ABDA sieht die Betriebserlaubnis für DocMorris als nicht gerechtfertigt
Die ABDA Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände gibt bekannt: Der Gesundheitsminister des Saarlands, Josef Hecken, CDU, hat dem niederländischen Versandhändler DocMorris N. V. erlaubt eine Apotheke in Saarbrücken zu betreiben. Dagegen klagen unter anderem der Deutsche Apothekerverband und die Apothekerkammer des Saarlandes beim Verwaltungsgericht Saarlouis. "Mit seiner Entscheidung stellt sich ein Landesminister bewusst gegen deutsches Recht, das nur approbierten Apothekern erlaubt eine Apotheke zu betreiben", sagte Heinz-Günter Wolf, Präsident der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Wolf forderte Hecken auf, die Erlaubnis sofort zurückzunehmen.
Das saarländische Gesundheitsministerium hatte Ende Juni mit Hinweis auf EU-Recht die Erlaubnis an die niederländische Kapitalgesellschaft erteilt. Damit erklärt die Spitze einer Landesverwaltung den Willen des Bundesgesetzgebers für rechtswidrig und schafft entgegengesetzte Fakten. "Auch ein noch so ambitionierter Landesminister darf Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit nicht in Frage stellen", sagte Wolf.
Aus gutem Grund dürfen in Deutschland Apotheken nur von freiberuflich tätigen Pharmazeuten betrieben werden. Sie beraten ihre Kunden unabhängig in Bezug auf das gesamte Spektrum der Arzneimittel. Werden Apotheken von Kapitalgesellschaften betrieben, steigt die Gefahr, dass die Auswahl der Medikamente eingeschränkt wird.
Das Urteil vom 9. August, des Landgerichts Saarbrücken stütze den Minister entgegen anderslautender Auffassung nicht. Lediglich der Eilantrag einer Apothekerin auf sofortige Schließung der Apotheke wurde in der ersten Instanz zurückgewiesen. In den inhaltlich maßgeblichen Rechtsfragen stünden gerichtliche Entscheidungen der in erster Linie zuständigen Verwaltungsgerichte noch aus.
"Das vom saarländischen Gesundheitsminister vorgestellte Gutachten rechtfertigt die Missachtung deutschen Apothekenrechts nicht", so Heinz-Günter Wolf, Präsident der ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Es bestehe weder eine europäische Rechtsvorschrift noch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, die Deutschland ausdrücklich zwingen, Kapitalgesellschaften den Betrieb von Apotheken zu erlauben. Der von Minister Hecken vorgegebene Zwang zum Handeln resultiere aus einer fehlerhaften tatsächlichen Wertung des Gutachters und einer bislang so nicht vertretenen Rechtsauffassung. Wenn auf solch dünner rechtlicher Basis in Zukunft deutsche Politik gemacht werde, seien Gesetze das Papier nicht mehr wert, auf dem sie stehen. Der Gutachter selbst räume die auf der Hand liegenden Risiken einer Missachtung deutschen Rechts unter Berufung auf europäisches Recht ein, die den Willen des Parlaments konterkarieren und zum rechtlichen Chaos führen würden. "Staatsräson ist des Ministers Sache offenbar nicht", so Wolf.
Hier lesen Sie dazu die Pressemitteilung des Saarländischen Ministerium für Justiz, Gesundheit und Soziales:
Gesundheitsminister Josef Hecken: Entscheidung des Landgerichts bestätigt Rechtsauffassung der Saarländischen Landesregierung: Doc Morris Apotheke darf in Saarbrücken betrieben werden.
Anlässlich der heutigen Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken erklärt Gesundheitsminister Josef Hecken: „Die Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken in dem einstweiligen Verfügungsverfahren einer Saarbrücker Apotheke gegen Doc Morris bestätigt die Rechtsauffassung der Saarländischen Landesregierung. Die Erteilung der Betriebserlaubnis zum Betrieb einer Apotheke in Saarbrücken an Doc Morris N.V. ist rechtmäßig. Der Antrag eines Saarbrücker Apothekers gegen Doc Morris an das Gericht, Doc Morris den Betrieb einer Apotheke in Deutschland, insbesondere in Saarbrücken zu betreiben, wurde zurückgewiesen. Mit dieser Entscheidung hat das Gericht deutlich gemacht, dass der Bescheid des Gesundheitsministeriums zum Betrieb der Apotheke im Saarland nicht nichtig ist und auch nicht gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen verstößt.
Minister Hecken wies die Rücktrittsforderung des Apothekerverbandes zurück: „Die Forderung ist geradezu absurd, denn sowohl die Strafanzeigen gegen mich wegen Rechtsbeugung, als auch das Verfügungsverfahren gegen Doc Morris selber, waren erfolglos. Die Apotheker müssen einsehen, dass in Europa geänderte Rahmenbedingungen vorliegen. Statt zu klagen, sollten sie sich darauf einstellen und sich fit machen für den Wettbewerb. Auch die organisierte Flut übelster, mich persönlich beleidigender und polemischer Schreiben, die offenbar zentral gesteuert bei mir eingehen, zeugt nicht von hohem Berufsethos, sondern ist hart an der Grenze dessen, was mir persönlich hinnehmbar erscheint. Ich verzichte meinerseits aber auf rechtliche Schritte gegen diese beleidigenden Schreiben, weil ich mich mit den Verfassern der Machwerke nicht auf eine Stufe stellen will.
Es gilt: Die Vorschriften des Apothekengesetzes stehen der Erteilung der Betriebserlaubnis an ein ausländisches Apothekenunternehmen wegen des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts auf ein EU-ausländisches Apothekenunternehmen nicht entgegenstehen. Nach der geltenden Normenhierarchie bricht Europarecht nationales Recht. Das Fremdbesitzverbot ist mit der gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit nicht vereinbar. Das Gesundheitsministerium war deshalb verpflichtet, die entsprechenden Normen des nationalen Rechts außer Anwendung zu setzen.
„Die saarländische Landesregierung hält an Ihrer Rechtsauffassung fest, wonach dem gesamten unmittelbar wirkenden Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht der Mitgliedsstaaten zukommt. Wie das Rechtsgutachten des renomierten Europarechtlers Prof. Rudof Streinz dokumentiert, war das deutsche Apothekengesetz als dem Gemeinschaftsrecht entgegenstehendes Recht außer Anwendung zu lassen“.
Die Europäische Kommission hat diese Rechtsauffassung des Saarlandes bestätigt. „Drei Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien, Österreich und Spanien (Az: IP/06/858) haben deutlich gemacht, dass nationale Vorschriften für Apotheken unvereinbar sind mit dem Binnenmarkt. In der Entscheidung der Kommission vom 28. Juni 2006 heißt es wörtlich:
„…Beschränkungen (wie nach italienischem Recht , dass juristische Personen, die nicht aus Apotheken bestehen, keine privaten öffentlichen Apotheken betreiben dürfen) sind nur mit dem EG-Vertrag vereinbar, wenn sie aus Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt, zur Erreichung der mit ihnen verfolgten Ziele notwendig und außerdem verhältnismäßig sind. Nach Auffassung der Kommission gehen die Beschränkungen jedoch über das hinaus, was zur Erreichung des angestrebten Zieles, nämlich des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, erforderlich ist….Das Verbot für Nicht-Apotheker bzw. für juristische Personen, die sich nicht aus Apothekern zusammensetzen, eine Apotheke zu betreiben, geht über das hinaus, was zum Schutz der öffentlichen Gesundheit erforderlich ist; es würde genügen, für die Medikamentenausgabe an Patienten und die Bestandsverwaltung die Anwesenheit eines Apothekers vorzuschreiben…“
Wie Gesundheitsminister Josef Hecken erklärte, blicke er daher gelassen auf die zwei anhängigen Klagen vor dem Verwaltungsgericht des Saarlandes. Die Betriebserlaubnis an Doc Morris N.V. mag vielleicht einzelnen Apothekern nicht gefallen, jedoch ist die Möglichkeit der Nutzung von Internetversandhandel geeignet, bei gleicher Qualität der Produkte zu günstigeren Konditionen Arzneimittel zu beziehen. Diese vom Bundesgesetzgeber gewollte Liberalisierung nutzt dem Kunden und der Allgemeinheit, denn sie ist geeignet, Arzneimittelausgaben und somit Kosten für die Beitragszahler zu dämpfen. Von den Chancen des Versandhandels machen im übrigen bereits heute 46 saarländische Apotheker schon Gebrauch: sie haben eine Erlaubnis beim Gesundheitsministerium beantragt und erhalten.
- Weiterführende Links
- www.abda.de
- www.justiz-soziales.saarland.de