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Samstag, 16. Dezember 2006

Bundesrat fordert Revisison in der Arzneimittelpolitik

Von: Bundesrat / Drucksache 755/1/06

In seiner Stellungnahme zum Entwurf des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Kranken- versicherung (GKV-WSG) sieht der Bundesrat vor allem in folgenden drei Punkten (zur Arzneimittelpolitik) des Gesetz- entwurfes Verschärfungen gegenüber den im Sommer dieses Jahres von der Großen Koalition beschlossenen Eckpunkten:

  1. Kosten-Nutzen-Bewertung (§§ 35b, 139a SGB V),
  2. Erstattungshöchstbetrag (§ 31 Abs. 2a SGB V),
  3. Verordnung besonderer Arzneimittel mit Zweit- meinung (§ 73d SGB V).

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, diese Bestimmungen zu überprüfen und an die Eckpunkte anzupassen.

Begründungen

Allgemein:


Die pharmazeutische Industrie hat für den Wirtschafts- standort Deutschland eine große Bedeutung. Mit einem Investitionsanteil von 4,9 % des Umsatzes gehört sie zu den überdurchschnittlich investierenden Branchen in Deutschland und löst darüber hinaus erhebliche indirekte Produktions- und Investitionseffekte in anderen Wirtschaftsbereichen aus. Bereits die in der Vergangenheit eingeführten Regulierungen des Arzneimittelmarktes haben zu dem Bedeutungsverlust der deutschen pharmazeutischen Industrie auf dem Welt- markt mit beigetragen; umso mehr sind bei Entscheidungen im Hinblick auf zusätzliche Regulierungen deren Auswir- kungen auf Wertschöpfung und Beschäftigung zu berück- sichtigen und mit dem erhofften Beitrag zur Kostendämpfung abzuwägen.

Zu 1.) Kosten-Nutzen-Bewertung:

Nach den Eckpunkten soll die Kosten-Nutzen-Bewertung internationalen Standards auf hohem Niveau entsprechen. Der Gesetzentwurf setzt diese Vorgabe jedoch nicht adäquat um und birgt das Risiko, dass der bislang ungenügende methodologische Ansatz des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zur Nutzenbewertung fortgeführt wird.

Internationalen Standards entsprechend, sind bei Kosten-Nutzen-Bewertungen die Kostenträger und die gesellschaftliche Perspektive einzunehmen. Entsprechend sind Nutzen und Kosten möglichst vollständig zu berück- sichtigen. Dabei beinhalten gesundheitsökonomische Analysen zwangsläufig ein breites Spektrum verschiedener Studientypen, die sich nicht nur auf die von der evidenz- basierten Medizin primär geforderten klinischen Studien beschränken (so Gesetzesentwurf), sondern auch epidemiologische Kohortenstudien, Datenbankanalysen und Analysen von GKV-Verordnungsdaten in die Modellierung einbeziehen. Hinzu kommt, dass das Institut, welches die Kosten-Nutzen-Analyse durchführt, nicht gleichzeitig auch selbst die Angemessenheit und Erreichung internationaler Standards prüfen und bescheinigen sollte; hierzu sind externe, transparente Kontrollmechanismen erforderlich.

Zu 2.) Erstattungshöchstbetrag:

Es ist zunächst fraglich, ob die Festlegung eines Erstattungshöchstbetrages für innovative festbetragsfreie Arzneimittel mit dem Gedanken des Innovationsschutzes kompatibel ist. Durch die Einführung von Höchstbeträgen würden Innovationen neben der Vielzahl der bereits bestehenden Instrumente (wie etwa Festbeträge, Zwangsrabatte, Bonus-Malus-Regelungen) einem weiteren Preisregime unterworfen, ohne dass bislang die Wechselwirkungen dieser sich zum Teil widersprechenden oder gar gegenseitig aufhebenden Regulierungsmaßnahmen bekannt sind. Unabhängig davon ist sicherzustellen, dass (wie in den Eckpunkten vorgesehen) bei der Festlegung solcher Erstattungshöchstbeträge die Gesamtleistung des Unternehmens berücksichtigt wird und dies nicht auf die Entwicklungsleistung für das konkrete Arzneimittel verengt wird; der forschenden pharmazeutischen Industrie muss es grundsätzlich ermöglicht werden, auch die Aufwendungen für marktferne Forschung und fehlgeschlagene Entwicklungen zu refinanzieren.

Zu 3.) Verordnung besonderer Arzneimittel mit Zweitmeinung:

Im Gesetzesentwurf sind nur sehr vage Kriterien für die Auswahl der "besonderen Arzneimittel" vorgesehen. Eine Anpassung an den ursprünglichen Text des Eckpunkte- papiers, in dem präziser auf die Therapiequalität und auf hohe Jahrestherapiekosten von Arzneimittel-Innovationen abgestellt wurde, diente der Klarstellung und würde den Zugang der Patienten zu medizinisch notwendigen Arzneimitteln erleichtern. Bereits heute sind in Deutschland viele chronisch kranke Menschen unterversorgt, obwohl wirksamere Medikamente zu Einsparungen in anderen Bereichen führen können.

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