Großer Sitzungsaal beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe (Foto: BGH)

Mittwoch, 13. April 2011

BGH entscheidet über Verdacht auf Bestechung von Kassenärzten durch Hilfsmittelhändler

Von: Bundesgerichtshof / Pressemitteilung

Beim Bundesgerichtshof führt die Bundesanwaltschaft Klage wegen des Verdachts auf "Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr" gegen eine Firma für Medizingeräte, die Ärzten Rechnungen für hochwertige Reizstromgeräte in ihren Praxen erließ, wenn sie geeigneten Patienten entsprechende Geräte zur Eigenanwendung verordnet hatten. Nachdem das Landgericht Stade hier am 4. August 2010 keine Voraussetzung für Rechtsverstöße sah und eine Klage der Staatsanwaltschaft Verden (Aller) abwieß, kam es zu dem Revisionsverfahren beim Bundesgerichtshof.

Lesen Sie dazu die Pressemitteilung des höchsten Gerichts für Zivil- und Strafverfahren nach der Verhandlung des 3. Strafsenats am 17. März. Dem Ausgang des Verfahrens wird große Bedeutung beigemessen, wie zukünftig alle Arten von Vergünstigungen für Ärzte durch die Hersteller und Anbieter von Therapeutika rechtlich beurteilt werden:

Die Staatsanwaltschaft Verden (Aller) führte gegen den Geschäftsführer eines Unternehmens ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und der Bestechung. Das Unternehmen vertreibt u. a. als Hilfsmittel im Sinne der sozialrechtlichen Regelungen eingeordnete Geräte, die zur elektromedizinischen Reizstromtherapie bestimmt sind. Nachdem das Ermittlungsverfahren mit der Begründung eingestellt worden war, der Geschäftsführer sei einem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterlegen, hat die Staatsanwaltschaft in einem selbstständigen Verfallsverfahren beantragt, gegen das Unternehmen Wertersatz in Höhe von 350.225 Euro für verfallen zu erklären.

Das Landgericht Stade hat diesen Antrag als unzulässig verworfen. Nach den von ihm getroffenen Feststellungen schloss das Unternehmen mit der AOK N. Verträge über die Abgabe der Reizstromtherapiegeräte an Patienten zur häuslichen Eigenanwendung. Es stellte zudem niedergelassenen Ärzten hochwertige Apperaturen für deren Praxis zur Verfügung und erließ das hierfür zu zahlende Entgelt vollständig oder teilweise, wenn der Arzt Verordnungen über den Bezug eines Reizstromtherapiegeräts ausstellte und diese dem Unternehmen zukommen ließ. Zwischen September 2004 und November 2008 gingen dem Unternehmen mehr als 70.000 Verordnungen zu. Es rechnete seine Leistungen sodann jeweils gegenüber der AOK ab.

Das Landgericht hat diesen Sachverhalt rechtlich dahin gewürdigt, dass weder die Voraussetzungen einer Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 StGB*) noch diejenigen einer Vorteilsgewährung nach § 333 StGB**) oder Bestechlichkeit nach § 334 StGB***) gegeben seien. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision. (LG Stade - 12 KLs 170 Js 18207/09 - Urteil vom 4. August 2010)

Der 3. Strafsenat wird u. a. darüber zu befinden haben, ob ein niedergelassener Vertragsarzt bei der Verordnung von Hilfsmitteln Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen im Sinne des § 299 Abs. 2 StGB* ist. Diese Frage ist in der Literatur umstritten. Höchstrichterlich geklärt ist sie noch nicht. Im Zusammenhang mit einer möglichen Strafbarkeit wegen Betrugs nach § 263 StGB und Untreue nach § 266 StGB ist bisher lediglich entschieden, dass der Vertragsarzt bei der Verordnung eines Arzneimittels als Vertreter der Krankenkasse handelt und mit Wirkung für und gegen diese eine Willenserklärung zum Abschluss eines Kaufvertrages über das verordnete Medikament abgibt (BGH, Beschlüsse vom 25. November 2003 - 4 StR 239/03, BGHSt 49, 17; vom 27. April 2004 - 1 StR 165/03, NStZ 2004, 568).

*) § 333 StGB - Vorteilsgewährung

  • (1) Wer einem Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr für die Dienstausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten anbietet, verspricht oder gewährt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
  • (2) Wer einem Richter oder Schiedsrichter einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, daß er eine richterliche Handlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
  • (3) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme des Vorteils durch den Empfänger vorher genehmigt hat oder sie auf unverzügliche Anzeige des Empfängers genehmigt.

**) § 334 StGB- Bestechung

  • (1) Wer einem Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundeswehr einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, daß er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.
  • (2) Wer einem Richter oder Schiedsrichter einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, daß er eine richterliche Handlung
    • 1. vorgenommen und dadurch seine richterlichen Pflichten verletzt hat oder
    • 2. künftig vornehme und dadurch seine richterlichen Pflichten verletzen würde, wird in den Fällen der Nummer 1 mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar.
  • (3) Falls der Täter den Vorteil als Gegenleistung für eine künftige Handlung anbietet, verspricht oder gewährt, so sind die Absätze 1 und 2 schon dann anzuwenden, wenn er den anderen zu bestimmen versucht, daß dieser
    • 1. bei der Handlung seine Pflichten verletzt oder,
    • 2. soweit die Handlung in seinem Ermessen steht, sich bei der Ausübung des Ermessens durch den Vorteil beeinflussen läßt.

***) § 299 StGB - Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr

  • (...)
  • (2) Ebenso wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs einem Angestellten oder Beauftragten eines geschäftlichen Betriebes einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, daß er ihn oder einen anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen in unlauterer Weise bevorzuge.
  • (...)
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