Veränderungsraten 2006 zu 2005 je Mitglied (M) und je Versicherten (V) in Prozent (Grafik: BMG)

Mittwoch, 07. Juni 2006

Ausgabendefizite der gesetzlichen Krankenversicherung im 1. Quartal 2006

Von: Bundesministerium für Gesundheit / Pressemitteilung

"Die gesetzliche Krankenversicherung hat durch den Bundeszuschuss von 4,2 Mrd. Euro und die neuen Maßnahmen zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben die Möglichkeit, das Jahr 2006 noch mit einem weitgehend ausgeglichenen Finanzergebnis abzuschließen. Dies erleichtert der Koalition die Aufgabe, für 2007 und die Folgejahre die Finanzgrundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung auf ein solides Fundament zu stellen." Dies erklärt Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt zur Vorlage der vorläufigen Finanzergebnisse der gesetzlichen Krankenversicherung für das 1. Quartal 2006.

In den Monaten Januar bis März, in denen die Ausgaben in aller Regel die Einnahmen übersteigen, ergibt sich für die Krankenkassen insgesamt ein Ausgabenüberhang von rd. 1,22 Mrd. Euro. Davon entfielen 1,10 Mrd. Euro auf den Bereich der alten und rd. 120 Mio. Euro auf den Bereich der neuen Länder.

Die Einnahmeseite ist im 1. Quartal gekennzeichnet durch einen nur geringen Zuwachs von 0,2% bei den beitragspflichtigen Einnahmen. Auch wenn hier im weiteren Jahresverlauf noch eine günstigere Entwicklung aufgrund der konjunkturellen Belebung, der sinkenden Arbeitslosenzahlen und der neueren Tarifabschlüsse erwartet werden kann, bleibt der Handlungsbedarf für eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlagen und Verringerung der Abhängigkeit vom Faktor Arbeit offenkundig.

Bei den Finanzdaten zu den Einnahmen des 1. Quartals, die noch in hohem Maße auf Schätzungen beruhen, sind nicht nur – wie jedes Jahr – bei der Beitragsbemessung kaum Einmalzahlungen berücksichtigt. Im 1. Quartal 2006 ist auch noch kein Anteil des pauschalen Bundeszuschusses von 4,2 Mrd. Euro bei den Einnahmen berücksichtigt. Diesen Zuschuss erhalten die Krankenkassen in diesem Jahr in zwei Tranchen von jeweils 2,1 Mrd. Euro zum 1. Mai und 1. November. 

Außerdem ist das 1. Quartal 2006 auf der Ausgabenseite noch von einer ungebremsten zweistelligen Expansion bei Arzneimitteln vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung geprägt. Erste Daten der Apotheken für den April deuten darauf hin, dass es dort zu einer Trendwende kommen könnte. Auch der in den ersten drei Monaten feststellbare überproportionale Ausgabenanstieg im Krankenhausbereich wird sich im weiteren Jahresverlauf voraussichtlich noch relativieren.

Im Koalitionsvertrag haben sich CDU/CSU und SPD gemeinsam darauf verpflichtet, "das Beitragssatzniveau in der gesetzlichen Krankenversicherung mindestens stabil zu halten". Trotz Beitragssatzanpassungen bei einzelnen Krankenkassen seit Anfang 2006 ist dies bislang gelungen. Der durchschnittliche allgemeine Beitragssatz liegt weiterhin bei knapp 13,3%.

Ohne wirksames Handeln des Gesetzgebers drohen ab 2007 allerdings erhebliche Defizite und eine erneute Welle von Beitragssatzsteigerungen. Nicht nur der zur Haushaltskonsolidierung beschlossene schrittweise Abbau des Bundeszuschusses für die versicherungsfremden Leistungen sowie die Anhebung der Mehrwertsteuer für Medikamente und Hilfsmittel führen bei den Krankenkassen in 2007 zu Mehrbelastungen von rd. 3,5 und ab 2008 sogar von rd. 5 Mrd. Euro. Ohne Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit auf der Ausgabenseite und eine nachhaltige Stärkung und Verbreiterung der Finanzgrundlagen der Krankenkassen muss auch weiterhin mit einer deutlichen Schere zwischen Ausgaben- und Einnahmensteigerungen gerechnet werden. Diese Schere dauerhaft zu schließen, ist die Aufgabe, der sich Bundesregierung und Koalitionsfraktionen in den laufenden Verhandlungen zur Gesundheitsreform stellen.

Im 1. Quartal 2006 stiegen die Leistungsausgaben der Krankenkassen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum je Mitglied um 4,8% an; bei den beitragspflichtigen Einnahmen gab es einen Anstieg von 0,2%. In den wichtigsten Leistungsbereichen gab es im 1. Quartal 2006 folgende Veränderungsraten:

Die Arzneimittelausgaben sind in den Monaten Januar bis März im Vergleich zu der bereits hohen Ausgangsbasis des entsprechenden Vorjahreszeitraums nochmals um rd. 10,5% und somit um knapp 0,6 Mrd. Euro gestiegen. Die Strukturkomponente – die Verordnung neuer teurerer Arzneimittel, die zu oft ohne medizinische Notwendigkeit anstelle bewährter und sicherer Medikamente eingesetzt werden – hat die ungebremste Ausgabenentwicklung bei Medikamenten weiterhin geprägt. Die neuesten Daten der Deutschen Apothekerverbände für den Monat April mit einem Rückgang von 6,3% gegenüber dem April 2005 sind ein erstes Signal, dass die Fachkreise sich bereits jetzt auf die Regelungen des Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung einstellen. Dieses Gesetz wird die Kostenentwicklung bei Arzneimitteln auch im weiteren Jahresverlauf spürbar dämpfen. Ab dem 1. Juli 2006 treten dann die neuen, überwiegend abgesenkten Festbeträge in Kraft. Gleichzeitig werden bestimmte Arzneimittel mit Preisen mindestens von 30 % unter dem Festbetrag von der Zuzahlung frei gestellt. Für die Versicherten besteht somit die Möglichkeit, viele Medikamente zuzahlungsfrei zu erhalten. Die gesetzlichen Krankenversicherungen werden darüber im Internet informieren unter: www.gkv.info.

Die Krankenhäuser verzeichnen einen überproportionalen Zuwachs von 5,8%, nachdem die Ausgabenentwicklung in den letzten Jahren hier moderat verlaufen ist. Mit rund einem Drittel ist der Krankenhausbereich der größte Ausgabenbereich der gesetzlichen Krankenkassen. Zu dem Anstieg tragen beschleunigte Abrechnungsverfahren der Krankenhäuser ebenso bei wie statistische Basiseffekte (u. a. führen verspätete Budgetabschlüsse für 2005 zum Teil erst in 2006 zu einer Abfinanzierung der Budgets). Gleichwohl wird auch bei den Krankenkassen im weiteren Jahresverlauf mit einer Abflachung der Zuwächse für Krankenhausausgaben gerechnet.

Der Zuwachs von 2,3% bei den Ausgaben für ambulante ärztliche Behandlung ist maßgeblich von einem Zuwachs von 7,5% in den neuen Ländern geprägt. Diese Entwicklung deutet offensichtlich bereits auf eine deutliche Verbesserung der Honorarsituation der ostdeutschen Ärzte hin. Die auffällig hohen Veränderungsraten von 23,3% bei den Zahnersatzausgaben sind vor dem Hintergrund der starken Einbrüche von -rd. 41,1% im 1. Quartal 2005 nachvollziehbar. Obwohl die Ausgaben für Zahnersatz somit immer noch deutlich niedriger lagen als in den ersten drei Monaten des Jahres 2004 scheint sich die Entwicklung in diesem Bereich allmählich wieder zu normalisieren.

Weiterhin deutliche Rückgänge von -3,7% gab es bei den Krankengeldausgaben der Kassen. Die Krankengeldausgaben wie die Aufwendungen der Arbeitgeber für die Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall sind in Folge des weiterhin sehr niedrigen Krankenstandes bereits seit einigen Jahren rückläufig. Die Verwaltungskosten der Krankenkassen sind nach einem Ausgabenrückgang von 1,4% im Vorjahresquartal im 1. Quartal 2006 mit 4,3% wieder deutlich gestiegen. Auch aufgrund dieses statistischen Basiseffekts ist nicht zwangsläufig für das gesamte Jahr 2006 wieder eine Expansion bei den Verwaltungskosten zu erwarten.

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