"Deshalb sind hochstehende Medizin und Wirtschaftlichkeit zwei Seiten derselben Medaille."

Dr. med. Manfred Eggen

Arzneimittelausgaben vs. Ärztehonoraren

Der Preis der Therapiefreiheit

Autor: Dr. med. Manfred Eggen | Langjährig Beratender Arzt der KV Nordrhein

Freiheit ist für uns Ärztinnen und Ärzte ein hohes Gut. Und sie zu verteidigen eine vornehme Aufgabe. Es geht um nicht weniger als die Errungenschaften der Moderne: Die Sicherstellung bester medizinischer Versorgungsqualität für jeden einzelnen, unabhängig von seinen Lebensverhältnissen. Und diese menschliche Würdigung zu gewährleisten ist unser täglicher Auftrag. Medizinische Entscheidungen sind immer ein höherer Dienst am Allgemeinwohl.

Sie erfordern persönliche Unabhängigkeit und fachliche Eigenverantwortung. Deshalb ist Freiheit Teil unserer ärztlichen Identität. Wir reagieren empfindsam auf Einschränkungen, Bevormundung und Zwänge, die unsere Entscheidungsräume einengen könnten. Manchmal reicht dazu ein politischer Beitrag in der Tagespresse oder das Anschreiben einer Krankenkasse. Wir sind Freiberufler und wären auch gerne Freigeister, ganz im Sinne von Friedrich Nietzsche, der die Befreiung des Geistes ein moralisches Gebot nennt. Das erklärt so manchen Trotz und Widerstand.

Berufung mit vielen Zwängen

Doch die ärztliche Therapiefreiheit hat einen Preis. Sie kollidiert scheinbar mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot des Sozialgesetzbuches V. Hier wird die Verteilungsgerechtigkeit bei der Versorgungsqualität durch einen limitierenden Rechtsgrundsatz sichergestellt. "Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen." [§ 12 (1) SGB V]

Ein limitierender Grundsatz wird oft missverstanden. So wie die Talionsformel „Auge um Auge…“ aus dem 2. Buch Moses nicht die Grausamkeit der Bestrafung bezeichnet, sondern den Schadensersatz auf seine Angemessenheit limitiert. Bekommt also jeder nur, was ihm mindestens zusteht, so reicht das Geld für alle möglichst lange. Deshalb sind hochstehende Medizin und Wirtschaftlichkeit keine Gegensätze, sondern zwei Seiten derselben Medaille.

Autonomie als Basis für Entscheidungen

Niemand darf bei meiner Therapieentscheidung mitbestimmen. Also müssen Ärztinnen und Ärzte eben mehr wissen, als nur die beste Therapie. Sie müssen auch die Preise kennen, die Produktalternativen, ihre Erscheinungsformen, alle verglichen haben, vor Ihrer Unterschrift auf dem Rezept. Wir fragen zu recht: „Wie soll das gelingen?“ Ärztinnen und Ärzte benötigen eine transparente Produktauswahl. Dabei ist es nicht die Sache der Anbieter, ihre Produkte und Preise vergleichbar zu machen. Das liegt in der Natur der Sache. Das ärztliche Ziel nach der besten Auswahl zum günstigen Preis verhindert die Gewinnmaximierung der Anderen. Produktanbieter können hier weder behilflich sein, noch sind Sie neutrale Ratgeber für die Ware der Konkurrenz. So ist die Welt der Ökonomie. Hier entscheidet nicht die Perspektive, sondern nur der Standpunkt. Bin ich Verkäufer oder Käufer?

So gilt es auf jedem Marktplatz. Also wird über Qualität gesprochen. Qualität wird immer behauptet, in Arztpraxen beworben, sogar beschworen, selten wird sie bewiesen. Und man pflegt Legenden: „Die Qualität von Arznei- und Hilfsmitteln bestimmt ihren Preis.“ Tatsächlich bestimmen den Preis immer der Hersteller bei der Abgabe und der Lieferant nach seinen Einkaufsvorteilen. Deshalb gibt es nur Gemeinsamkeiten wenn das eigene Produkt auf dem Rezept steht. “Wir wollen schließlich auch leben“, sagen die Anbieter. „Deshalb sind teure Produkte auf dem Rezept einfach schöner.“ Wenigstens ein ehrliches Wort.

Guter Rat darf nicht teuer sein

Auch die Kassenärztlichen Vereinigungen thematisieren die Intransparenz im Arzneimittelmarkt. Dort kennt man alle Probleme: Den Produkt- und Preisdschungel wie das Drängen von Versorgungsanbietern. Damit guter Rat nicht teuer wird, ist guter Rat immer unabhängig von Herstellern und Lieferanten. Am besten, Ärztinnen und Ärzte emanzipieren sich von den Informationsmonopolen der Produktanbieter und streben stattdessen nach Unabhängigkeit und Autonomie. Das schont das Arzneimittelbudget und schützt vor möglichen Regressforderungen. Denn am Ende konkurrieren alle Leistungserbringer um das gleiche Geld, das die Gesellschaft für ihre Gesundheitsleistungen zu geben bereit ist. Den Euro, den die Krankenkassen als Beitrag einnehmen, können sie nur einmal ausgeben, entweder als Kosten einer Verordnung oder als ärztliches Honorar.