DGHO fordert Professionalität und Stärkung der ärztlichen Kontrolle in der Onkologie
"Betrugsverdacht bei Zubereitung von Krebsmitteln"- Formulierungen wie diese beherrschen in den letzten Tagen die Schlagzeilen. Krebsmittel müssen individuell dosiert werden und werden meist in einer Infusion verabreicht. Die Zubereitungen dafür kommen in fast allen Fällen aus speziell ausgerüsteten Apotheken. Jetzt ermittelt die Staatsanwalt- schaft Mannheim gegen zwei Pharmahändler und rund ein- hundert Apotheker. Sie sollen billig importierte nicht in Deutschland zugelassene Krebsmedikamente anstelle der teuren Markenmedikamente für die erwähnten Zuberei- tungen verwendet haben.
Die DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie e.V. verurteilt mit aller Entschiedenheit jegliche Manipulationen dieser Art. Betrug auf Kosten von Krebs- patienten ist ein widerwärtiges Vergehen und muss mit allen Mitteln des Rechtsstaats aufgeklärt und verfolgt werden.
Es reicht jedoch nicht, von den aktuellen Verdachtsfällen zu sprechen. Es muss aufgeklärt werden, welche Lücken Betrü- gereien erleichtern. Einzelheiten sind aus dem Ermittlungs- verfahren bisher nicht bekannt geworden. Es besteht aber die Möglichkeit, dass Apotheken und behandelnde Ärzte mit billigen nicht zugelassenen Ersatzsubstanzen versorgt wurden, ohne dass sie es bemerken konnten. Diese Tat- sache ist erschreckend. Wie kann das sein?
Zytostatikazubereitungen für jährlich 900 Mio. Euro werden lediglich über Pauschalziffern durch die Apotheken mit den Krankenkassen abgerechnet. Aus den Rechnungen gehen der Hersteller der Einzelsubstanzen bzw. der Markenname der Medikamente und ihr 7-stelliger Pharmacode nicht her- vor. Auf den Zytostatikazubereitungen für die Behandlung der Krebspatienten in Arztpraxen und Krankenhäusern ist in der Regel nur der Gehalt an Wirksubstanz vermerkt. Ärzten kann schon einmal die Empörung des Klinikapothekers ent- gegenschlagen, wenn sie nach den Handelsnamen der verwendeten Medikamente fragen.
Diese Dinge passen in den politischen Zusammenhang. Der Arzt behandelt und trägt dafür die Verantwortung. Immer mehr sollen aber Andere entscheiden, welches Medikament von welchem Hersteller dafür verwendet wird. Keine sechs Monate ist es her, dass die Gesundheitsreform den Kontroll- arzt für besondere Medikamente eingeführt hat, der genau diese Steuerung vornehmen soll. Glücklicherweise hat sich diese Idee bisher als nicht praktikabel erwiesen. In der Hoffnung auf Einsparungen betreibt die Politik die Ablösung der konkreten Entscheidung über die Medikamente vom ärztlichen Handeln.
Solange es sich um Allerweltsmedikamente wie Acetylsalicyl- säure handelt, mag ein solches Vorgehen in Ordnung sein. Krebsmedikamente sind jedoch nebenwirkungsreiche und diffizile Substanzen. Jetzt kommen auch bei den biotechno- logisch hergestellten Proteinen und Antikörpern für die Krebstherapie Nachahmerprodukte auf den Markt. Die Eigenschaften können nicht ebenso identisch sein wie die von chemisch einfachen Schmerzmedikamenten oder Vitaminen.
Ein Umdenken ist erforderlich. Die Verwendung von Krebs- medikamenten ist diffizil, gefährlich und teuer. Sie gehört in die Hände von Spezialisten. Es ist anachronistisch, dass in Deutschland zwar bestens geregelt ist, wer ein hochmo- dernes Gerät für Lungenröntgenaufnahmen mit minimalster Strahlenbelastung in die Obhut nehmen darf, dass Zytosta- tika jedoch ohne jede Einschränkung von jedem Arzt ver- ordnet werden dürfen. Genauso unerträglich ist es, wenn Ärzten, Patienten und Krankenkassen die Information vor- enthalten wird, was genau in Zytostatikazubereitungen ent- halten ist. Keine Frage: Das Vertrauen des Patienten muss auch dadurch erworben werden, dass auf dem Infusions- beutel exakt aufgeführt wird, was enthalten ist und woher es kommt.
Man muss sich in diesem Zusammenhang auch verdeut- lichen, dass eine Beschränkung der Deklaration auf die Wirkstoffe die Meldung von unerwarteten Nebenwirkungen an einen Hersteller von Medikamenten unmöglich macht.
Diffizile und teuere Krebstherapien gehören in die Hände spezialisierter Ärzte, wie es die Hämatologen und Onkologen sind. Nur so ist die Fachkompetenz gegeben für eine aus- reichende Kontrolle. Zusammen mit rückhaltloser Transpa- renz bei den Verordnungen kann so die Voraussetzung für die maximale Sicherheit der Patienten gewährleistet werden.
Hintergrund 1
Die Staatsanwaltschaft Mannheim führt Ermittlungsverfahren gegen zwei Pharmahändler und rund einhundert Apotheker aus dem gesamten Bundesgebiet. Die Personen werden verdächtigt, billige Zytostatika, die in Deutschland nicht zugelassen sind, importiert und an Patienten weitergegeben zu haben. Dabei wurden mit den Kassen die Preise für teurere in Deutschland zugelassene Präparate abgerechnet.
Hintergrund 2
Die DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie e.V. vertritt über 2.100 Ärzte und Wissenschaftler, die sich mit den Grundlagen der Krebsentstehung und mit der Diagnostik und Therapie von Krebserkrankungen befassen. Für Rückfragen können Sie sich jederzeit an das Hauptstadtbüro der DGHO wenden.
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