland zu entscheiden.

Es muss doch auch die Politiker in diesem Land beschämen, wenn Ärzte, die ins Ausland ausgewandert sind, sagen, dort würde man als Arzt noch anerkannt und nicht in bürokratische Fesseln gelegt wie hierzulande.

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