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Sonntag, 10. August 2008

Bundessozialgericht verwehrt Herstellerrabatt für DocMorris-Versandapotheke

Von: Bundessozialgericht / Pressemitteilung

Der Gesetzgeber hat die Krankenkassen seit 2003 finanziell dadurch entlastet, dass ihnen die Arz­neimittelhersteller Rabatt auf Arzneimittel für ihre (GKV)-Versicherten ge- währen müssen. Dieser (Her­steller-)Rabatt wird nicht un- mittelbar von den Herstellern an die Krankenkassen ge- zahlt; vielmehr erhalten die Krankenkassen den Rabatt dadurch, dass sie die Rechnungen der Apotheken um den Herstellerrabatt kürzen. Die Apotheken wiederum können Erstattung der ihnen gekürzten Beträge von den Arznei- mittelherstellern verlangen.

Eine solche Erstattung verlangte auch die Klägerin von dem beklagten Arzneimittelhersteller, die deutsche Niederlassung eines französischen Pharmakonzerns. Die  Klägerin betreibt in den Niederlanden als AG eine Internetapotheke (Versand- apotheke). Sie be­schafft sich die nach dem Arzneimittelge- setz (AMG) zugelassenen Arzneimittel bei deutschen Groß- ­händlern und gibt sie per Kurierdienst aus den Niederlanden ua an GKV-Versicherte in Deutschland als Sachleistung ab.

Sie hat hierzu Einzelverträge mit Krankenkassen ge- schlossen. Die Verträge sehen für die (reimportierten) Arz- neimittel einen geringeren Preis vor als denjenigen, der von Kran­kenkassen für das gleiche Arzneimittel bei Abgabe durch eine in Deutschland ansässige Apotheke zu zahlen wäre.

Die klagende Versandapotheke gab u.a. von 2003 bis 2007 Arzneimittel der Beklagten an GKV-Versi­cherte in Deutsch- land ab. Sie forderte vom beklagten Pharmaunternehmen zu Unrecht Erstattung des Herstellerrabatts, wie der 1. Senat des Bundessozialgerichts in seiner Sitzung vom 28. Juli 2008 ent­schieden hat. (Az.:  B 1 KR 4/08 R) Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung des so genannten Herstellerrabatts (§ 130a Abs 1 Satz 2 SGB V).

Der Herstellerrabatt gilt nur für Fertigarzneimittel, deren Apothekenabgabepreise durch die deutschen Preisvor- schriften bestimmt sind. Diesen Preis-Regelungen unterfallen Importarzneimittel nicht, mithin auch nicht die Arzneimittel, die die Klägerin im Rahmen des Versandhandels von den Niederlanden aus an GKV-Versicherte in Deutschland abge- geben hat. Die Beschränkung des Herstellerrabatts auf den Kreis der dem Inlandspreisrecht unterliegenden Fertigarz- neimittel verstößt nicht gegen europä­isches Recht.

Apotheken haben kein eigenes Interesse an der Reichweite der Regelung des Herstel­lerrabatts. Sie werden lediglich für dessen Abwicklung in Dienst genommen. Ihnen steht es durch Beitritt zum Rahmenvertrag nach § 129 Abs 2 SGB V frei, diskriminierungsfrei und europarechts­konform an der Versorgung GKV-Versicherter mit Arzneimitteln aus dem Ausland per Versandhandel teilzunehmen. Die Klägerin hat von diesem Recht keinen Gebrauch gemacht, sondern statt- dessen mit Krankenkassen Einzelverträge nach § 53 SGB X (nicht: § 140e SGB V) geschlossen, die weiter­gehende Rabatte vorsehen, als das Gesetz es krankenversicherungs- rechtlich verlangt.

Begibt sich indessen ein solcher Marktteilnehmer auf der Basis europarechtskonformen Gesetzesrechts freiwillig einer ihm vorteilhaften Rechtsposition, um einen Wettbewerbsvor- teil zu erlangen, kann er sich nicht gleichzeitig europarecht- lich darauf berufen, die Folgen seiner eigenen Rechtsausü- bung seien ihm partiell abträglich. Damit betreibe er unzu- lässige Rosinenpickerei. Der Herstellerrabatt einschließlich Beitrittsmöglichkeit zum Rahmenvertrag nach § 129 Abs 2 SGB V für ausländische Apotheken ver­stößt insgesamt nicht gegen europäisches Recht. Der "Herstellerrabatt" ist der Sache nach ein zuläs­siger "Preisstopp" iS des Art 4 der so genannten Transparenzrichtlinie (EWGRL 89/105) und damit europarechts-konform.

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