Die wirtschaftliche Grundlage der meisten Leistungserbringer ist und bleibt die ärztliche Verordnung

Thomas Bade

 

Die Zuständigkeiten medizinischer Berufe müssen klar voneinander abgegrenzt sein. Warum dabei Transparenz die Voraussetzung von echten Kooperionen im Gesundheitswesen ist erläutert Unternehmensberater Thomas Bade.

Korruption vs. Kooperation

Ein schmaler Grat

Autor: Thomas Bade | Unternehmensberater

Kein Mediziner darf eine Apotheke besitzen oder an ihr beteiligt sein. Was wie eine Forderung aus dem Koalitionsvertrag vom Herbst 2013 klingt ist über 800 Jahre alt. Um 1200 erfolgte im Edikt von Salerno die gesetzliche Abgrenzung des Ärztestandes vom Apothekerwesen. Ärzte durften fortan keine Apotheke besitzen oder daran beteiligt sein und die Arzneimittelpreise wurden gesetzlich festgeschrieben, um Preistreiberei zu verhindern. Das gilt heute noch!

Was Stauferkaiser Friedrich II im Mittelalter vorgemacht hat führen Gesundheitspolitiker und Strafrechtler 800 Jahre später mit zahlreichen Gesetzen gegen Korruption im Gesundheitswesen fort. Ein neuer Straftatbestand soll in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden, der die Bestrafung von bestechlichen Ärzten, Apothekern und anderen Heilberuflern regelt. Der Bundesregierung schwebt eine Ermittlungspraxis vor, die man aus organisierter Kriminalität kennt: Telefonüberwachung, Abfangen von E-Mails, Durchsuchungen. Die Strafen für überführte Täter sollen bis zu drei Jahre Haft, in schweren Fällen bis zu fünf Jahre betragen.

Das Strafrecht wird dabei für gesundheitsökonomische Steuerungsinteressen instrumentalisiert. Kooperationen zwischen den Sektoren sind seitens des Gesetzgebers grundsätzlich erwünscht. Denn sektorenübergreifende Versorgungsprozesse werden durch Vorschriften in den Sozialgesetzbüchern und Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zum neuen Strukturmuster der Versorgung, um die bisherige sektorale Gliederung zu überwinden und eine integrierte Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Die ökonomische Verantwortung und die Indikationsentscheidungen für medizinische oder pflegerische Hilfen und für gesundheitsförderliche oder rehabilitative Maßnahmen sollen in einer Hand liegen, damit die Wertschöpfung im gemeinsamen Interesse von Patienten, Krankenversicherung und Dienstleistungserbringern erfolgen kann. Seit Jahren werden Versorgungsstrukturen im Sinne einer prozessorientierten kooperativen Vernetzung mit Eigenverantwortung der Leistungserbringer definiert.

So hat der Bundesgerichtshof erst im März 2014 entschieden, dass die Kooperation eines Apothekers mit einer Gesellschaft, die aktiv Entlassungsmanagement nach Krankenhausaufenthalt betreibt, zulässig sei. Vor dem Hintergrund höchst richterlicher Urteile ist davor zu warnen, den Leistungsaustausch zwischen Leistungserbringern auf Grundlage eines Kooperationsvertrages als Vorteil zu definieren und in den Anwendungsbereich der Korruptionsdelikte einzubeziehen.

Für Arzt, Apotheker, Krankenhaus, Physiotherapeut, Pflegedienst oder Sanitätshaus rechtfertigt seit Jahren die pure Existenz eine Finanzierung ihrer Dienstleistungen nicht mehr. Wer nicht nachweisen kann, dass er ein sinnvoller und nützlicher Teil der sektorenübergreifenden Wertschöpfungskette im Gesundheitswesen ist, wird Probleme bekommen und aus dem Markt ausscheiden. Das ist vom Gesetzgeber so gewollt, aber die Selbstverwaltung hat es bisher nicht verstanden, gemeinsame Leistungskomplexe unterschiedlicher Professionen in Rahmenverträgen oder Honorarregelungen zu etablieren.

Es sind gesetzliche Bestimmungen und Richtlinien, aus denen heraus Ärzte und andere Leistungserbringer aufgefordert werden, den Behandlungsprozess gemeinsam zu organisieren, zu optimieren und dazu Vergütungsvereinbarungen zu treffen. Nach dem gegenwärtig vorherrschenden Meinungsbild in Politik, Rechtsprechung und Wissenschaft bestehen jedoch erhebliche strukturelle Defizite sowie Umsetzungs- und Regelungslücken.

So bietet vor allem der deutsche Arzneimittelmarkt, und insbesondere die Versorgung mit Zytostatika und Krebsmedikamenten, Chancen für überdurchschnittliche Profite. Profiteure sind in erster Linie Apotheker, Hersteller und Pharmafirmen. Hingegen sank die Vergütung onkologisch-ärztlicher Leistungen über die Jahre. Durch die Diskrepanz in den Einnahmen zwischen Onkologen und Apothekern wundert es nicht, dass Firmen versuchen, eine exklusive Verordnung ihrer Produkte durch Onkologen oder einen exklusiven Einkauf durch Apotheker zu erwirken. Hohe Gewinnmöglichkeiten auf der einen Seite und kontinuierliche Verkleinerungen des finanziellen Spielraumes auf Seiten der Ärzte bereiten aber erst den Nährboden für unsolides Geschäftsgebaren und Korruption.

Kooperationsmodelle aber pauschal zu kriminalisieren, fällt im Grunde genommen auf die Urheber der Gesetze und Richtlinien zurück. Die Abwicklung medizinischer und therapeutischer Interaktionen über Märkte und Preise verletzt seit jeher das soziale Empfinden vieler Menschen.

Nun gab es immer juristisch filigran entwickelte Konstrukte, Kooperationen zwischen Ärzten und anderen Leistungserbringern so zu gestalten, dass eine Zusammenarbeit oder ein Beratervertrag auch nach der neuen Gesetzeslage gerechtfertigt und legal erschienen. Der Dschungel an Paragraphen, Richtlinien und Empfehlungen für Krankenhaus, Arzt, Apotheker, Sanitätshaus oder Pflegedienst ist nicht mehr zu durchschauen. Trennt der Arzt akribisch ärztliche und nicht-ärztliche Leistungen und bekommt dafür ein Honorar, besteht die Gefahr der gewerblichen Infizierung der Arztpraxis. Die Folge wäre die Umsatzsteuerpflicht des Arztes.

Ärzte, Pflegedienste, Apotheken und Krankenhäuser müssen nach verbindlichen Richtlinien und Expertenstandards erheben, prognostizieren und dokumentieren, bekommen dafür aber von den Krankenkassen kein Geld. Nicht alle verbindlich geregelten Interventionen und Therapiemaßnahmen unterliegen aber dem alleinigen Einfluss der Ärzte, vielmehr bestehen immer Abhängigkeiten von Dritten bei bestimmten Prozesskriterien. Hier müssen die leistungsrechtlichen Rahmenbedingungen, vor allem zwischen SGB V, SGB IX und SGB XI angepasst werden.

Nun ist der Umstand, dass Leistungserbringer die Vergütung ihrer Tätigkeit durch Krankenkassen für zu niedrig halten, kein schlüssiges Argument, Richtlinien oder Expertenstandards nicht zu beachten, keine Dokumentation anzulegen und keine Medikamente, Heil- oder Hilfsmittel mehr zu verschreiben.

Für das Bundesministerium für Gesundheit bedeutet eine solche Entwicklung aber letztendlich, dass es die politisch Verantwortlichen erreicht haben, Leistungseinschränkungen bei sektorenübergreifenden Versorgungsformen gegenüber den Patienten nicht selbst verantworten zu müssen, sondern diese Verantwortung an die Ärzte zu übertragen.

Dem Arzt ist es jeher ohne besondere medizinische Gründe untersagt, Patienten an andere Leistungserbringer zu verweisen. Die Messlatte, was medizinische Gründe sind, hat der Bundesgerichtshof sehr hoch gelegt. Das oberste deutsche Gericht bejaht die Zulässigkeit der Zusammenarbeit zwischen dem Arzt und einem bestimmten Anbieter von Leistungen nur dann, wenn das aus medizinischen Gründen verfolgte Ziel nicht auf andere zumutbare Weise erreicht werden kann. Die Gretchenfrage für jeden Arzt ist nun, was „andere zumutbare Weisen“ sind.

Es kommt daher auf klar geregelte Zuständigkeiten der einzelnen Berufe, arbeitsteilige Prozessorganisationen und auf ein kooperierendes Miteinander an. Schließlich tragen die anderen Gesundheitsberufe bei allen Kooperationen die Durchführungsverantwortung für ihre Tätigkeiten am Patienten, für die sie ausgebildet und gesetzlich zuständig sind.

Arzt und andere Leistungserbringer müssen die medizinisch gebotene Zusammenarbeit gegenüber Patienten und Kostenträgern transparent kommunizieren und klare Prozesse definieren. Viele Gesetzesinitiativen, Richtlinien und Expertenstandards bieten die Chance, alle Beteiligten dahin zu bringen, sich in Zukunft wirklich mit interdisziplinären Versorgungsstrukturen zu beschäftigen. Hierfür dürfen ausschließlich medizinische, pflegerische, therapeutische und qualitätssichernde Aspekte eine Rolle spielen. Koordination und Integration unterschiedlicher Heilberufe sind neuartige Tätigkeiten für das Gesundheitssystem. Sie sind in erster Linie Kommunikations- und Organisationstätigkeiten, die entsprechende Management Techniken und betriebswirtschaftliche Ausbildung erfordern sowie gesondert vergütet werden müssen.

Das kooperative Nebeneinander unterschiedler Leistungserbringer muss einen aufwandsorientierten Ansatz beflügeln, um als gesetzliche Regelleistung flächendeckend und bevölkerungsbezogen etabliert zu werden. Erst dann werden die Ziele der Qualitätsverbesserung bei gleichzeitiger Kostenreduktion erreicht. Da der Arzt nach der Gesetzeslage aber unstreitig die medizinische und haftungsrechtliche Verantwortung für den diagnostisch-therapeutischen Pfad bei allen Kooperationen hat, müssen die anderen Gesundheitsberufe im offenen Dialog auf die Ärzteschaft zugehen. Denn die ärztliche Verordnung bildet für die meisten Leistungserbringer nach wie vor die wirtschaftliche Grundlage für ihre Unternehmen.