Bundesrat fordert mehr Schutz beim Online-Kauf von Arzneimitteln
Die Länder haben am 2. März zu einer Vorlage Stellung genommen, mit der die Europäische Kommission einen Beitrag zur positiven Entwicklung von Online-Diensten leisten möchte. Sie bitten die Bundesregierung, sich für weitergehende Vorschläge einzusetzen, die den Bürgern der EU auch beim Online-Kauf von Arzneimitteln ausreichenden Schutz gewähren.
In ihrer Mitteilung weist die Kommission darauf hin, dass Online-Dienste bei Verbrauchern und Unternehmen mittlerweile zwar eine zentrale Rolle spielen, das ungenutzte Potenzial aber noch enorm ist. Der Anteil der Internetwirtschaft am europäischen BIP sei im Jahr 2010 mit rund drei Prozent nach wie vor gering gewesen. Schätzungen zufolge würden sich die Kosten dieser unvollständigen Nutzung bis 2020 auf mindestens 500 Milliarden Euro belaufen. Aus diesem Grund legt die Kommission einen Aktionsplan zur Weiterentwicklung der Online-Dienste vor. Hiermit möchte sie einen Beitrag leisten, um die Haupthindernisse einer positiven Entwicklung des digitalen Binnenmarktes - wie zum Beispiel unzureichende Zahlungs- und Liefersysteme, Zahl von Missbrauchsfällen, unzureichendes Angebot an Breitbandnetzen - zu beseitigen.
Lesen Sie dazu die:
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Ein kohärenter Rahmen zur Stärkung des Vertrauens in den digitalen Binnenmarkt für elektronischen Handel und Online-Dienste.
Der Bundesrat hat in seiner 893. Sitzung am 2. März 2012 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zu Arzneimittelkäufen im Internet
- Der Bundesrat begrüßt das Vorhaben der Kommission, den Schutz von Patientinnen und Patienten beim Kauf von Arzneimitteln im Internet zu verbessern und die speziell mit dem Online-Verkauf von Arzneimitteln verbundenen eventuellen Risiken zu prüfen.
- Grundsätzlich ist das Bestreben der Kommission, den Schutz von Patientinnen und Patienten durch die Einführung von Gütesiegeln zu verbessern, zu begrüßen. Nach den in Deutschland gewonnenen Erfahrungen stellt sich die Frage, inwieweit Gütesiegel praktische Wirksamkeit entfalten. Seit dem Jahr 2009 existiert in Deutschland ein solches Siegel. Trotz entsprechender Bemühungen ist das Siegel wenig bekannt. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben angesichts der Flut von seriösen und unseriösen Siegeln auf Websites kaum eine Chance, die Bedeutung dieses behördlichen Siegels zu erkennen. Im Rahmen universitärer Forschung wurde festgestellt, dass das betreffende Siegel nicht fälschungssicher ist. Als Unsicherheitsfaktor kommt hinzu, dass es technisch möglich ist, unseriösen Websites den Anschein legaler Angebote zu verleihen. Dazu wird auf eine Website mit behördlichem Anschein verlinkt und der scheinbar behördlich legitimierten Liste zugelassener Apotheken der Name des entsprechenden unseriösen Angebots hinzugefügt.
- Es ist eine Herausforderung, aus dem unüberschaubaren Online-Angebot an Arzneimitteln aus verschiedensten Quellen legale Angebote zu ermitteln. Anhand der behördlichen Begutachtung der zahlreichen, durch den Zoll angehaltenen Arzneimittelsendungen zeigt sich, dass Verbraucherinnen und Verbraucher oft undifferenziert und ohne Risikobewusstsein auswählen oder ihnen gezielt von unseriösen Anbietern Heilungs- oder Linderungsangebote gemacht werden.
- Die Möglichkeit, Arzneimittel legal im Internet zu erwerben, hat, statt die Verbraucherinnen und Verbraucher für legale und illegale Angebote zu sensibilisieren, dazu geführt, dass das Internet als vermeintlich sichere Quelle für Arzneimittel jeglicher Art und Herkunft genutzt wird. In Gesprächen mit Arzneimittelüberwachungsbehörden geben Verbraucherinnen und Verbraucher immer wieder an, dass Arzneimittelangebote im Internet "behördlich überwacht" und daher ohne Risiko seien.
- Zu den im Zusammenhang mit dem Online-Erwerb von Arzneimitteln bestehenden Risiken gehören zum Beispiel Arzneimittel ohne Wirkstoff, mit überoder unterdosiertem Wirkstoff, mit Zusatz toxischer Stoffe, als rein pflanzlich ausgewiesene Arzneimittel mit undeklariertem Zusatz hochwirksamer Substanzen, parenterale Arzneimittel mit Belastung durch Partikel, Arzneimittel mit nicht zugelassenen, zum Teil hochtoxischen Inhaltsstoffen. Der Vertrieb erfolgt oft über Websites, die den Anschein von Seriosität vermitteln.
- Der Bundesrat stellt fest, dass alle Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Patientinnen und Patienten in der EU, unabhängig von Herkunft, Bildungsgrad, Risikobewusstsein, vertieften Kenntnissen über Sicherheit im Internet und ihrem Wissen und Engagement in Gesundheitsfragen, gleichermaßen ein Recht auf die Behandlung mit qualitativ einwandfreien und sicheren Arzneimitteln haben, unabhängig davon, ob die Behandlung mit ärztlich verordneten Arzneimitteln oder im Rahmen der Selbstmedikation erfolgt.
- Das Zusammentreffen von Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in eine staatliche Kontrolle, die vermeintlich den gesamten Internethandel umfasst, mit krimineller Energie, die sich auf seriös wirkenden Websites gezielt Sorgen und Ängste zu Nutze macht, birgt nach Auffassung des Bundesrates erhebliche Risiken. Deshalb bittet der Bundesrat die Bundesregierung sich dafür einzusetzen, dass die Kommission im weiteren Verfahren praktikable Vorschläge vorlegt, die allen Bürgerinnen und Bürgern der EU ausreichenden Schutz gewähren.
- Weiterführende Links
- bundesrat.de