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Donnerstag, 21. August 2008

Bayern und Sachsen legen Gesetzentwurf gegen Arzneimittelversand vor

Von: Bundesrat / Bundesdrucksache

Die Bundesländern Bayern und Sachen legen als Initiative des Bundesrates einen "Gesetzesentwurf zur Rückführung des Versandhandels mit Arzneimitteln auf das europarecht- lich gebotene Maß" vor, den den Versandhandel mit rezept- pflichtigen Arzneimitteln verbieten soll. Der Gesetzesantrag wird wie folg begründet:

Problem und Ziel des Gesetzes

Mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Kran- kenversicherung wurde zum 1. Januar 2004 in Deutschland der Versandhandel mit allen Arzneimitteln, die zur Anwen- dung am Menschen bestimmt sind, zugelassen. Für Arznei- mittel zur Anwendung am oder im tierischen Körper blieb es aus Gründen des Tierschutzessowie zum Schutz der Gesund- heit des Menschen beim Verbot des Versandhandels.

Diese Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen erfolgte trotz eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 11. Dezember 2003 (C-322/01). In diesem Urteil hat der Europäische Gerichtshof ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und damit eine Einschränkung von im Gemein- schaftsrecht verankerten Grundfreiheiten aus Gründen des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung als zulässig erachtet. Seither hat sich dem legalen Versandhandel mit Arzneimitteln in Deutschland kein nennenswerter Markt erschlossen.

Allerdings hat die Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln zu einer Verminderung der Patientensicherheit geführt. Weil von Patientinnen und Patienten nicht klar zwischen legalen und illegalen Versandangeboten von Arzneimitteln unterschieden werden kann, ist in Deutschland die Gefahr von Arzneimittelfälschungen gestiegen. Aktuelle Recherchen bestätigen, dass ca. 95 % der im Internet angebotenen verschreibungspflichtigen Arzneimittel ohne Verschreibung (d.h. illegal) erhältlich sind.

Dazu kommt, dass durch ein aktuelles Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 2008 (BVerwG 3 C 27/07) höchstrichterlich entschieden wurde, dass Versandapotheken aus dem EU-Ausland für das Sammeln von Rezepten und die Aushändigung der bestellten Arzneimittel an Patientinnen und Patienten die Dienste von Gewerbebetrieben (z.B. Drogeriemärkten, Videotheken) in Anspruch nehmen dürfen. Dies bedeutet faktisch eine Ausweitung des Versandhandels mit Arzneimitteln, deren Umfang gegenwärtig überhaupt noch nicht absehbar ist. Mit diesem Urteil droht die Entwicklung des klassischen Versandhandels mit Arzneimitteln (direkte Bestellung, direkte Belieferung) hin zu schwer überschaubaren Varianten mit von Dritten betriebenen Diensten.Diese Entwicklungen stellen den bislang existierenden ordnungspolitischen Rahmen für eine sichere und flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung weitgehend in Frage. Sie erfordern die Rückführung des Versandhandels mit Arzneimitteln auf das europarechtlich gebotene Maß, d.h.auf Grundlage des EuGH-Urteils C-322/01 ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Der Gesetzentwurf hat keine Berührungspunkte zu den gegenwärtig vom Europäischen Gerichtshof zu entscheidenden Vertragsverletzungsverfahren wegen des Fremd- und Mehrbesitzverbotes bei Apotheken in Deutschland. Ziel des Gesetzentwurfes ist es, bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln die direkte und umfassende fachliche Verantwortung der Apotheken wiederherzustellen, unabhängig davon, in welcher juristischen Form die Apotheken organisiert sind.

Lösung

Änderung der entsprechenden Vorschriften im Arzneimittelgesetz, Apothekengesetz sowie in der Apothekenbetriebsordnung, um zu erreichen, dass zukünftig nur noch Versandhandel mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln betrieben werden kann. Als Ersatz für den nicht mehr möglichen Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erfolgt mit dem Entwurf weiterhin die Schaffung eines besonderen Botensystems durch Apotheken, um vor allem immobilen Patientinnen und Patienten, älteren Bürgerinnen und Bürgern, Berufstätigen oder Patientinnen und Patienten mit größeren Entfernungen zur nächsten Apotheke weiterhin die Möglichkeit offen zu halten, verschreibungspflichtige Arzneimittel im Einzelfall nach Hause geliefert zu bekommen.

Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

Eine abschließende Kostenschätzung ist zur Zeit nicht möglich. Es ist jedoch davon auszugehen, dass ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im Vergleich zur gegenwärtig sehr unübersichtlichen Situation die notwendigen Überwachungsaktivitäten der zuständigen Behörden reduziert. Durch den Gesetzentwurf bedingte Mehrkosten für die öffentlichen Haushalte sind nicht zu erwarten.

Sonstige Kosten

Durch den Gesetzentwurf kann es zu geringfügigen Umsatzverlagerungen zwischen Versand- und Präsenzapotheken kommen. Da in Deutschland der Arzneimittelversand nur aus einer Präsenzapotheke heraus möglich ist (Versandapotheken sind immer auch Präsenzapotheken.) und der Versand nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel weiterhin möglich bleibt, werden Versandapotheken nicht in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Auswirkungen auf das Verbraucherpreisniveau sind durch den Gesetzentwurf nicht zu erwarten.

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