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Montag, 27. Juni 2011

Bundesärztekammer präsentiert ihre Behandlungsfehler-Statistik 2010

Von: Bundesärztekammer / Pressemitteilung

"Wer Fehler vermeiden will, muss wissen, wo sie passieren. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass sich in der Medizin in den vergangenen Jahren eine neue Kultur im Umgang mit Fehlern etabliert hat. Wir Ärztinnen und Ärzte dokumentieren Fehler und Beinahe-Fehler, wir analysieren mögliche Ursachen und wir entwickeln Strategien zur Vermeidung von Fehlern. Hierzu tragen die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern mit ihrer Arbeit wesentlich bei." Das sagte Dr. Andreas Crusius, Vorsitzender der Ständigen Konferenz der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen, bei der Vorstellung der Behandlungsfehler-Statistik 2010 in Berlin.

Wie aus der Statistik hervorgeht, haben die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen bei den Ärztekammern im Jahr 2010 insgesamt 7.355 Anträge zu mutmaßlichen Behandlungsfehlern bearbeitet. Dabei lag in 2199 Fällen ein Behandlungsfehler oder Risikoaufklärungsmangel vor. In 1821 Fällen wurde ein Behandlungsfehler als Ursache für einen Gesundheitsschaden ermittelt, der einen Anspruch des Patienten auf Entschädigung begründete. Die häufigsten Diagnosen, die zu Behandlungsfehlervorwürfen führten, waren wie in den Vorjahren Knie- und Hüftgelenkarthrosen sowie Unterarm-, Unterschenkel- und Sprunggelenkfrakturen. Bei der Vorstellung der Ergebnisse wurden auch Verläufe dargestellt, aus denen erkennbar ist, wie sich Fehlerschwerpunkte in den vergangenen Jahren entwickelt haben. So hat sich die Zahl der nachgewiesenen Fehler bei der Behandlung von Brustkrebs im niedergelassenen Bereich in den vergangenen fünf Jahren fast halbiert (29 Fälle). In den Krankenhäusern stieg die Zahl der nachgewiesenen Fehler bei Kniegelenkarthrose (52 Fälle in 2010) und Unterarmfrakturen (57 Fälle in 2010) leicht an.

Wie nur wenige Institutionen im Gesundheitswesen verfügen die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen über eine Datenbank, in der die Fälle der letzten Jahre gesammelt werden. Mit diesem Medical Error Reporting System kann ermittelt werden, welche Vorwürfe Patienten gegen Ärzte erheben, welche Diagnosen zur Antragstellung führen und bei welchen Krankheitsbildern es am häufigsten zu Behandlungsfehlern kommt. "Das aus der systematischen Aufarbeitung von Behandlungsfehlern gewonnene Wissen trägt  wesentlich zur Entwicklung von Fehlervermeidungsstrategien bei", sagte Crusius.

Prof. Dr. med. Walter Schaffartzik, Ärztlicher Leiter des Unfallkrankenhauses Berlin und Vorsitzender der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, verwies auf die hohen Standards für die Gutachtenerstellung. Die Norddeutsche Schlichtungsstelle schule in Kolloquien die Gutachter, die gleichermaßen für Gerichte und Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen tätig sind.  Neben der Vermittlung wichtiger juristischer Kenntnisse würden unter anderem anhand anonymisierter Vorstellungen abgeschlossener Schlichtungsverfahren auch die medizinischen Anforderungen an die Erstellung eines Gutachtens eingehend erörtert. "Geschulte Gutachter sind damit ausgewiesene Experten in ihrem Bereich, so dass sich Patienten und Ärzte darauf verlassen können, dass ihr Fall eine Begutachtung auf einem hohen Qualitätsniveau erfährt", so Schaffartzik.

Gut ein Viertel aller vermuteten Arzthaftungsfälle in Deutschland wird durch die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern bewertet. Die seit 1975 bei den Ärztekammern eingerichteten Stellen bieten eine Begutachtung durch unabhängige Experten und außergerichtliche Streitschlichtung bei Behandlungsfehlervorwürfen an. Der Patient kann durch ein effizientes und gebührenfreies Verfahren überprüfen lassen, ob sein Behandlungsfehlervorwurf gerechtfertigt ist. In ca. 90 Prozent der Fälle werden die Entscheidungen der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen von beiden Parteien akzeptiert und die Streitigkeiten beigelegt. Wird nach Begutachtung durch diese Institutionen doch noch der Rechtsweg beschritten, werden die Gutachten der Kommissionen überwiegend bestätigt.

Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen bei den Ärztekammern

Bei den Landesärztekammern sind seit 1975 Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen eingerichtet, die als weisungsunabhängige Gremien bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Arzt und Patient objektiv klären, ob die gesundheitliche Komplikation auf einer haftungsbegründenden ärztlichen Behandlung beruht. Ziel dieser Einrichtungen ist die außergerichtliche Einigung zwischen Arzt und Patient. Das Verfahren vor den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen ist durch Verfahrensordnungen bzw. Statuten oder Vereinbarungen geregelt.

Während die Schlichtungsstellen in ihrer Stellungnahme Schadensersatzansprüche dem Grunde nach beurteilen, wird bei den Gutachterkommissionen das ärztliche Handeln als solches begutachtet. Die Entscheidungen der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen sind Feststellungen oder Empfehlungen. Wenn der Patient oder Arzt mit der Entscheidung der Gutachterkommission oder Schlichtungsstelle nicht einverstanden ist, kann er den ordentlichen Rechtsweg beschreiten. Eine Klage vor Gericht wird durch die Tätigkeit der Gutachterkommissionen und  Schlichtungsstellen also nicht ausgeschlossen. Das Verfahren vor den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen ist für die Beteiligten gebührenfrei. Durch die Besetzung dieser Gremien mit Ärzten und Volljuristen ist Sachverstand und Objektivität gewährleistet. Die Verfahrensdauer vor den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen ist unterschiedlich, dies ist in den verschiedenen Verfahrensordnungen bzw. Statuten begründet. In der Regel ist jedoch mit einer durchschnittlichen Bearbeitungsdauer von etwa 10 bis 12 Monaten zu rechnen. Dies ergibt sich zum Teil aus den Schwierigkeiten des zu beurteilenden Sachverhaltes oder längeren Wartezeiten auf ärztliche Stellungnahmen, Berichte oder Sachverständigengutachten.

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